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Hockey: Ganz neue Mischung

Der Trainer der deutschen Hockey-Frauen steht für einen unerwarteten Erfolg, der Coach der Männer für ein Scheitern.

Am Morgen des Finales musste Michael Behrmann leider feststellen, dass seine Arbeit keine nachhaltige Wirkung entfaltet. Der Trainer der deutschen Frauen-Nationalmannschaft hatte im Besprechungsraum ein Tuch mit den Logos aller Sponsoren des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) an die Wand gepappt. Kaum war Behrmann zur Tür raus, lösten sich die Klebestreifen und das Tuch blätterte zu Boden.

Mit der Nachhaltigkeit im deutschen Frauen-Hockey ist das so eine Sache. In der Vergangenheit war die Mannschaft regelmäßig zu Extremleistungen fähig, in die eine Richtung, genauso wie in die andere. Nie war das besser zu beobachten als vor einem Jahr, als die Nationalmannschaft im Juli die Champions Trophy gewann – und zwei Monate später bei der Weltmeisterschaft als Achter ihr historisch schlechtestes Ergebnis einstellte. Angesichts dieser Vorgeschichte wäre es ein bisschen früh, bereits einen stabilen Trend auszurufen, nachdem die deutschen Frauen am Wochenende zum ersten Mal Europameister geworden sind. „Wir haben alle noch Luft nach oben“, sagt Mandy Haase.

Immerhin blicken sie nach dem Triumph von Manchester recht zuversichtlich in die Zukunft, und das hängt vor allem mit den Erfahrungen der vergangenen neun Monate zusammen. „Die Mannschaft hat hundert Prozent Vertrauen ins Trainerteam“, sagt Michael Behrmann. Das stimmt, nur war es nicht immer so. Behrmanns Beförderung zum Bundestrainer hat in der Mannschaft alles andere als die pure Freude ausgelöst. „Ich war am Anfang ein bisschen skeptisch“, sagt Natascha Keller vom Berliner HC. Vielen erfahrenen Spielerinnen ging es ähnlich. Ihnen war vor einem Jahr suggeriert worden, der Nachfolger des zu den Männern wechselnden Markus Weise werde ein renommierter Coach aus dem Ausland sein. Am Ende bekamen sie den Trainer der U 21. Die Frauen hatten ohnehin das Gefühl, sie müssten zugunsten der Männer zurückstecken; jetzt sahen sie sich mit einer Notlösung abgespeist. Davon ist längst keine Rede mehr.

Michael Behrmann hat die Mannschaft überzeugt. „Er hat es auf jeden Fall drauf, so eine Mannschaft zu formen“, sagt Torhüterin Kristina Reynolds. Behrmann hat das Team umgebaut – scheinbar behutsam, in Wirklichkeit mit großer Entschlossenheit. Von den Spielerinnen, die 2004 olympisches Gold gewonnen haben, standen bei der EM nur noch sechs im Kader. „Die neue Mischung tut auch den erfahrenen Spielerinnen gut: dass sie mal andere Gesichter sehen und eine andere Sprache hören“, sagt Behrmann. „Und die Jüngeren können sich in diesem Rahmen gut entwickeln.“

Mit dem neuen Bundestrainer ist bei den Frauen ein ganz neuer Ton eingezogen. Markus Weise konnte sehr schroff und direkt sein, über Julia Müller hat er einmal gesagt: „Was hilft sie mir, wenn sie nach 35 Minuten platt ist?“ In Manchester bildete Müller mit Tina Bachmann die beste Innenverteidigung des Turniers. Michael Behrmann ist „viel umgänglicher“, sagt Mandy Haase. „Man hat im Spiel nicht das Gefühl: Gott, hoffentlich mache ich keinen Fehler.“

Wie so oft kann das Lob für den neuen Trainer immer auch als Kritik an seinem Vorgänger verstanden werden. Bei den Männern ist das nicht anders. Zuletzt musste man das Gefühl bekommen, dass Bernhard Peters vor einem Jahr mit einer Truppe abgerichteter Roboter Weltmeister geworden ist und erst sein Nachfolger Markus Weise ihnen die Menschwerdung auf dem Platz erlaubte. DHB-Präsident Stephan Abel wollte selbst beim blamablen 3:4 gegen Belgien im Spiel um Platz drei gesehen haben, „dass das Spiel attraktiv geworden ist, weil mehr individuelle Dinge möglich sind“. In Wirklichkeit sah man, dass die Spieler mit der neuen Freiheit überfordert sind und nach einer Führungsfigur gieren.

Für Markus Weise hat sich dadurch eine unglückliche Situation ergeben: Bei den Frauen verabschiedete er sich mit dem schlechtesten WM-Ergebnis aller Zeiten, mit den Männern schnitt er bei der EM als Weltmeister so miserabel ab wie nie zuvor eine deutsche Mannschaft – während die Frauen den Titel holten. Ob ihn das treffe, wurde Weise gefragt. „Das trifft mich überhaupt nicht“, antwortete er. „Das wäre ja nur persönliche Eitelkeit und echt ärmlich.“

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