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Sport: Höher, schneller, bunter

Die Volley Dogs, das kuriose Team am Ostrand Berlins

Berlin. Die zwei Rothosen sind es, die auf dem Volleyballfeld des Horst-Korber-Zentrums herumhüpfen: Dmitri Derevianchenko und Jewgeni Otenko, zwei Drittel der neuen ukrainischen Fraktion bei den Volley Dogs, zwei Fünftel der ukrainisch-russisch-weißrussischen Clique des Bundesligaaufsteigers. Derevianchenko klatscht wie wild, als ein Kollege den Ball beim Aufschlagtraining übers Netz drischt, beim nächsten wedelt er anspornend mit den Armen. Als er selbst dran ist, gibt er Laute von sich, die einem Urschrei nicht unähnlich sind.

Seine Art der Kommunikation ist eine Frage des Typs, nicht der Verzweiflung. Die ersten deutschen Wörter – „höher“ und „schneller“ – hat der 32-jährige Zuspieler längst gelernt, und wenn er tatsächlich mal nichts versteht, steht ein Dolmetscher parat. Trainer Sergej Fjodorow nämlich. Der 50-jährige Russe, der seit 1990 in Deutschland lebt, übernahm die Mannschaft nach dem Bundesligaabstieg vor einem Jahr von Martin Stallmaier. Der sofortige Wiederaufstieg gelang, Verstärkungen mussten her. „Wir mussten gucken, wo wir gute Spieler herkriegen, die wir bezahlen können, und wohin wir gute Kontakte haben“, sagt Manager Sönke Michaelis. In die Ukraine nämlich, wo Fjodorow einst selbst spielte.

Und so kam es, dass die weite Welt Einzug hielt in die beschauliche Schulturnhalle von Hönow am Ostrand Berlins, wo die Volley Dogs ihre Heimspiele austragen. Mittelblocker Otenko (32), der vor Jahren schon für den Post SV, einen Vorgängerklub der Volley Dogs, antrat, wurde aus Israel zurückgeholt, Derevianchenko flog aus der Ukraine ein. Doch der Coup, so glauben die Verantwortlichen, gelang ihnen mit der Verpflichtung von Oleg Muschenko. Der 29-jährige Diagonalspieler hat wegen eines Kreuzbandrisses gerade ein Jahr pausiert. Zum Glück für die Berliner. „Wenn er gesund wäre, könnten wir ihn nicht bezahlen“, sagt Fjodorow, „dann würde er vielleicht in Italien spielen.“ Dort, in der stärksten Liga der Welt, stand der Nationalspieler früher schon unter Vertrag, ebenso wie in Griechenland und der Türkei. „Er hat jetzt 60 Prozent seines Leistungsniveaus erreicht, mit 80 bis 85 Prozent ist er der beste Mann in Deutschland“, behauptet der Trainer.

Ist das nicht ein gewaltiger Abstieg, von Topteams zu den in internationalen Volleyballkreisen nicht eben berühmten Volley Dogs? „Ich bin gern nach Berlin gekommen. Ich war so lange verletzt“, sagt Muschenko höflich. Derevianchenko, der in der Türkei und Polen Auslandserfahrung sammelte, bekam den Berlin-Tipp „von meinem Freund Muschenko. Die ärztliche Versorgung ist hier sehr gut.“ So gut womöglich, dass Muschenko, der noch mit dicker Bandage am Knie trainiert, tatsächlich zum Schrecken der Liga wird. Noch ist er nur der Superstar in spe und konnte die beiden Niederlagen zum Saisonstart, das 0:3 bei Meister Friedrichshafen und das 1:3 gegen Unterhaching, nicht verhindern.

Auch am heutigen Sonntag im Lokalderby beim SC Charlottenburg (15 Uhr, Sömmeringhalle) ist der Aufsteiger Außenseiter. Das liegt auch daran, dass die Ukrainer zwar Profis sind, ihre Kollegen aber studieren oder arbeiten. Manche spielen Teilzeit. Sergej Sergejew etwa, der weißrussische Zugang. Er kommt vom Regionalligaaufsteiger TSV Spandau zum Bundesligisten und ist ein erstklassiger Beachvolleyballer. „Er wollte nicht so ernsthaft spielen, ich habe ihn überredet“, sagt Fjodorow. Der Kompromiss: Sergejew kommt nur dreimal pro Woche zum Training. Er ist „in Notsituationen der zweite Zuspieler“. Oder auch nicht. Gegen Unterhaching war er Libero, „das habe ich direkt vor dem Spiel entschieden, wir haben keinen Libero“. Sergejews Beachpartner Falk Zimmermann lässt sich auch nur sporadisch blicken, Christian Kallweit „hat Rückenprobleme, ein kleines Kind und eine junge Frau“, erzählt der Trainer.

Drei ukrainische Profis, fünf deutsche Vollzeitspieler, die keine Profis sind, drei Teilzeitspieler – üppig bestückt ist der Kader nicht. Beim Training vor dem Lokalderby sprang auch ein Herr in gelbem T-Shirt mit übers Feld: Sönke Michaelis, der 40-jährige Manager, der vor vielen Jahren Zweite Liga und Regionalliga spielte. „Ich habe noch einen Spielerpass für die Volley Dogs“, sagt er, gibt aber zu: „Mein Einsatz würde wohl keinem nutzen. Aber vor ein paar Jahren habe ich schon mal in der Ersten Liga ausgeholfen.“

Helen Ruwald

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