zum Hauptinhalt
Erstklassig in der B-Note, im Torabschluss aber hat Hertha ein Problem. Gegen Leverkusen vergab Tolga Cigerci die beste Chance der Berliner.

© imago sportfotodienst

Herthas Ertragsproblem: Die Berliner sind fleißig, aber nicht zielstrebig

Herthas Mannschaft spielt emsig wie Ameisen, aber im entscheidenden Moment fehlt die Zielstrebigkeit. Trainer Jos Luhukay will nun daran arbeiten.

Es gibt so Spiele, die schlagen selbst Berufsoptimisten aufs Gemüt. „Das Gefühl ist auch heute noch nicht gut“, sagte Jos Luhukay einen Tag nach der 0:1-Niederlage gegen Leverkusen. „Wenn man ganz knapp und insgesamt auch ungerechtfertigt verliert, dann ist das frustrierend.“ Herthas Trainer wirkte gestern erstmals wirklich etwas angeschlagen. Ist ja keine ganz so neue Erkenntnis, die das Spiel gegen Leverkusen offenbarte. Schon in den Heimspielen gegen Stuttgart und Schalke war es so: Hertha spielt ganz gut mit, ist über weite Strecken sogar besser – und verliert am Ende dann doch.

Nicht dass es schlimm wäre für einen Aufsteiger wie Hertha gegen Mannschaften wie Schalke oder Leverkusen zu verlieren. Das Problem ist vielmehr, dass man zwar fußballerisch mit dieser höher eingeschätzten Mannschaft problemlos mithalten, aber am Ende nichts mitnehmen kann. Das drückt aufs Gemüt.

Erneut waren die Berliner in wichtigen Fachbereichen eines Fußballspiels dem Gegner überlegen. Das Gegenpressing funktionierte, erneut wurde der Spielfluss einer spielstarken Mannschaft eingedämmt und wieder war das alles recht ansehnlich. Nur verpasste es Hertha erneut, vor dem gegnerischen Tor Fakten zu schaffen. Zwölf Schüsse Richtung Tor gab Hertha ab, zwei kamen tatsächlich aufs Tor. Leverkusen schoss nur viermal Richtung Tor. Leverkusen machte daraus ein Tor, Hertha keins.

Hertha hat ein Ertragsproblem.

Wie eigentlich immer in der Bundesliga betrieb Hertha auch gegen Leverkusen einen famosen Aufwand. 123 zurückgelegte Streckenkilometer sind ein Liga- Spitzenwert. Allein Herthas Mittelfeldspieler Tolga Cigerci legte 13,3 Kilometer zurück – das ist weit über Durchschnitt. Aber in der entscheidenden Übung, dem finalen Torschuss, scheiterte er bei Herthas bester Torchance an Torwart Bernd Leno. Auf der Gegenseite hatte der Leverkusener Torjäger Stefan Kießling nur eine Szene im Spiel – und nutzte sie zum Siegtor.

Luhukays System ist bundesligareif

Das Spielsystem, das Luhukay dem Aufsteiger verpasst hat, ist bundesligareif und macht die Berliner absolut konkurrenzfähig. Nur hat Hertha ein Problem mit dem Output des Aufwands. Denn, und das ist die andere Hälfte der Wahrheit, das System ist letztlich besser als die individuelle Qualität der Spieler.

Jos Luhukay muss gezwungenermaßen auf ein solches auf physischen Aufwand basierendes System setzen, um überhaupt wettbewerbsfähig zu sein. Hertha kann sich nicht mal eben fehlende Qualität von außen dazukaufen. Luhukays System funktioniert in hohem Maße über innere Bereitschaft, und hier vor allem über Laufbereitschaft. Weltweites Aufsehen erzeugte ein solches System bereits bei der WM 2002, wo Co-Gastgeber Südkorea ohne große Einzelkönner mit seiner Emsigkeit – einer Art Ameisenfußball – bis ins WM-Halbfinale gestürmt war.

Tatsächlich ist Hertha eine der fleißigsten Mannschaften der Bundesliga. Mit diesem Fleiß zwingt der Aufsteiger selbst höherwertige Mannschaften zum Rückwärtsgang, aber es fehlt Hertha in den wenigen entscheidenden Momenten am Killerinstinkt.

„Ich will nicht nur gut spielen, sondern ich will auch Erfolg“, sagte Luhukay. Also werde er sich wieder in die tägliche Arbeit stürzen. Dann werde es noch mehr um Genauigkeit und Durchschlagskraft in der Endzone gehen. Denn allein mit dem fehlenden Quäntchen Glück sind Niederlagen wie gegen Schalke und Leverkusen nicht zu erklären. Deshalb feilt Luhukay weiter an der Qualität. Ein Mehr davon hilft die Abhängigkeit vom Glück zu verringern. Bei Luhukay hört es sich so an: „Uns fehlt die letzte Besessenheit, um die Flanken punktgenau zu bringen und dann die Strebigkeit vor dem Tor.“

Fürs Erste muss Herthas Trainer auch seine Mannschaft mental wieder aufrichten. Auch an ihr gehen solche Spielausgänge wie gegen Leverkusen nicht spurlos vorüber. Ab Dienstag werde man auf dem Trainingsplatz gemeinsam beginnen, wieder ein positives Gefühl aufzubauen. Ein Gefühl, dass man mit fleißiger Arbeit schon einiges erreichen kann. Gerade gegen eine Mannschaft wie den FC Augsburg, die kommenden Samstag im Olympiastadion gastiert. Lob und Anerkennung für die forsche Spielweise seiner Mannschaft seien zwar schön und gut, wie es Luhukay sagte, aber fürs Gemüt sei ein Sieg immer noch die „beste Medizin“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false