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Eishockey - Kölner Haie - Eisbären Berlin

© dpa

Heute ist DEL-Auftakt: Kaltes Spektakel

Riesenarenen, Mitklatschmusik und Zuschauermassen: Eishockey entfernt sich von seinem Ursprung.

Eishockey roch. Selten angenehm, oft miefig. Nach Schweiß, Bier, Bratwurst und auch nach Zigarettenrauch. Eishockey war kalt, selbst in Deutschlands höchster Spielklasse wurde in alten, halboffenen, zugigen Stadien gespielt. Manche hatten nicht einmal das Wort Eishalle verdient. Eishalle? Das war einmal, jedenfalls in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), die heute in ihre 15. Saison geht. Da heißt es nicht mehr Wellblechpalast in Berlin-Hohenschönhausen oder Eisstadion an der Kölner Lentstraße oder, sondern O2-World und Kölnarena. Pardon: Selbst Deutschlands größte Arena hat inzwischen die Sponsorentaufe hinter sich. Also: In der „Lanxess-Arena“ beginnt sie am Donnerstag, die neue Saison in der DEL mit dem Spiel Zweiter gegen Meister. Die Kölner Haie empfangen die Eisbären Berlin, über 15 000 Zuschauer werden erwartet.

Eine derartige Zahl war noch vor einigen Jahren in Deutschland in Sportarten außerhalb des Fußballs undenkbar. Im Eishockey allerdings wird sie immer mehr zum Normalfall. 2,6 Millionen Zuschauer hat die DEL vergangene Saison gehabt, wieder einmal stieg die Besucherzahl im Vergleich zur Vorsaison um insgesamt 100 000. Und diese Saison wird es weiter nach oben gehen, wegen der neuen Berliner Arena am Ostbahnhof. Die Eisbären haben ihr erstes Heimspiel am 14. September gegen Augsburg längst ausverkauft. 14 200 Zuschauer werden den Berliner Klub sehen, der bisher vor maximal 5000 Zuschauern in Hohenschönhausen spielte. „Das ist natürlich ein Quantensprung“, sagt DEL-Geschäftsführer Gernot Tripcke . „Unsere Sportart wird in Berlin eine ganz andere Wahrnehmung bekommen.“

Der lange Umzug aus den alten Eishallen in eine neue Zukunft ist bald abgeschlossen. Von 16 Klubs spielen bereits zehn in neuen, meist großen Multifunktionsarenen. Und die zwei Vereine, die ihr Stadion noch an einer Seite offen haben, müssen auf Ligenbeschluss umbauen: Der EHC Straubing spielt bis zur Fertigstellung der Halle in Regensburg, Augsburg hat noch bis 2009 Zeit umzurüsten.

Neue Hallen scheinen sich zu lohnen. In Berlin sind selbst die Eisbären von ihren guten Vorverkaufszahlen überrascht. Nach einer Ticket-Aktion bei einer Lebensmittelkette gab es Beschwerden, dass die Warteschleifen der Hotlines für die Kartenbestellungen zu lang seien. Eisbären-Geschäftsführer Billy Flynn sagt: „Wir hatten 120 Anrufe in der Minute.“ Überrascht ist Flynn über den Boom nicht. „Wir bieten schließlich Eishockey in einer ganz neuen Dimension an.“

Was sich bald in Berlin unter dem „modernsten Videowürfel Europas mit acht Flächen“ (Flynn), dann so abspielen wird, das wird nicht nur mit ein paar Männer zu tun haben, die einer Hartgummischeibe hinterherhecheln. Da werden Werbefilmchen laufen – auch auf einer stadionumfassende Anzeigewand am Oberring – da wird Mitklatschmusik eingespielt bei jeder Spielunterbrechung. Lasershow und allerlei anderen Schnickschnack wird es auch noch geben. Eishockey, eingequetscht ins Rahmenprogramm? Es mutet so an: Die Sportart ist auf höchster Ebene längst ein Spektakel geworden, was sich schon daran ablesen lässt, dass sich auch merkwürdigste Spielmodi ohne Fanprotest durchsetzen lassen.

Der Erfolg der Sportart in den Riesenarenen liegt wohl daran, dass die Sportart ideal für ein amüsierwilliges Publikum ist, das viel Zeit mitbringt: Eishockey dauert lange, hat drei Drittel, womöglich Verlängerung und auch mal Penaltyschießen. Und in den zwei Pausen, die in der DEL inzwischen von 15 bis 18 Minuten ausgedehnt wurden, lässt sich schon mal das ein oder andere Getränk genießen. Da lasse sich dann für einen Hallenbetreiber schon mehr mit dem Publikum verdienen als bei „Holiday on Ice“, sagt ein Verantwortlicher der Hamburger Color-Line-Arena.

Zehn von 16 Klubs spielen schon in einer neuen Arena

In Hamburg müssen sie es wissen, schließlich haben die Freezers, dort im Jahr 2002 als Retortenklub installiert, seit Jahren gute Zuschauerzahlen im fünfstelligen Bereich – bis zur letzten Saison. Da wurden die Fans dann doch gegen Ende der Spielzeit weniger, weil sie von den lausigen Leistungen der Freezers genug hatten, die trotz vieler Zuschauer und großen Budgets zuverlässig mit dem Meistertitel nichts zu tun haben – auch wenn sie Saison für Saison ihr halbes Team austauschen (erst gestern meldeten die Hamburger Eisbären-Profi Elia Ostwald als Zugang).

Alles lässt sich eben auch im Eishockey nicht machen: Am Tabellenstand lässt sich mitunter doch der Zuschauerschnitt ablesen. Don Jackson, als US-Amerikaner immerhin showerfahrener Trainer der Berliner Eisbären, findet das „auch ganz beruhigend“. Der normale Fan komme eben vor allem wegen einer Sache: „Der will seine Mannschaft siegen sehen, bei einer Niederlage tröstet ihn auch nicht die tolle Show auf dem Videowürfel.“

Ganz ohne sportlichen Erfolg geht es also auch in der DEL nicht. Wobei die Liga natürlich von weiteren großen Arenen träumt. „Hallenprojekte wie in Berlin sind noch in Frankfurt und München möglich“, sagt Geschäftsführer Tripcke. Und natürlich sei der Osten noch Brachland. „Leipzig und Dresden sind für uns sehr interessante Standorte“ – wenn sie denn neue große Hallen haben. Doch vor 2011 passiert da nichts.“ Bis dahin kann der Fan im Osten noch Eishockey genießen, wie es früher war. In der Zweiten Liga, zum Beispiel beim ETC Crimmitschau. Denn wer einmal im dortigen halboffenen Stadion mit 6000 Zuschauern ein Eishockeyspiel gesehen hat, wird es nicht vergessen. Trotz Kälte und Zigarettenqualm.

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