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Hockey-EM: Ohne die Sensoren eines Weltmeisters

Die Hockey-Männer wollen Platz drei bei der EM. Denn der bedeutet die Qualifikation für Olympia 2008.

Die argentinische Rückhand von Carlos Nevado ist bei seinem Klub UHC Hamburg so etwas wie ein Running Gag. Im vergangenen Jahr, im WM-Finale gegen Australien, setzte der Stürmer zweimal aus vollem Lauf zu diesem anspruchsvollen Schlag an, beide Male verfehlte er den Ball, und beide Male landete er auf dem Kunstrasen. Auf diese Slapstickeinlagen wird Nevado seitdem häufiger angesprochen. Am Freitag im Halbfinale der Europameisterschaft gegen Spanien könnte sich der flinke Offensivspieler mit seiner argentinischen Rückhand versöhnt haben: Nevado ließ im Sprint drei Spanier hinter sich, und zum guten Schluss wuchtete er den Ball ins kurze Eck. In diesem Moment schien das Spiel für die Deutschen eine Wende zum Guten zu nehmen: Aus dem Rückstand hatten sie ein 2:1 gemacht, und wenn selbst Dinge gelingen, die sonst nicht gelingen, ist das ein gutes Zeichen.

Es sollte sich als Täuschung erweisen. Weltmeister Deutschland unterlag Europameister Spanien 2:4 im Siebenmeterschießen. „Siebenmeterschießen wird immer als Lotterie bezeichnet“, sagte Bundestrainer Markus Weise. „Ich stimme dem nicht zu.“ Die Spanier begriffen das finale Duell nicht als Glücksspiel, sondern als Chance. Entsprechend entschlossen traten sie Torhüter Uli Bubolz entgegen und verwandelten. Die Deutschen hingegen bewahrten sich ihren Zustand der Spannungslosigkeit, Timo Weß und Philipp Zeller vergaben ihre Siebenmeter. Eigentlich wollten die Deutschen zum siebten Mal den EM-Titel gewinnen, jetzt bleibt ihnen nur noch das Minimalziel: die Qualifikation für Olympia 2008, für die sie heute das Spiel um Platz drei (14 Uhr) gegen Belgien gewinnen müssen.

Ersatztorhüter Christian Schulte mahnte die Mannschaft nach der Niederlage gegen Spanien noch in der Kabine, den Fokus sofort auf die nächste Aufgabe zu richten. „Aber es ist schwer, das Spiel gegen Spanien komplett abzuhaken“, sagte Sebastian Biederlack. „Die Unzufriedenheit über unsere Leistung muss erst noch verarbeitet werden.“ Der Weltmeister spielte nur eine Viertelstunde so, wie es sich für einen Weltmeister gehört. Nach dem 2:1 aber überließen die Deutschen ihrem Gegner die Initiative. „Wir haben vielleicht unsere Chancen nicht gut genug genutzt“, sagte Jan Marco Montag. „Wir haben uns aber vielleicht auch nicht genügend Chancen erarbeitet.“

Erst nach dem spanischen Doppelschlag zum 3:2 (58./60.) flackerte das Selbstverständnis des Weltmeisters noch einmal auf. Mit der einzigen Strafecke für die Deutschen in der zweiten Hälfte gelang Christopher Zeller noch das 3:3. Sebastian Biederlack hatte trotzdem nicht „das Gefühl, dass alle Sensoren plötzlich viel mehr angespannt waren als vorher“. Genau das hat die Mannschaft vor einem Jahr ausgezeichnet. Im WM-Finale gegen Australien gerieten die Deutschen kurz nach der Pause 1:3 in Rückstand – am Ende gewannen sie 4:3. „Wir sind bei weitem noch nicht in der Verfassung, in der wir im letzten Jahr waren“, sagte Bubolz.

Auf den ersten Blick mag das seltsam erscheinen, denn von den 18 Spielern im EM-Kader waren 14 auch schon bei der WM dabei. Doch mit Philipp Crone und Björn Emmerling fehlen zwei Führungsfiguren. „Es geht genau um diese beiden Persönlichkeiten“, sagte Weise. „Ihr Fehlen hat Einfluss auf alle Belange in dieser Mannschaft.“ Da ist es ein hoffnungsvolles Zeichen für den Bundestrainer, dass Rekordnationalspieler Crone schon wieder darüber nachdenkt, ob sein definitiver Rücktritt aus der Nationalmannschaft wirklich definitiv gewesen sein soll.

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