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Schönes Wetter, schönes Spiel: Sabine Lisicki setzte ihren Siegeszug in Wimbledon in der dritten Runde fort.

© Reuters

Historisch schlecht: Wimbledon-Bilanz: Nur Lisicki noch dabei

Sabine Lisicki hat das Achtelfinale in Wimbledon erreicht - und ist damit die letzte verbliebene Deutsche in London. Vor allem die Männer enttäuschen beim traditionsreichsten Tennis-Turnier der Welt.

In den Katakomben des Center Courts befindet sich am Ende eines langen Ganges, an dem die Spielerumkleiden liegen, eine Sitzbank, die in diesen Tagen ständig besetzt ist. Philipp Petzschner hält sich dort am liebsten auf, denn von hier aus hat er den besten Blick auf die riesige Tafel, die gegenüber an der Wand angebracht ist. In schönster Schrift sind die Namen aller Sieger eingraviert, und unter „Doubles Champions 2010“ steht dort seiner neben dem von Jürgen Melzer. Unzählige Fotos hatte Petzschner mit sich davor gemacht, so stolz und glücklich machte ihn der größte Erfolg seiner Karriere auch zwölf Monate später noch.

„Ich bin hier der Titelverteidiger und das werde ich bis zum letzten Moment genießen“, verkündete Petzschner. Doch dass dieser Moment wohl nicht noch einmal bis zum Finale andauern würde, wusste er bereits, bevor die 125. Wimbledon Championships begonnen hatten. Petzschner war mit einer Knochenhautentzündung an der Rippe aus dem westfälischen Halle angereist, und wäre gar nicht angetreten, wenn es sich um ein unbedeutendes Turnier handeln würde. Das Gegenteil ist aber der Fall und umso größer daher auch die Enttäuschung, dass es für die deutschen Männer einen neuen Tiefpunkt markierte. In den diesjährigen Siegerlisten wird man ihre Namen vergeblich suchen.

Fast historisch war das Debakel, denn bis 1987 liegt es zurück, dass keiner von ihnen an der Londoner Church Road die dritte Runde erreichte. „Das ist sehr enttäuschend“, sagte auch Davis-Cup-Kapitän Patrik Kühnen, „wir hatten nach der Woche von Halle alle die Hoffnung, dass auch hier einige weit kommen würden.“ Stattdessen aber waren alle 13 gestarteten Profis vorzeitig gescheitert. Ähnlich sieht es bei den deutschen Frauen aus. Obwohl sie nach langer Pause im Aufwind sind, mussten Andrea Petkovic und Julia Görges in der dritten Runde nun schmerzlich erfahren, dass auch ihre Erfolge keine Selbstläufer ist. Petkovic, die zuletzt zwei Grand-Slam-Viertelfinals bestritt, vergoss sogar bittere Tränen.

Und raus. Julia Görges unterlag gestern in Wimbledon in der dritten Runde der Slowakin Dominika Cibulkova mit 4:6, 6:1, 3:6.
Und raus. Julia Görges unterlag gestern in Wimbledon in der dritten Runde der Slowakin Dominika Cibulkova mit 4:6, 6:1, 3:6.

© AFP

Die eigenen Erwartungen auszubremsen, ist derzeit ihre schwierigste Aufgabe. So bleibt nur Sabine Lisicki die Chance, sich in die Siegerlisten einzutragen. Die Berlinerin gewann am Samstag ihr Drittrundenmatch gegen die Japanerin Misaki Doi mit 6:4 und 6:2 und steht im Achtelfinale. „Ich spiele auf Rasen gut, fühle mich wohl, es macht einfach Spaß“, sagte Lisicki. Görges sagte über die Kollegin: „Ich glaube, dass sie hier ziemlich weit kommen kann.“

Bei den Männern dagegen war Kühnen ratlos wegen der dürftigen Leistungen. „Der eine oder andere hatte auch eine schwere Auslosung“, sagte er. Auf Petzschner traf das sicher zu, der dem Weltranglistenfünften Robin Söderling einen guten Kampf bot. Wie auch der Newcomer Tobias Kamke, der sich Andy Murray in der zweiten Runde wacker entgegenstellte. Philipp Kohlschreiber, der Halle- Sieger, scheiterte in Runde eins aber eher an sich selbst. Später machte der 27-Jährige eine Leistenverletzung für sein Aus verantwortlich, nicht zum ersten Mal zog er sich für ein schwaches Auftreten so aus der Affäre. Von den älteren und rekonvaleszenten Profis wie Rainer Schüttler und Thomas Haas durfte man ohnehin keine Großtaten erwarten, dafür aber von den Spielern aus der ersten Reihe wie Florian Mayer.

Nach seinem kläglichen Zweitrunden- Aus gegen den Teilzeitprofi Xavier Malisse bot Mayer ein Bild des Jammers. „Ich habe keine Erklärung dafür“, sagte er nur. „Ich war total blockiert.“ Die mentalen Probleme, die ihn noch vor drei Jahren geplagt hatten, hatte der 27 Jahre alte Mayer eigentlich überwunden. Er spielte bisher die beste Saison seiner Karriere, steht erstmals auf Rang 18 der Welt. Nun schien er jedoch in seinen Grundfesten erschüttert. Und nicht nur im Hinblick auf das Davis- Cup-Viertelfinale gegen Frankreich im Anschluss an Wimbledon ist die Ausgangslage laut Mayer nun „nicht gerade rosig“.

Die aktuelle Männergarde ist längst ins trostlose Mittelmaß abgerutscht, schon bei den Australian Open war in Runde zwei kollektiv Schluss. In Paris schaffte es Michael Berrer als Einziger eine Partie weiter. Und dass die deutsche Mannschaft in Düsseldorf im Frühjahr Weltmeister wurde, ist auch nur von geringem sportlichen Wert. Mit sieben Profis sind sie zudem in den Top 100 eigentlich stark vertreten, über die Qualität sagt das aber eben wenig aus. „Wir haben die Masse, die Frauen die Klasse“, witzelte Petzschner.

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