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Sport: Hoch den Ball!

Helmut Schümann über ein Produkt, das sich seit 40 Jahren bewährt Vorher zu gratulieren bringt ja bekanntlich Unglück, deswegen der Liga heute keinen Glückwunsch zum 40., der Geburtstag kann erst am Sonntag gefeiert werden.

Helmut Schümann über ein Produkt, das sich seit 40 Jahren bewährt

Vorher zu gratulieren bringt ja bekanntlich Unglück, deswegen der Liga heute keinen Glückwunsch zum 40., der Geburtstag kann erst am Sonntag gefeiert werden. Unglück ist das Letzte, was wir der Liga wünschen. Wer 40 Jahre lang in aller Bescheuertheit samstags gegen 15.30 Uhr das Auto wusch, um dabei besser die Radiokonferenz zu hören, wer später aus dem Strandbad flüchtete, um pünktlich um sechs Uhr vor der „Sportschau“ zu sitzen, noch später kulturpessimistisch die „Anpfiff“ und „ran“-Macher als kommerzielle Verweser beschimpfte und doch nicht lassen konnte vom Zusehen und heute wieder aus dem Strandbad flüchtet, der wünscht seinem Objekt der Begierde keine Unbill. Der ist bestenfalls gaga, so sind wir halt.

Gibt es irgendetwas auf der Welt, dem wir so großzügig, so nachhaltig, so dauerhaft gegenüberstehen? Gibt es nicht! Im Sport schon mal gar nicht, da wurde uns Tennis schnell über und wird uns die Schumi-Raserei bald genug gewesen sein. Wem oder was verzeihen wir sonst immer mal wiederkehrende Langeweile, Betrügereien und Skandale? Nichts und niemandem, der Politik nicht, dem Fernsehen nicht, der Bühne nicht, der Bundesliga schon.

Damit ist die Bundesliga zum wohl erfolgreichsten Produkt der Nachkriegszeit aufgestiegen. Es gibt keine Rezession, keine Massenentlassungen, was immer mal wieder als Krise daherkommt, wird schnell überwunden, der Ball rollt ja weiter. Der Bundesligaskandal in den siebziger Jahren? Historie! Die Kirch-Pleite? Der Ball rollt weiter und weiter, und dass er jetzt billiger rollt, wen kümmert es? Den Ball nicht, und uns erst recht nicht. Die Spielergehälter? Wir zahlen sie doch nicht. Stefan Effenberg, Lothar Matthäus? Überstanden. Nicht mal solche Küblböcks des Fußballs haben es vermocht, dass wir abschalten, weggucken, uns wenden mit Grausen. Und wenn nur ganz kurz, so lange, bis sie wieder die Klappe halten und nichts tun, außer einen Ball zu treten.

Warum das so ist, warum wir so generös sind? Schwer zu sagen, vielleicht ist es soziologisch zu erklären, psychologisch, pathologisch. Ganz bestimmt sogar. Aber doch nicht am Festtag! Hoch den Ball!

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