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Früher Arminia Bielefeld, heute Hertha BSC Berlin: Andre Mijatovic.

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Herthas Kapitän: Andre Mijatovic: erster Mann für Liga zwei

Herthas Anführer Andre Mijatovic hat bei Arminia Bielefeld gelernt, wie schwer Aufstiege sind. Heute nun gibt es im Olympiastadion ein Wiedersehen mit den alten Kollegen.

Am Mittwoch war es endlich mal laut. So laut, wie es sich Andre Mijatovic gewünscht hat, als er seinen Dienst antrat bei Hertha BSC und von Trainer Markus Babbel gleich zum Kapitän ernannt wurde, weil „der Andre einer ist, der auf dem Platz auch mal den Mund aufmacht“. Der Trainer will auf dem Platz keine netten Jungs, die den Ball streicheln. Ein gewisses Reizklima gehöre dazu, sagt Babbel, sonst werde das nichts mit dem Aufstieg in die Bundesliga, und dann: Gute Nacht! Als am Mittwoch nun im Training der Verteidiger Christian Lell den Stürmer Raffael nach allen Regeln der rustikalen Zweitligakunst umtrat, da hatten sie bei Hertha ihr Reizklima. Raffael wollte gerade auf Lell losgehen, da baute sich Andre Mijatovic vor ihm auf. Mit der Autorität seiner 191 Zentimeter signalisierte der Kroate seinem brasilianischen Kollegen: Ich bin hier der Chef, und sonst keiner.

So emotional wie beim Rencontre zwischen Lell und Raffael war es bei Hertha zuletzt im Sommer zugegangen, als Babbel die Laktatwerte seines Personals überprüft und dramatische Mängel entdeckt hatte. Auch Mijatovic kam danach nicht um das verschärfte Trainingsprogramm herum. „Ich hab ja schon was erlebt“, sagt der neue Kapitän, „aber diese Vorbereitung war unglaublich, schlimmer kann es bei Felix Magath nicht sein.“ Aber es habe geholfen. „Die Mannschaft ist bereit.“

Dass Babbel die Kapitänsbinde keinem arrivierten Herthaprofi anvertraute, war auch ein Signal an die Belegschaft: Ihr seid jetzt eine Zweitligamannschaft, und ein Zweitligaspieler ist euer Anführer! Andre Mijatovic war im Sommer gewiss nicht der Berliner Königstransfer. Diesen Part beansprucht der Kanadier Rob Friend, der für 1,5 Millionen Euro aus Mönchengladbach kam und der Tore schießen soll. Und doch kann vorn nur vollendet werden, wofür hinten die Basis gelegt wird. Der Position des Innenverteidigers kommt im modernen Fußball eine größere Bedeutung zu, als es seine biedere Außenwirkung suggeriert. Ein guter Innenverteidiger ist operativer Manager des Teams, er hält die Viererkette zusammen und baut das Spiel mit dem öffnenden Vertikalpass auf. Herthas Absturz der vergangenen Saison kam auch deshalb zustande, weil Arne Friedrich als Abwehrchef in der ersten Halbserie unter Form spielte und mit wöchentlich wechselnden Partnern nie zu einer eingespielten Einheit fand. Erst als sich der Nationalspieler in der Rückrunde steigerte, fand Hertha zurück zur Konkurrenzfähigkeit, aber da war es schon zu spät.

Bei der WM machte Friedrich seinen Job so gut, dass er beim neureichen VfL Wolfsburg mit 31 Jahren einen millionenschweren Dreijahresvertrag bekam. Als Ersatz für den prominentesten Kopf holte Hertha Mijatovic, eine mittlere Berühmtheit vom Zweitligisten Arminia Bielefeld, mit 30 Jahren auch kein Frischling mehr. Zur Wahl stand auch der Leverkusener Lukas Sinkiewicz, der zwar sechs Jahre jünger ist als Mijatovic, aber einen Nachteil hatte: Er kannte die Zweite Liga nicht.

Wie schwer die Arbeit dort ist, hat Mijatovic drei Jahre lang gespürt. Erst in Fürth, wo sie es sich zweimal hintereinander lange auf den Aufstiegsplätzen bequem gemacht hatten und dann doch nichts zuzusetzen hatten. Mijatovic zog weiter nach Bielefeld und spielte zwei Jahre in der Bundesliga, bis es wieder hinunterging ohne einen Weg zurück. Heute nun gibt es im Olympiastadion (13.30 Uhr) ein Wiedersehen mit den alten Kollegen.

Hertha ist mit zwei Siegen gestartet, die Arminia mit zwei Niederlagen, aber wenn irgendeiner ein leichtes Spiel erwartet, bekommt er es mit dem Kapitän zu tun. „Ich habe mir die Bielefelder Spiele im Fernsehen angeschaut, das wird ein schweres Stück Arbeit“, sagt Mijatovic. „Diese Liga ist undankbarer, als viele glauben.“ Die Siege gegen Oberhausen und Düsseldorf seien ja schön und gut fürs Selbstvertrauen, für die Fans und das Tabellenbild, „aber wir haben doch alle gesehen, dass noch viel Luft nach oben ist“.

Das ließ sich am Spiel der Berliner Innenverteidigung erkennen. Drei Gegentore in zwei Spielen – das ist kein angemessenes Fundament für ein Team, das so gut besetzt ist wie kein anderes in Liga zwei. Mijatovic bildet das Fundament gemeinsam mit Roman Hubnik, der noch einen Zentimeter länger ist und noch nie zweitklassig gespielt hat. „Wir arbeiten an der Abstimmung“, sagt Mijatovic, „so etwas muss wachsen.“ Für die Kollegen sei es jedenfalls hilfreich gewesen, dass die ersten beiden Siege so knapp ausfielen, „denn jetzt weiß jeder, was auf uns zukommt“.

In Bielefeld haben sie das im vergangenen Jahr auch gewusst, als das Projekt Wiederaufstieg anstand. Noch am zwölften Spieltag thronten Mijatovic und seine Kollegen an der Spitze, doch der Rest der Saison ging unter in Querelen und Existenzängsten. Die Arminia hatte sich übernommen, beim Bau einer Tribüne genauso wie bei der Zusammenstellung der Mannschaft. Am Ende fehlten 15 Punkte zum Aufstieg, der Verein schrammte knapp an der Insolvenz vorbei. Mijatovic sagt, er wäre gern alt geworden in Bielefeld. So aber hat er nur die erste Woche der Saisonvorbereitung mitgemacht. Dann kam das Angebot von Hertha BSC, und Andre Mijatovic leistete seinen Beitrag zur Zukunftssicherung des Bielefelder Fußballs, indem er seinen gut dotierten Vertrag auflöste.

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