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Sport: Hightech und Enten

In Formel-1-Fabriken gibts Modelle für die Zukunft und Pokale von früher. Ein Besuch bei Mercedes

Wenn man mit dem kleinen Werksbus auf das Gelände fährt, dann sieht es erst einmal gar nicht so sehr nach Hightech aus. Eher nach einer angenehmen Umgebung für einen Familienausflug. Ein kleiner See mit Springbrunnen, umrahmt von Blumen, Büschen und Bäumen, auch ein paar unter Naturschutz stehende Enten dürfen nicht fehlen. Das Werk von Mercedes GP mit 400 Mitarbeitern im englischen Brackley, in dem die neuen Formel-1-Silberpfeile entstehen, mit dem Auto nur eine Viertelstunde von der Rennstrecke von Silverstone entfernt, wirkt einladend. „Wir haben wirklich Glück hier“, sagen auch die Verantwortlichen, „dass wir eben nicht in ein Industriegebiet eingezwängt sind, wie einige Konkurrenten“.

Diese Formel-1-Fabrik hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich, sie war zunächst ab Ende der 90er-Jahre Heimat von BAR, dann übernahm Honda, dann wurde nach dem Rückzug der Japaner 2009 für ein Jahr Brawn GP daraus – und jetzt eben Mercedes.

Der neue technische Direktor, Bob Bell, früher bei Renault, jetzt seit drei Monaten bei Mercedes, führt durch die Hallen: Vom Designshop, in dem 70 Leute daran arbeiten, die Grundideen der Aerodynamiker und Chefdesigner in produzierbare Teile umzusetzen, über die Produktionsabteilungen, wo in der Metallverarbeitung zum Teil mit Toleranzen im Tausendstel-Millimeter-Bereich gearbeitet wird bis hin zur Kohlefaser-Verarbeitung. Materialtests, Qualitätskontrolle, Überprüfung von Teilen unter simulierter Belastung – auch dafür gibt es eigene Bereiche, eindrucksvoll ist ein „Gerät“, das im Rennsport-Englisch „Eight-Point-Rig“ heißt, „Acht-Stempel-Platte“. Darauf kann man ein Auto montieren, und per Computerprogramm so bewegen, dass die auf bestimmten Strecken auftretenden Belastungen beim Fahren – zum Beispiel beim Überfahren von Randsteinen – genau simuliert werden können.

Einen Windkanal gibt es natürlich auch, an die 40 Millionen Euro hat allein dieses Teil wohl gekostet. Ein zweiter, kleinerer Windkanal stünde theoretisch auch noch zur Verfügung, wird jetzt aber an die Konkurrenz, an HRT, vermietet, außerdem manchmal an Firmen zum Beispiel aus dem Radsport. „Wir sind schließlich auch ein Unternehmen, da müssen sich die Dinge rechnen“, sagt Bell. Die Formel 1 soll so wirtschaftlich wie möglich betrieben werden, Kostenkontrolle ist angesagt – bei Mercedes glaubt man, dass die Konkurrenz, etwa Red Bull, da manchmal eine etwas andere Einstellung habe.

Und inwiefern ist man hier, mitten in England, wirklich schon Mercedes? „Sehr weit“, sagt Bell überzeugt. „ Die Historie motiviert auch alle – wieder dahin zu kommen, wo Mercedes schon mal war. Wir wissen, dass wir an diesem Punkt im Moment noch nicht sind, aber wir arbeiten hart daran, und wir werden dort auch wieder hinkommen.“ Und damit das Ziel täglich vor Augen bleibt, stehen zwei alte Silberpfeile im Werk, einer Jahrgang 1938, einer 1955. Neben der kompletten Pokalsammlung von BAR bis Mercedes GP.

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