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Gerade voraus. Enrico Kölling (r.) bei seinem Debüt als Profi gegen den Spanier Pablo Sosa. Zuvor boxte Kölling als Amateur bei Olympia und für den Boxring Hertha BSC.

© dapd

Herthas Boxer: Fäuste für den Aufstieg

Auch abseits der großen Profiligen gibt es jede Menge Vereine, die sich um den Sport in Berlin verdient gemacht haben. In unserer lockeren Serie stellen wir einige von ihnen vor. Heute: die Boxabteilung von Hertha BSC.

Hertha BSC und Boxen, das war mal eine große Sache. In den frühen sechziger Jahren, als Manfred Maeß dreimal Deutscher Meister im Federgewicht wurde, oder in den frühen Siebzigern mit zwei Mannschaftsmeisterschaften. Oder nach der Wiedervereinigung, als die Staatsamateure des Ostteils für den Boxring Berlin in den Ring kletterten und 1996 den Titel gewinnen konnten. Es war damals die Blütezeit des Amateurboxens in Deutschland. 1995 hatten die Weltmeisterschaften in Berlin stattgefunden. Noch einmal, 2009, gelang dem Boxring Hertha BSC das Kunststück, die Meisterschaft nach Berlin zu holen.

Es ist nicht mehr viel geblieben vom Glanz vergangener Tage. Einen Ligabetrieb kann sich der Boxring Hertha BSC nicht mehr leisten. Der Abstieg von Herthas Fußballprofis in die Zweite Liga hat zu drastischen Einsparungen im Gesamtverein geführt. Während die Boxabteilung noch im Meisterschaftsjahr 2009 rund 58 000 Euro an Unterstützung erhielt, sind es im laufenden Geschäftsjahr (1. Juli 2012 bis 30. Juni 2013) nur noch 8500 Euro. „Wir haben dem Abstieg Rechnung getragen und all das in unserer Abteilung zusammengestrichen, was nicht lebensnotwendig ist“, sagt Peer Mock-Stümer. Der 45-Jährige ist Vorsitzender von Herthas Boxabteilung. Die Hertha BSC GmbH und Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien, kurz Hertha KGaA, die den Profifußball verwaltet, steckt seit Jahren in großen wirtschaftlichen Kalamitäten. Der Schuldenstand hat sich zum 30. Juni 2012 auf 42 Millionen Euro aufgetürmt. Der erneute Abstieg im vorigen Sommer wird die finanzielle Situation des Vereins noch einmal verschlechtern. Die daraus resultierenden Einsparungen treffen neben den Boxern auch die anderen Abteilungen des Vereins, wie die der Kegler und der Tischtennisspieler. „Wir haben unseren Beitrag freiwillig geleistet, das aber in der stillen Hoffnung, im Aufstiegsfall der Fußballer im kommenden Sommer auch wieder zu alter Stärke zurückzufinden“, sagt Mock-Stümer.

Herthas Boxabteilung wurde 1948 gegründet und zählt zu den traditionsreichsten Berlins. Die Gegenwart aber ist trist. Zu dem Zuschuss von 8500 Euro kommen eigene Einnahmen in Höhe von rund 5000 Euro. Mit diesem Geld kann wenigstens verhindert werden, dass dem Boxen bei Hertha in Gänze die Geschäftsgrundlage entzogen wird. Von diesen Mitteln werden etwa Verbandsgebühren, Material und eine kleine Aufwandsentschädigung an die Trainer geleistet. Drei Trainer kümmern sich ehrenamtlich an drei Abenden in der Woche in der Böttgerstraße in Berlin-Wedding um die Boxer.

Einen Ligabetrieb lässt der Haushalt in diesem Geschäftsjahr nicht zu, weder in der Oberliga noch in der Zweiten Liga, von einer Bundesligastaffel ganz zu schweigen. „Diese Entwicklung ist sehr schade“, sagt Hans-Peter Miesner, Präsident des Berliner Boxverbandes. Seit der Einführung der Bundesliga im Jahre 1971 ist Berlin erstmals nicht mit einer Staffel im Ligabetrieb vertreten. Der Abstieg von Herthas Fußballern vor zwei Jahren hatte noch nicht diese drastischen Einsparmaßnahmen zur Folge. Bis auf ein paar Kürzungen sei alles beim Alten geblieben. Das olympische Boxen funktioniert in der höchsten Wettkampfklasse ohnehin nur als Zusammenschluss der besten Boxer Berlins samt eingeflogener Legionäre. Die Staffel, die Berlin jahrelang in die Bundesliga schickte, firmiert seit acht Jahren unter dem Namen Boxring Hertha BSC. Zudem profitierten die Hertha-Boxer von einer Kooperation mit Sauerland-Event, dem größten deutschen Profiboxstall.

Für die Aktiven, aber auch für die Sportstadt Berlin, sei der derzeitige Zustand nicht lange haltbar, sagt Mock-Stümer. Über die Boxringstaffel konnten sich die Talente auf nationaler Ebene messen und präsentieren. So kamen zwei der vier deutschen Olympiaboxer von London aus Berlin: Enrico Kölling und Stefan Härtel. Beide boxten jahrelang für den Boxring Hertha in der Bundesliga, nach den Sommerspielen hat Kölling das Lager gewechselt. Der Halbschwergewichtler bestritt im September sein Profidebüt für Sauerland-Event. Härtel dagegen studiert derzeit Sport und Geschichte auf Lehramt und boxt gelegentlich für die deutsche Staffel im Rahmen der neuen Weltliga des Boxens, der „World Series of Boxing“.

Das, was von Hertha in Sachen Boxen derzeit übrig geblieben ist, ließe sich bestenfalls als „großes Sozialprojekt“ umschreiben. Mehr sei, so Peer Mock-Stümer, unter diesen Umständen nicht drin. „Wir setzen darauf, dass die Fußballer den Aufstieg bewerkstelligen und wir dann zu alten Verhältnissen zurückkehren“, sagt Herthas Boxchef. Und Berlins Boxpräsident Miesner fügt hinzu: „Wir wollen im kommenden Sommer zurück in die Liga, das ist ein wichtiges Element für den Boxplatz Berlin.“

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