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Ins Team geschlichen. Von Tolga Cigerci (rechts) wurde bei Hertha BSC nicht allzu viel erwartet. Inzwischen darf er sich als Stammspieler fühlen.

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Herthas Tolga Cigerci: Schnörkellose Energie

Tolga Cigerci steht mit seiner mannschaftsdienlichen Art genau für den Fußball, den Trainer Jos Luhukay bei Hertha BSC sehen will. Es geht um Tempo, Leistungsbereitschaft und Tatendrang.

Neulich stand Tolga Cigerci im Rücken von Jos Luhukay und wurde ganz rot. Herthas Trainer referierte gerade über den Sieg von Braunschweig; er erzählte von Ronnys Wiederentdeckung und landete irgendwie bei Tolga Cigerci, dessen Anwesenheit er erst später bemerken sollte. Durch Spieler wie Cigerci habe seine Mannschaft „so eine unglaubliche Power“, wie er es noch nicht erlebt habe. „Diese Mannschaft hat so viel Substanz. Das beeindruckt mich.“

Tolga Cigerci muss es in den Ohren geklungen haben. Er stand da, schaute auf seine grellen Laufschuhe und fasste sich verlegen ans Ohr. „Dieser Junge hat solche körperlichen Voraussetzungen und dazu tolle fußballerische Qualitäten“, sagte Luhukay. „Und das sage ich jetzt nicht, weil er hinter mir steht und das hört.“ Luhukay hatte mitbekommen, dass sich der 21-Jährige in seinen Rücken geschlichen hatte.

Irgendwie hat Tolga Cigerci sich auch in die Mannschaft von Hertha BSC geschlichen. In jene Zweitligameistermannschaft, deren Mittelfeldachse kaum noch wiederzuerkennen ist und die trotzdem richtig gut durch die Bundesliga wirbelt.

Kurz vor Ende der Transferperiode reagierte der Aufsteiger auf die Verletzung von Alexander Baumjohann und lieh neben Per Skjelbred ebenjenen Cigerci aus. In Berlin fragte man sich, wer diese beiden Burschen denn seien und was Hertha mit ihnen wolle. Inzwischen haben diese beiden verdiente Helden wie Aufstiegskapitän Peter Niemeyer und dessen Adjutanten Peer Kluge vergessen lassen. Cigerci und Skjelbred sind nicht mehr wegzudenken aus dem Team.

Cigerci verkörpert genau das in seinem Spiel, was Luhukay für seine Mannschaft vorschwebt. Es geht um Tempo, Leistungsbereitschaft und Tatendrang. Luhukays Philosophie basiert auf Laufintensität, Lernwille und Handlungseile. Cigerci setzt diese Idee treu und schnörkellos um.

Was für manchen schmucklos aussieht, dient einem höherem Zweck. Spieler der Extraklasse kann sich Hertha nicht leisten, also müssen die Anforderungen im Verbund gelöst werden. Das funktioniert aber nur, wenn sich alle an die Vorgaben halten und tun, was zu tun ist. Cigerci und Skjelbred garantieren mit ihrer uneitlen und energischen Art eine Kompaktheit, die sonst nur Spitzenteams erreichen. Bisher ist es noch keiner Mannschaft gelungen, Hertha „auseinanderzuspielen“, wie es Luhukay ausdrückt. Von der Spitzengruppe abgesehen hat Hertha die wenigsten Gegentore kassiert und zudem noch kein einziges Kontertor gefangen.

Gelegentlich sieht es so aus, als würde das Streben nach Kompaktheit zulasten des Schönen, des Überraschenden und des Leichten gehen. Nach drei Heimspielen ohne Torerfolg werfen Herthas Kritiker ein, zu viele Dauerrenner im Team zu haben. Eine Sichtweise, die Luhukay nicht teilt. Man möge berücksichtigen, wo Hertha herkomme, was man realistisch imstande ist zu leisten und worum es am Ende nur gehen kann – den Klassenerhalt. Aber richtig sei auch, dass Hertha wieder mehr Torgefahr aus dem Mittelfeld entfachen könne. Vielleicht schon heute Abend im letzten Heimspiel des Jahres gegen Werder Bremen (20.30 Uhr).

Cigerci ist voriges Wochenende schon mal in Vorleistung gegangen. Der schlaksige Mittelfeldspieler erzielte das 2:0. Es war sein erstes Bundesligator. Kurz zuvor hatte er noch bei den Bayern und gegen Leverkusen gute Chancen ausgelassen. Luhukay hatte trotzdem an ihm festgehalten. Cigerci sei zwar in erster Linie ein Teamplayer, aber so ein Erfolgserlebnis sei wichtig. „Ich freue mich für ihn, dass er dieses Gefühl jetzt mitnimmt“, sagte Luhukay.

„Oh ja, ich habe lange drauf gewartet“, sagte Cigerci in fast schon entschuldigendem Ton. Vermutlich wird er in den Tagen danach mal an die Anfänge seiner Karriere gedacht haben. Als er mit sechs Jahren beim SV Phiesewarden begann und den Weg über die niedersächsische Provinz nahm. Über Arminia Vöhrum ist er im Nachwuchszentrum des VfL Wolfsburg gelandet, wo er 2011 mit der A-Jugend Deutscher Meister wurde. Beim VfL hat er noch einen Vertrag bis 2015, doch nach dem Bundesligadebüt als 18-Jähriger stockte seine Entwicklung. Nach einer Ausleihe für eineinhalb Jahre an Borussia Mönchengladbach landete er schließlich im August in Berlin.

Seit dem neunten Spieltag steht Cigerci stets in Herthas Startelf. Für Luhukay hat sich die Ausleihe schon jetzt bezahlt gemacht. Gut möglich, dass die Berliner von der Kaufoption, die sich haben einräumen lassen, Gebrauch machen und Cigerci ganz verpflichten. Der für diesen Fall mit dem VfL ausverhandelte Preis liegt bei einer Million Euro. Das ist zwar viel Geld für die klammen Berliner, aber gemessen an dem, was sie dafür kriegen, gut investiert.

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