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Hellblau statt braun. Nicht alle Fans des Chemnitzer FC gehören der rechten Szene an - einige aber schon.

© Karina Hessland/imago

Hooligans im Fußball: Die rechte Szene des Chemnitzer FC

Der Viertligist hat seit Jahren Probleme mit gewaltbereiten, rechten Anhängern. Vor allem die Gruppe "Kaotic Chemnitz" steht im Blickpunkt.

Auswärtsspiele sind bei Fußballern eigentlich nicht sonderlich beliebt. Die Reise, eine ungewohnte Umgebung, viele gegnerische Fans. Die Spieler und Verantwortlichen des Chemnitzer FC dürften nach der vergangenen Woche aber ganz froh sein, dass ihnen der Spielplan der Regionalliga Nordost am Sonntag gegen Germania Halberstadt kein Heimspiel beschert. Das gilt erst recht für die Polizei. Seit einer Woche sind die Stadt Chemnitz und der örtliche Regionalligist in der Öffentlichkeit präsent wie selten zuvor. Nur um Sport ging es dabei nie. Seit in der Nacht auf Sonntag voriger Woche ein junger Mann am Rande eines Festes durch Messerstiche tödlich verletzt wurde, herrscht in der sächsischen Stadt so etwas wie Ausnahmezustand. Tausende Menschen beteiligten sich an rechten Demonstrationen, in denen sich Hass und Fremdenfeindlichkeit entluden. Die Polizei wirkte gerade in den ersten Tagen überfordert, während der Hitlergruß gezeigt und Hetzjagd auf vermeintliche Ausländer gemacht wurde. Aufgerufen zu den Aufmärschen hatten auch Vertreter der Hooligan-Szene, ganz vorne dabei: „Kaotic Chemnitz“.

Die Gruppierung hat seit 2012 Stadionverbot beim Chemnitzer FC, Einzelpersonen sind aber immer noch bei Spielen des insolventen Drittligaabsteigers präsent. Auf Facebook forderte „Kaotic Chemnitz“ am vergangenen Sonntag in einem mittlerweile gelöschten Beitrag dazu auf, „zu zeigen, wer in der Stadt das Sagen hat“. Auch gewaltbereite, rechte Anhänger anderer Vereine mobilisierten. Dazu kamen Pegida, die AfD, bekannte Neonazis. Die Polizei sprach von etwa 6000 Demonstranten. „Die Netzwerke bestehen seit den neunziger Jahren und der Überfall auf Leipzig-Connewitz hat gezeigt, wie die Mobilisierung funktioniert. Das kann man als Blaupause nehmen“, sagt Adam Bednarsky, Leipziger Stadtrat, Sportpolitischer Sprecher der Linken-Fraktion und Geschäftsführer des Fußballklubs Roter Stern Leipzig.

"Eine Melange aus Hooligans, Nazis, Kampfsportlern, Kameradschaften"

An dem Angriff auf den linken Stadtteil Connewitz am 11. Januar 2016, infolge dessen mehr als 200 Personen festgenommen wurden, waren Rechtsradikale aus fünf Bundesländern beteiligt, darunter zahlreiche Hooligans von verschiedenen Vereinen. Über das Internet und Smartphones funktioniert die Vernetzung und Organisation deutlich einfacher und schneller als früher.

Das zeigte sich auch in Chemnitz, wo schnell Hunderte, später Tausende Menschen auf den Straßen waren. „Es ist eine Melange aus Hooligans, Nazis, Kampfsportlern, Kameradschaften, angereichert mit einer Vielzahl an Menschen, die in den Medien gern als Wutbürger bezeichnet werden“, sagt Bednarsky. Die Übergänge sind dabei fließend.

Der Chemnitzer FC hat seit Jahren Probleme mit gewaltbereiten Anhängern, lange Zeit zumindest zum Teil selbstverschuldet. Schon in den neunziger Jahren fiel „HooNaRa“ – Hooligans, Nazis, Rassisten – mit Gewalttaten und Übergriffen auf. Dennoch leitete ihr Gründer bis 2006 den Ordnungsdienst im Stadion. Die Gruppierung löste sich 2007 auf, die Mitglieder blieben aber in der Szene aktiv. Zu dieser gehören auch die „NS-Boys“, auf deren Logo ein Propagandabild eines Hitlerjungen zu sehen ist. Wie „Kaotic Chemnitz“ hat auch diese Gruppe deutlich unter 100 Mitglieder, das Mobilisierungspotential ist jedoch um einiges größer. „Die Chemnitzer Hooligan-Szene und die Chemnitzer Kameradschaftsszene waren schon immer ein Paar“, sagte Fan-Forscher Robert Claus dem Tagesspiegel in einem Interview.

Die Verbindungen beschränken sich aber nicht nur auf die eigene Stadt und Sachsen. Besonders zu Cottbuser Hooligans hat die Chemnitzer Szene enge Verbindungen. Als der CFC Anfang August bei Babelsberg 03 spielte, waren im Gästeblock auch Anhänger von Energie Cottbus zu sehen.  „Es gibt kaum Szenen in Deutschland, die so eng verbandelt sind und so viel miteinander machen: Auswärtsfahrten, Kämpfe, Feiern, Angriffe auf politische Gegner“, sagte Claus.

Der Chemnitzer FC hat sich öffentlich von den rechten Ausschreitungen in der Stadt distanziert. „Es ist für uns nicht fassbar, dass es in dieser Anzahl Menschen gibt, die einer menschenverachtenden Ideologie nachhängen, die außer Tod und Zerstörung nichts gebracht hat“, schreibt der Klub in einem Statement. Bei der Aufklärung, ob der CFC als Organisationsbasis für rechte Gruppierungen und deren Finanzierung genutzt wurde, wolle der Verein mithelfen. Um die rechte Szene weiter aus dem Umfeld zu verdrängen, wird das allein nicht reichen. Die nächste Bewährungsprobe wartet beim nächsten Heimspiel Mitte September – sofern es denn stattfindet. Denn der Berliner AK hat aufgrund der aktuellen Lage bereits öffentlichkeitswirksam Sicherheitsbedenken angemeldet und mit einer Absage gedroht.

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