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Adrian Ramos, Herthas erfolgreichster Stürmer.

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Herthas Offensiv-Strategie: Ramos und Barrios: Storch trifft Panther

Wenn Hertha BSC am Samstag gegen Borussia Dortmund vielleicht schon um die letzte Chance spielt, messen sich auch die Stürmer Adrian Ramos und Lucas Barrios.

Berlin - Noch so ein Rendezvous mit der Vergangenheit. Vor sechs Tagen gab es ein überraschend erfolgreich gestaltetes Wiedersehen mit dem jetzt in Wolfsburg werkelnden Dieter Hoeneß, am Samstag nun trifft Hertha BSC auf den Mann, den der vormalige Manager Hoeneß in einer letzten Amtshandlung nur zu gern unter Vertrag genommen hätte. Ein Vorvertrag war schon unterzeichnet, aber Herthas Präsidium hatte nicht die fünf Millionen Euro, um Lucas Barrios aus seinem Vertrag beim chilenischen Klub Colo Colo freizukaufen. Der Argentinier zog weiter nach Dortmund und schoss die Borussia dorthin, wo Hertha in der vergangenen Saison stand, nämlich auf Platz vier.

Hertha ließ sich im Sommer viel Zeit bei der Suche eines Ersatzkandidaten für Barrios, den sie in Argentinien wegen seines Antritts und seiner Gefährlichkeit „la Pantera“ nennen, den Panther. Erst im September präsentierten die Berliner als Esatzkandidaten den Kolumbianer Adrian Ramos. Er hat übrigens keinen Spitznamen, passend wäre „la cigüeña“. Der Storch.

Mit seinem staksigen Laufstil und seinen eckigen Bewegungen wirkt Ramos auf den ersten Blick wie einer, der nur mitspielen darf, weil gerade einer fehlte. „Er muss noch einiges lernen, vor allem, was die Chancenverwertung betrifft“, sagt Herthas Trainer Friedhelm Funkel. „Aber wenn man bedenkt, dass er nicht mal eine Million Euro gekostet hat, dann war er wirklich ein super Einkauf.“ Funkel spricht gern von „Ramosch“, das klingt ein bisschen brasilianisch und passt ganz gut zu Herthas Offensiv-Strategen Raffael und Cicero. Wie Barrios hat sich Ramos überraschend schnell an die Bundesliga gewöhnt, was eher untypisch ist für Südamerikaner, die zur Akklimatisierung meist eine Saison brauchen. Ramos aber hat sich schnell an den körperlich betonten Stil gewöhnt und den selbst für Berliner Verhältnisse barbarisch kalten Winter klaglos weggesteckt. Auch die von den Kollegen adaptierte Floskelei geht ihm gut über die Lippen. Angesprochen auf den Wert seiner zwei Tore beim 5:1 in Wolfsburg ließ Ramos den Brasilianer Raffael übersetzten: „Viel wichtiger waren die drei Punkte.“

Barrios war auch einmal bei Hertha im Gespräch

Adrian Ramos war nach der späten Absage des Russen Roman Pawljutschenko ein Wunschkandidat des früheren Trainers Lucien Favre. Auch, wenn das nicht immer so aussah. Noch für den Tag nach dem 1:5-Debakel in Hoffenheim, seiner Abschiedsvorstellung auf der Berliner Trainerbank, hatte Favre für Ramos ein Einzeltraining angesetzt. Bis in den hintersten Winkel des Trainingsplatzes zog er sich zurück, um seinem neuen Torjäger zu vermitteln, wie er sich das mit dem Toreschießen vorstellte. Eine halbe Stunde lang durfte Ramos aufs leere Tor schießen, und ein paar Mal hat er es sogar getroffen. Ein paar Stunden später war Favre beurlaubt, und als letzter Eindruck blieb: Hertha hat einen Stürmer verpflichtet, der vielleicht einiges kann, aber offensichtlich nicht Tore schießen.

Der Berliner Fußball-Bundesligist ist hart kritisiert worden für seine Personalplanung. Dass kein angemessener Ersatz besorgt worden ist für die Stürmer Marko Pantelic und Andrej Woronin. Das ist richtig und falsch zugleich. Richtig ist, dass Herthas Angriff zum Saisonbeginn nur mit Artur Wichniarek und Waleri Domowtschiski und damit quasi ohne Stürmer in die Saison ging, was ursächlich war für den Absturz von Platz vier der Vorsaison ans Tabellenende. Falsch aber ist die Behauptung, dass diese Fehlplanung das Berliner Angriffsspiel bis heute lähmt.

Es ist diese Fehlplanung spät, wahrscheinlich zu spät korrigiert worden, dann allerdings mit einer sehr angemessenen Lösung. Pantelic und Woronin mögen im Rückblick fast wie Wunderstürmer erscheinen, die Hertha zur Fast-Meisterschaft geschossen haben. Diese Sicht stellt auch den neuen Angriff in ein eher trübes Licht. Dabei kommen der im September nachverpflichtete Adrian Ramos (9 Tore in 22 Spielen) und der Neujahrseinkauf Theofanis Gekas (6/10) gemeinsam auf eine Quote von 0,46 Toren pro Spiel. Das Duo Woronin (11/22) und Pantelic (7/26) war in der vergangenen Saison nur für 0,375 Tore pro Spiel gut.

Ramos hat sich zu einem erfolgreichen Stürmer entwickelt

„Schön, dass das mal einer sieht, vorher sind die beiden ja schon als Fehleinkäufe bezeichnet worden“, grantelte Friedhelm Funkel, nachdem seine Stürmer am vergangenen Sonntag mit fünf Toren den Deutschen Meister VfL Wolfsburg ganz allein abgeschossen und dafür reichlich Lobeshymnen eingeheimst hatten. Anders als sein Vorgänger Favre lässt Funkel seine Stürmer nicht mehr aufs leere Tor schießen. Für Favres hehren Anspruch, jeden Spieler jeden Tag ein bisschen besser machen zu wollen, ist in Zeiten des Abstiegskampfes keine Zeit. Ramos hat sich auch ohne spezielle Betreuung zu einem bemerkenswert erfolgreichen Stürmer entwickelt. So einer war Gekas schon vorher, was nun deutlicher zu sehen ist, da ihn seine brasilianischen Nebenleute auch ein bisschen mehr mitspielen lassen.

Allerdings hätte der Berliner Angriff noch ein bisschen besser sein können, und das schon zu Beginn der Saison. Denn so gut sich die statistische Bilanz der Herren Ramos und Gekas auch liest: Beide zusammen haben gerade so viele Tore geschossen wie der eine allein, den Hertha um ein Haar nach Berlin geholt hätte. 15-mal hat Lucas Barrios in 26 Spielen für Borussia Dortmund getroffen, nur einmal weniger als der in der Torschützenliste führende Leverkusener Stefan Kießling. Kopfball, Abstauber, Distanzschuss – Barrios kann alles. Im Hinspiel gegen Hertha hat er das finale 2:0 erzielt, nach blitzschneller Drehung um Arne Friedrich, der so verzweifelt wie vergeblich den Arm ausstreckte, Barrios war einfach nicht zu halten.

Wird es am Samstag einen Sonderbewacher für den Fast-Herthaner geben? Nein, sagt Friedhelm Funkel, „so etwas machen wir grundsätzlich nicht. Wo Barrios auftaucht, müssen wir ihn auffangen, dass kann der, der oder der machen.“

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