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Sport: Höflich, aber bestimmt

Ekuadors Team ist vor dem Deutschland-Spiel entspannt und selbstbewusst

Berlin - Im Zivilleben trägt Giovanny Espinoza einen weißen Hut, von dem der Himmel weiß, warum man ihn Panama-Hut nennt. Er ist ein Fabrikat aus Ekuador und auch dort erfunden worden. Bei der WM ist der Panama-Hut das Erkennungsmerkmal der Fans des letzten deutschen Vorrundengegners. Und von Giovanny Espinoza, wenn er nach getaner Arbeit wie ein Dandy aus der Kabine schlendert. Auf dem Spielfeld kommt er weniger elegant daher. Der Verteidiger ist eine beeindruckende Gestalt mit breiten Schultern und starkem Kopfballspiel. In Ekuador nennen sie ihn „La Sombra“, den Schatten, an guten Tagen kaum abzuschütteln vom gegnerischen Stürmer. An der Seite von Kapitän Ivan Hurtado und Ulises De la Cruz ist Espinoza einer der Garanten dafür, dass Polen und Costa Rica wenig ausgerichtet haben im ekuadorianischen Strafraum. Zur Einstimmung auf das Spiel am Dienstag in Berlin gegen die Deutschen hat er sich deren Spiel gegen Polen im Fernsehen angeschaut. „Sehr gute Stürmer“ hat Espinoza gesehen, „auf die musst du 90 Minuten lang aufpassen und manchmal noch ein bisschen länger. Aber mit Gottes Hilfe werden wir auch diese Aufgabe lösen.“

Gottes Hilfe wird im katholisch geprägten Ekuador gern in Anspruch genommen, aber nicht alle Ekuadorianer machen sie verantwortlich für den überraschenden Einzug ins Achtelfinale. „Unser Erfolg ist kein Wunder, sondern hart erarbeitet“, sagt Mittelfeldspieler Edwin Tenorio. Joachim Löw, der Assistent von Bundestrainer Jürgen Klinsmann, hat sich sehr lobend über das Spiel des letzten Vorrundengegners geäußert. So klar und so deutlich spiele nur Schweden das 4-4-2-System: „Das ist wie an der Schnur gezogen, sehr korrekt und diszipliniert.“

Carlos Tenorio, der zweite Stürmer der Ekuadorianer – ihn verbindet kein Verwandtschaftsverhältnis mit Edwin Tenorio – geht in seiner Zuversicht so weit, dass er Torschützenkönig des Turniers werden will, „was denn sonst?“ Mit zwei Toren liegt er gut im Rennen, aber es quält ihn sein lädierter Knöchel, Andenken aus einem Vorbereitungsspiel gegen Mazedonien. Beim 3:0 über Costa Rica musste Tenorio wie beim 2:0 zum Auftakt über Polen ausgewechselt werden. „Carlos braucht ein paar Tage Ruhe“, sagt Mannschaftsarzt Ruben Santamaria. „Ich bin dafür, dass er gegen Deutschland nicht spielt.“ Beim Toreschießen hat ihn der geschwollene Fuß bisher nicht gestört. Beide Treffer gelangen ihm mit dem Kopf.

Trainer Luis Fernando Suarez schwankt noch, ob er Carlos Tenorio und die ebenfalls maladen Luis Valencia, Agustin Delgado und Edison Mendez aufstellt. Nach geglückter Qualifikation für das Achtelfinale hat er schon mal laut über zwei bis fünf Veränderungen nachgedacht. „Aber natürlich wollen wir jedes Spiel gewinnen, auch das gegen die Deutschen“, sagt Suarez. Auf die Frage, was denn möglich sei bei dieser WM, antwortet der Trainer wie seine Spieler mit einem einzigen Wort: „todo“, alles. „Das Finale ist ein Traum, aber noch weit weg. Erst einmal hoffen wir für Dienstag auf einen schönen Nachmittag in Berlin.“

Suarez ist ein netter, gutmütiger Mensch. Er redet gern und viel und reagiert nur dann einsilbig, als ihn ein Reporter auf sein breites Kreuz anspricht. Waren Sie früher mal Boxer? Nein! Suarez wendet sich zum Gehen, wahrscheinlich hat er die Frage auf den Stil seiner Mannschaft bezogen. Dabei treten die Ekuadorianer keineswegs besonders körperbetont oder gar unfair auf. Der das Tempo vorgebende Agustin Delgado zählt zu den elegantesten Spielern des Turniers. Delgado ist ein Ästhet, das Spiel scheint ihm keine Anstrengung abzuverlangen, so leicht und natürlich wirken seine Bewegungen. Wie Carlos Tenorio hat er schon zwei WM-Tore erzielt, und er hat sie so bescheiden gefeiert, als wäre nichts selbstverständlicher gewesen. Den sportlichen Erfolg widmet er der Heimat: „Ich bin sehr glücklich, dass wir unseren Landsleuten eine Freude machen können.“ Überall feiern die Ekuadorianer große WM-Partys, in der tropischen Küstenregion wie im Hochland der Anden. Agustin Delgados Partys steigen auf dem Fußballplatz, es wäre schade, wenn er heute in Berlin nicht mittanzen könnte.

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