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Mal den Ball im Blick, mal die Gesellschaft. Holger Nikelis bei den Paralympics 2012 in London.

© picture alliance / dpa

Holger Nikelis als Motivationstrainer: Was Unternehmensvorstände von einem Paralympicssieger lernen

Wie wichtig es ist, Hilfe anzunehmen, weiß Holger Nikelis selbst seit einem schweren Unfall. Das und anderes gibt er jetzt auch Managern weiter.

Berlin - All die großen Titel, die es zu gewinnen gibt, hat Holger Nikelis schon gewonnen. Deutscher Meister ist er, Europameister, Weltmeister und Paralympicssieger. Und in der aktuellen Weltrangliste belegt der 37 Jahre alte Rollstuhl-Tischtennisspieler Platz eins. Was der Sport mit ihm macht und ihm bedeutet, das gibt er regelmäßig weiter. Oft hat er einflussreiche Zuhörer, einige von ihnen führen deutsche Unternehmen.

Als Nikelis 17 Jahre alt ist, springt er mit dem Kopf voran von einer Klippe ins Meer. Das Wasser ist zu flach, er bricht sich den sechsten Halswirbel. Von diesem Zeitpunkt an ist er von der Brust abwärts gelähmt. Seine Beine kann er gar nicht mehr, seine Arme nur noch eingeschränkt bewegen. Er ist Tetraplegiker, sein Leben wird er im Rollstuhl verbringen. Doch statt sich selbst zu bemitleiden und an der Situation zu verzweifeln, versucht Nikelis so schnell wie möglich Anschluss an sein altes Leben zu finden. Noch im Krankenhaus holt er den Schulstoff nach, er will auf keinen Fall eine Klasse wiederholen. Nach fünf Monaten in der Rehaklinik geht er in die Schule zurück in seine alte Klasse. Auch Tischtennis fängt er nur vier Monate nach dem Unfall wieder an zu spielen. Zunächst muss er seinen Schläger an der gelähmten Hand festbinden, so kann er mit seinem Hobby weitermachen.

Nikelis ist sehr zielstrebig. Er will keine Zeit verlieren mit Dingen, die sich ohnehin nicht mehr ändern lassen. Darüber spricht der zweifache Paralympicssieger häufig auch vor Vorstandsvorsitzenden und Mitarbeitern namhafter Unternehmen wie der Deutschen Post oder der Allianz. Immer mehr große Konzerne laden Behindertensportler als „Motivation Speaker“ ein, um Vorträge vor Führungskräften und Mitarbeitern zu halten. Nikelis spricht dann davon, wie man mit Niederlagen umgeht, danach weitermacht und auf neue Erfolge hinarbeitet. Er erzählt von seiner eigenen unvorhergesehenen Niederlage, dem Badeunfall, und von Zielen, die er danach neu definieren musste: „Auf einmal gibt es Barrieren, die davor keine waren – Treppen zum Beispiel. Über die Treppe komme ich nicht mehr ans Ziel, also muss ich mir einen anderen Weg suchen. Der ist dann meist länger und umständlicher, aber am Ende klappt es trotzdem.“

Die Treppen stehen symbolisch für Projekte, die in Unternehmen täglich bewerkstelligt werden müssen. Es sei dabei wichtig, im Team zusammenzuarbeiten und die Hilfe von anderen anzunehmen. Das musste Nikelis nach seinem Unfall auch erst lernen. „Es ist mir nicht leicht gefallen, als Jugendlicher plötzlich wieder rund um die Uhr auf die Hilfe von anderen angewiesen zu sein. Aber mir wurde schnell klar, dass es anders eben nicht funktioniert.“ In Firmen könne man als einzelner Mitarbeiter natürlich auch alles selbst machen, aber es sei gewinnbringender, wenn man die Arbeit aufteile und sich jeder Einzelne auf das konzentriere, in dem er gut sei, sagt Nikelis, der selbst gelernter Fachinformatiker ist.

Nikelis spricht nicht nur vor Unternehmern, sondern auch vor Schülern und Studenten von seinem Leben als Spitzensportler im Rollstuhl. Er versucht ihnen, ihre Ängste vor Menschen mit Behinderung zu nehmen, indem er Dialoge schafft. Die Schüler dürfen ihn alles fragen. „Neulich wollte jemand wissen, ob ich im Rollstuhl schlafe. Tu ich natürlich nicht, aber dann kam die Frage auf, wie ich ins Bett komme, ob ich mich samt Rollstuhl umschmeiße.“ Nikelis lacht bei der Erinnerung.

Neben dem Tischtennisspielen und Vorträge halten hat er die Initiative „Sport grenzenlos“ gegründet. Durch Projekte wie regelmäßig stattfindende Inklusionstouren möchte er die Öffentlichkeit für Behindertensport und Inklusion sensibilisieren. Konkret heißt das, dass Nikelis auf Inklusionstouren schon mal eine Tischtennisplatte im städtischen Kaufhaus aufstellen lässt und die Kunden auffordert, dort gegen ihn zu spielen. Viele Sportvereine hätten sich für Menschen mit Behinderung geöffnet, erzählt Nikelis. „Auf einmal merken sie, dass es wunderbar funktioniert, wenn Behinderte und Nicht-Behinderte zusammen Sport machen.“

Inklusiven Schulen steht er hingegen kritisch gegenüber. „Viele Menschen mit Behinderung brauchen einfach einen geschützten Raum, einen Rückzugsort. Sonst sind sie im Alltag aufgeschmissen.“ Inklusion solle man niemandem aufzwingen, nur weil sie zum Modell der Gesellschaft geworden sei. Nikelis sagt: „Ich finde Inklusion super – aber nicht immer und überall.“

Nora Tschepe-Wiesinger

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