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Sport: „Ich bin abgehärtet“

Nationalspieler Robert Huth über seine Karriere bei Chelsea und Klubboss Roman Abramowitsch

Herr Huth, dürfen wir Sie uns als frustrierten Mann vorstellen?

Wie kommen Sie denn darauf?

Sie sind deutscher Nationalspieler, haben gegen Brasilien Ronaldo abgemeldet, aber bei Ihrem Arbeitgeber FC Chelsea müssen Sie sich anstellen. Sie gehören nicht zur Stammelf.

Was soll ich sagen? Der Trainer hat drei Weltklasseverteidiger aufgestellt, die haben bis jetzt erst vier Gegentore in der Liga kassiert.

Anders gefragt: Wundert es Sie nicht, dass Sie Nationalspieler sind? Sie haben in dieser Saison erst drei Spiele im Verein bestritten, genau so viele wie für Deutschland.

Ich glaube, dass Herr Klinsmann mich nach meinen Leistungen in der Vorsaison beurteilt. Da habe ich 20 Spiele für Chelsea bestritten. Aber ich werde wieder mehr Einsätze brauchen, um bei der WM dabei zu sein.

Wann waren Ihre Zweifel größer, es bei Chelsea nicht zu schaffen: als Sie vor vier Jahren dort ankamen oder jetzt?

Eindeutig damals, weil ich mich in der ersten Woche gleich böse im Training verletzt habe. Die ersten sechs Monate waren hart.

Sie sind als 16-Jähriger vom 1. FC Union in Berlin allein nach London gegangen. Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen?

Auf diese Idee sind andere gekommen. Wir hatten damals zwei Spiele mit der U-15-Nationalmannschaft in Dublin, in einem habe ich ein Tor geschossen. Da muss ein Spielervermittler von Chelsea da gewesen sein. Und Sie wissen ja, wie diese Leute sind. Die kriegen ja jede Telefonnummer raus. Dann bekam ich einen Anruf.

Sie haben das Fußballspielen bei Fortuna Biesdorf erlernt und im Nachwuchs von Union gespielt. Dann ruft einer an, den Sie nicht kennen, und will Sie nach London transferieren. Haben Sie den Anruf etwa ernst genommen?

Ernst genommen habe ich die Angelegenheit erst, als ich den Vertrag in London unterschrieben habe. Das heißt, meine Mutter musste mit unterschreiben.

Mögen Sie Engländer?

Was wollen Sie jetzt hören? Ich glaube, da ist vieles aufgebauscht. Deutsche und Engländer sind sehr ähnlich. Aber das ist noch das Wembley-Tor von 1966, der Krieg und der spezielle Humor der Engländer, den die Deutschen teilweise nicht verstehen. Ich habe auch einige Jahre dafür gebraucht.

Hatten Sie keine Bedenken, allein nach London zu gehen?

Na klar gab es Bedenken, aber die habe ich zu verdrängen versucht. Natürlich war Heimweh ein Thema. Und dann sage ich nur: Freunde, die schätzt man dann, wenn man sie nicht mehr um sich hat. Damals war ich naiv. Ich habe geglaubt, nach einer Woche einen neuen Freundeskreis aufgebaut zu haben.

Hat Ihnen Ihre Mutter nicht abgeraten?

Und ob, meine Mutter hatte ihre eigene Meinung. Aber sie wusste auch, dass ich ein vernünftiger Sohn bin, der weiß, was er macht. Ihr größtes Problem war, dass ich Deutschland verlasse. Das bereitete ihr Herzschmerzen.

Ihr Herz hängt jetzt am FC Chelsea, Sie haben Ihren Vertrag bis 2008 verlängert.

Das war eine Entscheidung mit Kopf und Herz. Vier Jahre bin ich jetzt dort. Da gewöhnt man sich schon an einen gewissen Lifestyle, an das Flair Londons, an die Art, wie dort Fußball gespielt wird und wie mir meine Mitspieler begegnen.

Reifen Fußballer in England schneller?

Mir hat es geholfen, dass ich mich dort recht früh allein durchzusetzen hatte. Das hat mich als Sportler und als Persönlichkeit geschult. Man musste sich auf das Wenige konzentrieren, was man hatte. Meine Mutter konnte mich am Abend nicht in die Arme nehmen. Das hat mich abgehärtet.

Was haben Sie Ihrer Mutter schon über Chelseas Eigentümer, den russischen Milliardär Abramowitsch, erzählt?

Meine Mutter kann sich bis heute nicht vorstellen, was das für eine Person ist. Sie liest in der Zeitung, dass er unheimlich viel Geld hat und angeblich aus dem Fenster schmeißt. So stimmt das nicht. Wir haben einen sehr guten Eindruck von ihm. Herr Abramowitsch kommt nach Heimspielen in die Kabine, egal wie das Ergebnis war. Dann setzt er sich und versucht, ein bisschen zu reden. Aber sein Englisch lässt noch nicht viel zu.

Kommt Abramowitsch allein in die Kabine oder mit Bodyguards?

Er hat ein, zwei Leute dabei, aber Bodyguards kommen bei uns prinzipiell nicht in die Kabine. Wenn er reinkommt, gibt er jedem die Hand, er kennt alle persönlich. Er probiert, sich zu integrieren.

Ist er Ihnen unheimlich?

Nein, das hätte ich ja auch gedacht, aber der ist wirklich ziemlich normal.

Und wie sprechen Sie ihn an?

Mit Boss. Oder Mister Abramowitsch.

Haben Sie dessen Reichtum schon mal mit eigenen Augen sehen können?

Was heißt sehen. Es reicht ja schon, dass er den FC Chelsea besitzt, der ist auch schon was wert. Aber da fällt mir ein, dass wir mal in Monaco seine Yacht besichtigt haben. Die war so groß, dass sie nicht in den Hafen durfte.

Ohne Abramowitschs Geld wären Sie wohl Stammspieler in Chelsea. Immerhin hat er zu Beginn dieser Saison nicht nur Trainer José Mourinho, sondern auch noch zwei Verteidiger vom Champions-League-Sieger Porto eingekauft. Die nehmen Ihnen den Platz weg.

Dazu kann ich nichts sagen.

Gibt es denn Witze über Abramowitsch?

Sicher, aber ich werde Ihnen mit Sicherheit keinen erzählen.

Schade. Und was macht Ihr Humor? Haben die Engländer den gleich verstanden?

Nein, die dachten, ich habe gar keinen.

Das Gespräch führten Stefan Hermanns und Michael Rosentritt.

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