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Braunschweigs Timo Perthel (l.) und Herthas Ronny kämpfen um den Ball.

© dpa

Herthas Ronny: Raffinesse und Risiko

Wie kann einer wie Ronny so eingesetzt werden, dass er Hertha BSC mehr nutzt als schadet?

Jos Luhukay outet sich als Genießer. Vier-, fünf-, sechsmal hat er sich in der Früh das erste Tor seiner Mannschaft in Braunschweig vom Sonntag angeschaut, „weil ich es so schön fand“, sagt er. Herthas Trainer meint jene Sequenz, als Ronny den Eckball tritt und Adrian Ramos diesen per Flugkopfball zur Führung nutzt. Mithin eine, die Ronny in der zurückliegenden Zweitligasaison groß gemacht hat. „So etwas kannst du nicht trainieren. Das hat man“, sagt Luhukay.

Herthas Trainer hatte bereits am Vorabend Ronny zum Matchwinner ausgerufen. Der 27-Jährige hatte auch das zweite Tor vorbereitet. „Mit seiner Ruhe und Übersicht hat er Tolga Cigerci fantastisch in Stellung gebracht. Ronny hat sich beeindruckend zurückgemeldet.“

Zurückgemeldet aus dem Off-Status. Hinter Ronny liegen wechselhafte Wochen. Er spielte fast nie, trabte im Training hinterher und selbst bei Hertha waren sie sich nicht mehr ganz so sicher, ob es noch einmal was werden würde mit der Bundesliga und ihrem brasilianischen Linksfußartisten. Denn in der Bundesliga wird deutlich mehr erwartet, als für gewöhnlich ein Fuß schaffen kann. „Ich habe ihm gesagt, dass er die ganzen Diskussionen nur mit Leistung wegkriegt. Er muss das zeigen, was ihn in der Zweiten Liga groß gemacht hat.“

Wie aber gelingt es, Ronny in die Bundesliga zu transformieren, so dass er mehr nutzt als schadet?

Zunächst bestimmt das immer noch der Gegner. Die Eintracht ist bei allem, was sie tut, und mit Respekt betrachtet der Zweiten Liga am nächsten, nicht nur tabellarisch. „Das andere ist meine Herausforderung“, sagt Luhukay, der die Frage sehr persönlich nimmt. Ronny selbst müsse sich auf das Hier und Jetzt fokussieren, die Zweite Liga sei für ihn „extrem“ gewesen. Die Bundesliga aber verlange mehr Vermögen und Hingabe. „Ich kann ihn stimulieren und ihn dahinführen, aber das kann ich nicht allein“, sagt Herthas Trainer. „Der Spieler braucht die Einstellung und die Bereitschaft, auf das Toplevel zu kommen.“

Dabei sind es längst nicht nur die physischen Parameter, die stimmen müssen. Womöglich ist Ronny gar nicht weniger fit als auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft vor einem Jahr. Nur hat sich alles um ihn herum beschleunigt. Der Gegner spielt schneller, aber auch Hertha selbst, weil auch andere, schnellere Spieler im Mittelfeld spielen. Es geht um Handlungsschnelligkeit und Spieltempo. Ronny muss kein Dauerläufer werden, nur die ersten vier, fünf Meter sollte er anziehen können, um sich dem Gegenspieler entziehen zu können und anspielbar zu sein, und um nach Ballannahme ein paar Meter Raum zu gewinnen.

Luhukay möchte Ronny gar nicht in ein taktisches Schema pressen. „Er muss eine gewisse Freiheit haben, um zu seinem Spiel zu finden.“ Wie in der Zweiten Liga, als er schalten und walten konnte, weil er von seinen Mitspielern (damals noch Peter Niemeyer und Peer Kluge) abgesichert wurde. Auf dieser Basis war er gut für 18 Tore und 14 Vorlagen. „Ich habe im Sommer gesagt, wenn er es in der Bundesliga auf die Hälfte dieser Quote bringt, unterschreibe ich das“, sagt Luhukay. Derzeit steht Ronny bei drei erzielten Toren und drei Vorlagen.

Luhukay kennt seinen brasilianischen Spezi. Wie keiner vor ihm hat er Ronny für den deutschen Profifußball erschlossen. „Es ist nicht so einfach für ihn, der so geliebt wurde vom Anhang. Da kommt man auf Höhen, und es ist nicht so leicht, standfest zu bleiben“, sagt Luhukay. Gerade wenn man sich noch mit den neuen Gegebenheiten in einer höheren Liga auseinanderzusetzen habe. Bei Ronny dauert der Prozess noch an. Ausgang offen.

„Dass er unserem Spiel das gewisse Extra geben kann, war immer klar“, sagt Luhukay. Doch birgt Ronnys Mitwirken auch Tücken. Weshalb nicht nur seine Verfassung über Einsatzzeiten bestimme. „Entscheidend ist Ronnys Form, aber wir können uns keine Naivität leisten“, sagt Luhukay. Nach 15 Spieltagen habe Hertha noch nicht ein einziges Kontertor bekommen und Thomas Kraft sei der Torwart, der am wenigsten parieren musste. Bis auf die Spitzenteams hat kein Team weniger Gegentore kassiert. Das sind Werte, die Luhukay durch den Kopf sausen, wenn es darum geht, Ronny aufzubieten oder aber auf andere Qualitäten zu setzen. Selbst ein Kreativer wie Ronny müsse „unsere Spielweise annehmen“, wie es Luhukay sagt. Vor allem was das Tempo „im Umkehrspiel gegen uns“ anbelangt. „Wenn da einer wegfällt, ist es schwer, Konter des Gegners zu verhindern“, sagt Luhukay.

Ronny steht für Raffinesse, aber auch für Risiko. Kapitän Fabian Lustenberger nimmt’s pragmatisch: „Wir haben drei Punkte geholt. Sonst haben wir zuletzt gut gespielt, aber nix geholt.“ Soll wohl heißen: Wenn Ronny so spielt, arbeitet das Team gern für ihn. Dafür darf er sich kurz selbst genießen.

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