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Genug hinterhergelaufen. Zuletzt verloren die deutschen Frauen zwei Mal gegen die Niederlande, hier kommt Julia Müller (l.) gegen Lidewij Welten zu spät

© imago/VI Images

Hockey-Nationalmannschaft der Frauen: Ente oder Adler?

Hockey-Bundestrainer Jamilon Mülders zieht Konsequenzen aus Platz acht bei der WM der Frauen: "Zum Teil gestalte ich die Einheiten extrem unangenehm, um zu sehen: Wer ist Ente und schnattert nur? Und wer ist Adler?"

Wenn Jamilon Mülders in gleicher Funktion im Fußball tätig wäre, könnte er sich jetzt vermutlich jeden Tag auf den Titelseiten der Boulevardpresse wiederfinden. Vier Niederlagen hintereinander unmittelbar vor einem großen Turnier – da schreien manche schon mal: Alarm! Aber Jamilon Mülders trainiert eben nicht die Fußball-Nationalmannschaft, sondern Deutschlands Hockey-Frauen, die am Samstag gegen Gastgeber Argentinien ihr erstes Gruppenspiel bei der Champions Trophy in Mendoza bestreiten. Vor dem Abflug hatte seine Mannschaft zwei Testspiele gegen England verloren und zwei gegen Holland. Größere Ausschläge in der öffentlichen Meinung waren trotzdem nicht festzustellen.

Das ist der Vorteil, wenn man für den Deutschen Hockey-Bund arbeitet und nicht für den Deutschen Fußball-Bund. Mülders hat seine Mannschaft in vergleichsweiser Ruhe auf das Turnier der acht weltbesten Teams vorbereiten können, er muss nicht auf kurzfristige Ergebnisse schielen, um das Volk ruhigzustellen, sondern kann das große Ganze im Blick haben. Dass ihm die Resultate gleichgültig sind, heißt das aber noch lange nicht. „Ich bin nicht zufrieden, dass wir nur 2:3 verloren haben“, sagt er über die letzte Niederlage der Testspielreihe, auch wenn der Gegner Holland hieß und aktueller Weltmeister ist. „Du musst gewinnen auch lernen.“

In diesem Fach aber haben die Deutschen zuletzt einige Schwächen offenbart. Bei der WM in Den Haag belegte die Mannschaft im Sommer nur Platz acht – nachdem sie im Jahr zuvor noch Europameister geworden war. Für Mülders ist das „ein klassischer Wiederholungsfall der letzten 40 Jahre im Damenhockey“. Das ständige Auf und Ab trägt fast schon pathologische Züge. Die Ausschläge sind bei den deutschen Frauen extremer als bei jeder anderen Nation aus der Weltspitze. Auf unerklärliche Erfolge folgen ebenso unerklärliche Misserfolge. Das einzig Gute ist: Umgekehrt gilt das genauso. „Inkonstanz ist die Konstante“, sagt Mülders. „Die mentale Wettkampfstabilität ist ein Dauerthema. Wir haben sie seltenst abgerufen.“

Das Abschneiden bei der Weltmeisterschaft ist nicht losgelöst von der inzwischen anderthalbjährigen Amtszeit des Bundestrainers zu betrachten, aber die WM war ein radikaler Einschnitt – weil Mülders aus den Erfahrungen in Den Haag deutliche Konsequenzen gezogen hat. Der Kader für die Champions Trophy hat sich drastisch verändert, acht Spielerinnen sind 24 oder jünger; andere spielen erst einmal keine Rolle mehr, weil der Bundestrainer nun sehr viel strikter darauf achtet, wer seine Anforderungen erfüllen kann und wer nicht.

Entscheidungsverhalten, Charakterqualität, Speed – das sind für ihn jetzt die entscheidenden Auswahlfaktoren. Talent hingegen „ist nur ein Einstiegskriterium“, sagt der Bundestrainer, „kein Nominierungskriterium“. Mülders will Spielerinnen, die beißen können und Widerständen trotzen. Ziel ist es, in Mendoza unter die ersten vier zu kommen. „Wenn du bei der WM Achter warst, dann ist das schon anspruchsvoll“, sagt der Bundestrainer.

Bei der WM-Analyse hat Mülders auch seine eigene Rolle eingehend durchleuchtet. Er hat sich mit vielen Kollegen ausgetauscht, einen Prozesscoach konsultiert, auch Bernhard Peters zu Rate gezogen, seinen früheren Trainer und Mentor, der jetzt Direktor Sport beim Hamburger SV ist. „Ich habe mir viel anhören müssen“, sagt er. Mülders weiß, dass er in letzter Konsequenz die Verantwortung für das schlechte Abschneiden der Mannschaft trägt, dass er Fehler gemacht hat, auch im Umgang mit den Spielerinnen. „Ich hätte gnadenlos dazwischenhauen müssen“, sagt er.

Der 38-Jährige kritisiert jetzt mehr, geht in der Spielanalyse stärker ins Detail und hat die Intensität des Trainings erhöht. „Zum Teil gestalte ich die Einheiten extrem unangenehm, um zu sehen: Wer ist Ente und schnattert nur? Und wer ist Adler?“ Ob er härter geworden ist? „Hört sich so an. Aber ich würde sagen: Ich bin weniger sozialverträglich. Ich nehme weniger Rücksichten.“ Prickelnd findet Mülders das nicht. „Es ist nicht meine Vorstellung von sozialem Umgang“, sagt er. „Aber es ist die logische Konsequenz.“

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