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Gesundheit. Gheorge Hagi (l.) trifft für Istanbul spät zum 2:2.

© REUTERS

Herthas Highlights im Europapokal: Oh, wie schön ist Chisinau!

Hertha kann sich erstmals seit Jahren wieder für den Europapokal qualifizieren. Unsere Reporter blicken vorfreudig zurück auf Highlights von Barcelona bis Tiflis.

Galatasaray Istanbul – Hertha BSC 2:2
Champions League, Vorrunde, erstes Spiel, 15. September 1999

Irgendwo im Luftraum über Bulgarien. Eine halbe Stunde bis zur Landung in Istanbul. Ein Journalist will im Flugzeug, das Hertha zum ersten Champions-League-Spiel befördert, ein verabredetes Interview mit Sebastian Deisler führen. Doch der Spieler ist nicht aufzufinden, ebenso wenig sein Sitznachbar Anthony Sanneh. Ihre gebuchten Plätze 12a und 12c sind leer. Auf der Toilette oder im Cockpit sind sie auch nicht. Sie sind definitiv nicht an Bord! Der Grund: Die beiden Spieler, die pünktlich beim Einchecken in Berlin ihre Bordkarten erhalten haben, gehen in Tegel einen Kaffee trinken und orientieren sich an einer Maschine, die ebenfalls nach Istanbul fliegen wird. Da ist Herthas Charter schon längst in der Luft. Zur Begrüßung im Istanbuler Kempinski erschüttert ein Nachbeben die Stadt. Vier Wochen zuvor hatte ein Erdbeben in Gölcük Verheerendes angerichtet und 18 000 Menschen das Leben gekostet. Andreas Thom springt sicherheitshalber aus dem Fenster seines Hotelzimmers im ersten Stock. Die Wände wackeln nur kurz. Das Spiel gegen Galatasaray beendet Hertha mit einem beachtlichen 2:2 und nur acht Feldspielern. Nachdem Michael Hartmann verletzt ausscheidet und Hertha nicht mehr wechseln darf, lässt sich Kostas Konstantinidis zu einer Backpfeife hinreißen und fliegt vom Platz. Den Elfmeter verwandelt Istanbuls Hagi zum 2:2.

FC Chelsea gegen Hertha BSC 1999.

Verliererglück. Sebastian Deisler (v.) kommt mit Hertha trotzdem weiter.
Verliererglück. Sebastian Deisler (v.) kommt mit Hertha trotzdem weiter.

© Imago

FC Chelsea – Hertha BSC 2:0
Champions League, Vorrunde, letztes Spiel, 3. November 1999

In den letzten Spielminuten an der Stamford Bridge haben die meisten Berliner Spieler nur noch Augen für Hans-Georg Felder. Herthas Pressesprecher verfolgt hinter der Ersatzbank auf dem Bildschirm das Parallelspiel zwischen Galatasaray und dem AC Mailand, das über den Ausgang in dieser Gruppe entscheiden wird. Die Mannschaft von Jürgen Röber liegt gegen die Weltauswahl Chelseas um Deschamps, Desailly und Zola chancenlos 0:2 hinten, könnte aber das Unmögliche schaffen und die Zwischenrunde doch noch erreichen, wenn die Türken, die aber selbst 1:2 hinten liegen, ihr Spiel gewönnen. Und tatsächlich, in den letzten Spielminuten gelingen dem türkischen Volkshelden Hakan Sükür noch zwei Tore. Hertha verliert in London, jubelt aber – das Geldverdienen geht weiter.

„Ich war noch nie so glücklich nach einer Niederlage meiner Mannschaft“, sagt Röber hinterher. Gegen Mitternacht hält Herthas Präsident Walter Müller in einem hübschen Hotel in einer noch hübscheren Gegend Londons eine nicht ganz so hübsche Bankettrede. Ungefähr so: Er habe Lotto gespielt und tatsächlich sechs Richtige. Leider habe er den Schein verloren. Alles scheint verloren. Aber am nächsten Tag klingelt es bei den Müllers, ein Türke steht vor der Tür und übergibt den Lottoschein. Röber hat glänzende Augen. Etwas später, nachts um drei, joggt er mit Felder durch den Hyde Park – aktiver Stressabbau.

Hertha BSC gegen FC Barcelona 1999

Nebulös. Warum gegen Barcelona angepfiffen wurde, versteht keiner.
Nebulös. Warum gegen Barcelona angepfiffen wurde, versteht keiner.

© IMAGO

Hertha BSC - FC Barcelona 1:1
Champions League, Zwischenrunde, erstes Spiel, 23. November 1999

Eine gewaltige Nebelwand hat sich über das Olympiastadion gelegt. Die nahe gelegene Havel hat noch sieben Grad, sonst ist es minus vier Grad kalt, deswegen. Wirklich betrüblich an diesem Abend aber ist, dass der FC Barcelona zu Gast ist mit Weltklassespielern wie Guardiola, Kluivert, Cocu und Figo. Denn zu sehen sind sie kaum. „Das Spiel hätte nie angepfiffen werden dürfen“, wird hinterher Barcelonas Trainer Louis van Gaal sagen. Der Schiedsrichter hätte sehen müssen, dass er nicht genug sieht. Die 60 000, die gekommen sind, kriegen eine Art Silhouettenfußball geboten. Luis Enrique soll die Katalanen in Führung geschossen haben. Hm. Was soll erst Kai Michalke sagen, dem der Ausgleich für Hertha gelungen sein soll. Jetzt schießt der Bursche schon ein Tor gegen das große Barça und keiner hat es gesehen. Van Gaal jedenfalls wird sich in dieser vernebelten Nacht nicht mehr einkriegen nach dem 1:1. „Ich habe mir sagen lassen, das wir in der zweiten Halbzeit große Chancen gehabt hätten.“

KVC Westerlo gegen Hertha BSC 2001

KVC Westerlo – Hertha BSC abgesagt
Uefa-Cup, 1. Runde, Hinspiel, 13. September 2001

Die ganze Welt sitzt an diesem Dienstag vor den Fernsehschirmen und hält den Atem an. Die ganze Welt? Nein, eine kleine Clique von Fußballfunktionären der Uefa tut so, als wäre nichts geschehen. Die Europapokalspiele absagen, weil im fernen New York die Zwillingstürme des World Trade Centers pulverisiert wurden? Auf keinen Fall! Erst einen Tag später kommen die Herren des europäischen Verbandes zur Raison. Die Delegation von Hertha BSC macht sich da gerade bereit, nach Belgien zu fliegen, wo sie am Donnerstag beim Pokalsieger KVC Westerlo antreten soll. Die beiden Begegnungen – das 2:0 in Westerlo, das 1:0 im Rückspiel, vor 9000 Zuschauern im Olympiastadion, die empörten „Röber raus!“-Rufe – sind zu Recht der Vergessenheit anheimgefallen. In Erinnerung ist der Name Westerlo den Hertha-Fans nur geblieben, weil er sie an ein kurzes Rendezvous mit der Weltgeschichte erinnert.

Hertha BSC gegen Servette Genf 2001

Stabübergabe. Jürgen Röber (r.) mit Nachnachfolger Lucien Favre.
Stabübergabe. Jürgen Röber (r.) mit Nachnachfolger Lucien Favre.

© picture-alliance / dpa/dpaweb

Hertha BSC – Servette Genf 0:3
Uefa-Cup, 3. Runde, Rückspiel, 6. Dezember 2001

Gerade vier Tage ist es her, dass Hertha BSC den neuen Weltpokalsieger Bayern München mit 2:1 besiegt hat, seit zehn Spielen sind die Berliner ungeschlagen, in den fünf vorangegangenen Europapokalpartien haben sie noch kein einziges Gegentor kassiert, und das 0:0 aus dem Hinspiel bei Servette Genf eröffnet ihnen alle Chancen aufs Weiterkommen. Was also soll da noch schiefgehen?

Als Herthas Abwehrchef Dick van Burik nach nicht einmal 20 Minuten wegen einer Notbremse die Rote Karte sieht, liegt seine Mannschaft bereits 0:1 hinten, am Ende heißt es 0:3. Immerhin: Hertha hat damit Fußballgeschichte geschrieben. Die Berliner sind der erste deutsche Klub, der im Europapokal gegen ein Team aus der Schweiz ausscheidet.

Im Nachhinein soll sich diese Niederlage für Hertha allerdings noch als durchaus gewinnbringend herausstellen – weil sich Manager Dieter Hoeneß anschließend die Frage stellt, wie es eigentlich sein kann, dass eine Mannschaft ohne große Stars einem gestandenen Bundesligisten fußballerisch deutlich überlegen ist. Bei der Beantwortung dieser Frage landet er schließlich beim Trainer der Genfer. „Seitdem habe ich den Werdegang verfolgt“, wird Dieter Hoeneß fünfeinhalb Jahre später sagen, als er diesen Trainer gerade für Hertha BSC verpflichtet hat. Sein Name: Lucien Favre.

Groclin Grodzisk gegen Hertha BSC 2003

Groclin Grodzisk – Hertha BSC 1:0

Uefa-Cup, 1. Runde, Rückspiel, 15. Oktober 2003

Es ist eine kurze Dienstreise, die Hertha BSC im Oktober 2003 nach Grodzisk in die Nähe von Posen führt. Nur 280 Kilometer sind es von Berlin zum neuen Stadion des Klub Sportowy Groclin Dyskobolia Grodzisk-Wielkopolski, das irgendwo im Nirgendwo liegt, gerade mal 5000 Zuschauern Platz bietet und erst seit der Installation einer Flutlichtanlage ein paar Monate zuvor europapokaltauglich ist. „Unser Problem wird nicht der Gegner sein“, hat Herthas Stürmer Fredi Bobic nach dem 0:0 im Hinspiel gesagt, „unser Problem werden wir selbst sein.“

Es ist keine besonders gewagte Prophezeiung: Hertha BSC bereitet sich schon die ganze Saison Probleme. In der Bundesliga liegt die Mannschaft auf einem Abstiegsplatz, nach acht Saisonspielen wartet sie immer noch auf den ersten Sieg. In Grodzisk scheint die „Hose-voll-Taktik“ von Trainer Huub Stevens („Bild“) immerhin zum Einzug in die Verlängerung zu reichen. Bis zur 84. Minute steht es 0:0, doch dann kassiert Hertha das 0:1 – und scheidet aus dem Europapokal aus.

Nach dem Spiel geht es mit dem Bus zurück nach Berlin. Vier Stunden dauert die Fahrt. „Es war eine lange Reise, eine schwere Reise“, sagt Stevens am Tag danach. Die Fans haben am Trainingsplatz Transparente aufgehängt. „Versager!!!“, steht darauf. Und: „Seid ihr es wert, unser Trikot zu tragen?“ Oder: „Eure Leistung purer Hohn, euer Charakter eine Schande.“ Acht Spiele und fünf Niederlagen später muss Stevens gehen. Dyskobolia bleibt immerhin noch bis 2008 erstklassig. Dann kauft Polonia Warschau den Verein und übernimmt dessen Platz in der Ekstraklasa. Grodzisk spielt inzwischen in der sechsten Liga.

Hertha BSC gegen Ameri Tiflis 2006.

Turnfest. Im Jahnsportpark läuft es für Ellery Cairo (l.) und Hertha.
Turnfest. Im Jahnsportpark läuft es für Ellery Cairo (l.) und Hertha.

© Imago

Hertha BSC – Ameri Tiflis 1:0
Uefa-Cup, Qualifikation, Hinspiel, 10. August 2006

Für Hertha BSC ist es im Post-WM-Sommer 2006 ein weiter Weg in den Uefa-Pokal. UI-Cup, Qualifikation – und dann scheitert die Mannschaft von Trainer Falko Götz gleich in den Play-offs für die Gruppenphase an Odense BK. Schon die letzte Qualifikationsrunde gegen Ameri Tiflis drei Tage vor dem Bundesligastart gestaltet sich arg zäh für den Bundesligisten. Der georgische Pokalsieger hält im Hinspiel lange ein torloses Unentschieden und kassiert erst in der Nachspielzeit durch einen Kopfballtreffer des eingewechselten Solomon Okoronkwo das 0:1. Für den 19 Jahre alten Stürmer aus Nigeria ist es das erste Pflichtspieltor, das er für Hertha BSC erzielt.

Weil das Olympiastadion in jenen Tagen von Mario Barth belegt ist, muss Hertha BSC aus Charlottenburg in den Prenzlauer Berg umziehen. Aber selbst im deutlich kleineren Jahnsportpark geben die 7377 Zuschauer eine ziemlich traurige Kulisse ab. Immerhin: Das Stadion erweist sich als gutes Pflaster für Hertha. Insgesamt fünf Europapokalspiele (gegen FK Moskau, Tiflis, Nistru Otaci, Interblock Ljubljana und Bröndby Kopenhagen) bestreiten die Berliner im Jahnsportpark zwischen 2006 und 2009. Alle fünf werden gewonnen.

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