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Ferrari hängte Sebastian Vettel im Red Bull ab.

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Update

Hockenheim: Vettel Dritter - Ferrari muss zahlen

Von der Pole Position erreichte Sebastian Vettel in Hockenheim nur Platz drei. Fernando Alonso und Felipe Massa belegten die ersten beiden Plätze, doch wegen ihrer Stallorder muss Ferrari Strafe zahlen.

Von Christian Hönicke

Ferrari muss wegen des umstrittenen Überholvorgangs beim Großen Preis von Deutschland 100.000 Dollar Strafe bezahlen. Wie die vier Rennkommissare in Hockenheim am Sonntag nach der Anhörung der Verantwortlichen des Formel-1-Teams weiter mitteilten, wird sich zudem der Motorsport-Weltrat des Internationalen Automobil-Verbandes FIA mit dem Fall befassen.

Ferrari wird ein Verstoß gegen die Sportregeln vorgeworfen, nach denen Teamorder verboten ist. Nach einem längeren Funkverkehr hatte der führende Brasilianer Felipe Massa seinen spanischen Teamkollegen Fernando Alonso in der 49. von 67 Runden vorbeiziehen lassen. Alonso gewann den Grand Prix vor Massa und Sebastian Vettel.

Auch die Zuschauer reagierten verärgert: Als Fernando Alonso über die Ziellinie fuhr, pfiff es plötzlich. War es der Ferrari-Motor, die Benzinleitung, ein defektes Getriebe? Nein, das unangenehme Pfeifen kam von der Tribüne im Motodrom des Hockenheimrings. Der Spanier hatte gerade den Großen Preis von Deutschland am Sonntag vor seinem Ferrari-Teamkollegen Felipe Massa und dem deutschen Red-Bull-Fahrer Sebastian Vettel gewonnen. „Ich bin glücklich“, sagte Alonso, doch seine bittere Miene zeigte seine wahre Verfassung. Seine Laune verfinsterte sich noch, als er davon erfuhr, dass sein Teamchef Stefano Domenichali wegen des Verdachts der Stallorder von den Rennkommissaren zum Rapport geladen worden war. Die Entscheidung stand bei Redaktionsschluss noch aus, doch der einzig verdiente Sieger stand schon fest: Felipe Massa. Der Brasilianer hatte sich dem Teamwillen beugen und seinen Stallgefährten vorbei lassen müssen. Alonso sollte dadurch sieben Zähler mehr bekommen und die Distanz zum WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton verringern, der am Sonntag als Vierter ankam.

Massa war am Start an Alonso und Vettel vorbeigezogen. Der Deutsche war von der Poleposition in sein Heimrennen gestartet und hatte sich berechtigte Hoffnungen auf den Sieg gemacht. Doch wie zuletzt in Silverstone blieb Vettel am Start förmlich stehen. „Die ersten fünf bis zehn Meter kam ich überhaupt nicht weg“, sagte er. „Die Drehzahl ist in den Keller gefallen. Ich hatte Glück, dass der Motor nicht abgestorben ist.“

Immerhin gelang es Vettel diesmal, unfallfrei durch die erste Kurve zu kommen, wenn auch nur als Dritter. Da blieb er bis zum Ende des Rennens. „Ich bin vielleicht nicht ganz glücklich damit, aber das war heute das Maximum“, sagte er. „Ich freue mich, dass ich bei meinem Heim-Grand-Prix zumindest auf dem Podium stehen konnte.“

Vettel musste machtlos hinter den beiden Ferraris zusehen, wie die beiden Rivalen sich zunächst ein hartes Duell um den Sieg lieferten. In der 21. Runde war Alonso bei einer Überrundungsaktion in der Spitzkehre fast schon vorbei an seinem Stallgefährten, doch Massa wehrte den Angriff noch rigoros ab. Ein glanzvolles Comeback kündigte sich an.

Vor auf den Tag genau einem Jahr war er in Budapest bei Tempo 280 von einer Stahlfeder seines brasilianischen Landsmanns Rubens Barrichello am Helm getroffen worden und bewusstlos in die Streckenbegrenzung gerast. Er lag tagelang mit schweren Kopfverletzungen im Koma und musste den Rest der Saison aussetzen. Sein Unfall war auch die Initialzündung zum Comeback von Michael Schumacher, der Massa ersetzen sollte. Am Sonntag sah es nun so aus, als würde Massa erstmals seit seinem schweren Unfall einen Grand Prix gewinnen – bis zur 49. Runde. Ein paar Boxenfunksprüche hatten in der Zwischenzeit bei Ferrari die Runde gemacht. In einem hatte Alonso Massas Gegenwehr aus der 21. Runde schreiend als „lächerlich“ gescholten. In einem anderen teilte Massas Renningenieur Rob Smedley seinem Fahrer mit, dass Alonso „schneller“ sei. „Kannst du bestätigen, dass du diese Nachricht verstanden hast?“ Massa hatte verstanden.

Nun ist es im Teamsport Formel 1 absolut verständlich, dass Ferrari seinen in der WM besser postierten Fahrer nach vorn beordern wollte, doch die Stallregie ist eben seit Ferraris allzu übertriebenen Strategiespielchen in der Schumacher-Ära 2002 offiziell verboten. Am Sonntag wurden die Italiener von ihrer eigenen Vergangenheit eingeholt, denn viel offensichtlicher konnte man es nicht machen: Da war kein Rutscher, da war kein Wackler, Massa wurde einfach mitten auf der Geraden nach der Spitzkehre deutlich langsamer, so dass sein Stallgefährte bequem vorbeiziehen konnte. Die Offensichtlichkeit des Manövers war vermutlich eine Art zaghafter Protest gegen die Stallorder.

Hinterher versuchten sich die Männer in den Overalls zunächst im Schauspiel-Geschäft. „Ich weiß nicht, was passiert ist“, sagte Alonso scheinbar ahnungslos. „Ich habe gesehen, dass Felipe ein bisschen langsamer war, also habe ich die Chance genutzt. Man kriegt hier ja auch nicht so viele Möglichkeiten zum Überholen.“ Massa saß mit ausdruckslosem Gesicht daneben. „Was soll ich sagen? Er hat mich überholt“, erklärte er.

Später musste er aber zugeben, dass er Alonso kampflos vorbeigelassen hatte. „Heute habe ich gezeigt, wie professionell ich bin“, beteuerte Massa. „Man arbeitet für eine Firma und tut, was man tun muss.“ Massa war sogar so professionell, dass er die Schuld ganz auf sich lud. Die Entscheidung habe er ganz allein gefällt: „Ja, definitiv!“ Warum sich Smedley danach bei ihm mit einem „Sorry!“-Funkspruch entschuldigt habe, konnte er sich auch nicht erklären.

Sebastian Vettel wollte zu der ganzen Aktion nichts sagen. „Ich konnte es nicht sehen, ich war zu weit zurück“, sagte er. Aus eigener Erfahrung wusste er nur, dass ein Unfall unter Teamkollegen „auch nicht besser ist. Dann muss man auch jede Menge Fragen beantworten.“ Sein Teamchef Christian Horner war nicht so diplomatisch und sprach von einer Schande: „Das war eine klare Teamorder.“

Noch mehr Fragezeichen gab es nur bei Mercedes. Für die Silberpfeile erfüllte sich die Hoffnung nicht, wenigstens noch ein halbwegs anständiges Resultat einzufahren. Schumacher gelang zwar im Gegensatz zu Vettel wieder ein guter Start; er zog von Platz elf unter anderem an seinem Teamkollegen Nico Rosberg vorbei auf Platz acht. Nach seinem Boxenstopp jedoch verlor Schumacher Platz um Platz. Erst musste er den Renault-Piloten Robert Kubica passieren lassen, dann reihte sich auch Rosberg nach seinem späteren Reifenwechsel direkt vor den Rekordweltmeister ein. Während Rosberg sofort Druck auf den vor ihm fahrenden Kubica ausüben konnte, musste Schumacher abreißen lassen und sich darauf konzentrieren, den hinter ihm drängelnden zweiten Renault-Piloten Witali Petrow abzublocken. So fuhr der silberne Bummelzug schließlich auf den Positionen acht (Rosberg) und neun über die Ziellinie. Und das ganz ohne rätselhafte Funksprüche. (mit dpa)

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