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Sport: „Ich gehe über jede Grenze“

Doppelspezialist Alexander Waske über Teamgeist, Nationalstolz und seine Rolle als Motivator im deutschen Davis-Cup-Team

Herr Waske, Patrik Kühnen, der Kapitän des deutschen Teams, hat Sie als idealen DavisCup-Spieler bezeichnet. Zu Recht?

Das ist grundsätzlich sehr nett von ihm. Aber der ideale Davis-Cup-Spieler war für mich Boris Becker, der Einzel, Doppel, Einzel gewinnt. Was Patrik gemeint haben könnte, ist, dass ich mich total mit dem Team identifiziere, dass ich über jede Grenze gehe und für die Mannschaft besser spiele. Aber ich habe auch ein bisschen Bammel davor, dass mir das irgendwann einmal nicht mehr gelingt.

Wie erklären Sie sich das: dass Sie für ein Team besser spielen als für sich allein?

Das war schon immer so. In den USA habe ich mal an den College-Meisterschaften teilgenommen. Ich lag hoffnungslos hinten: 6:7, 1:4. Es war furchtbar heiß, luftfeucht ohne Ende. Ich hatte keine Kraft und auch keinen Bock mehr. Ich war mir aber sicher, dass mein Trainer mir beim Seitenwechsel jetzt mit irgendeinem Mist kommt, mir sagt, dass ich mich noch mal anstrengen soll. Mich hat das gar nicht mehr interessiert. Doch mein Trainer hat mir eingeredet, dass ich jetzt das entscheidende Spiel für meine Mannschaft spielen muss. Und dann habe ich tatsächlich angefangen, noch mal richtig zu fighten. Es hätte sogar fast noch gereicht.

Können Sie sich diesen Trick auch bei einem normalen Match zu Nutze machen? Sich einreden: Ich spiele jetzt Davis-Cup.

Ich glaube, das funktioniert nicht. Vielleicht bei einem Turnier in Deutschland mit deutschen Fans. Aber diesen Kick spürt man nur bei Team-Wettbewerben.

Nach Ihrem Debüt im Davis-Cup haben Sie gesagt: Als die Nationalhymne gespielt wurde, sind mir fast die Tränen gekommen.

Das stimmt. Aber man muss wissen, dass die Nationalhymne beim Davis-Cup vor dem Doppel gespielt wird. Normalerweise ist sie Teil der Siegerehrung. Ich kenn das ja auch nur aus dem Fernsehen, für mich wurde noch nie die Hymne gespielt. Daher war das damals das höchste aller Gefühle. Aber ich hatte noch gar keinen Ball geschlagen. Du musst durch diese emotionale Achterbahn, und direkt danach sollst du hoch konzentriert sein und das Spiel für dein Team gewinnen.

Woher kommt dieser Stolz, für Deutschland zu spielen?

Das hat vielleicht etwas mit meiner Zeit in den USA zu tun. Ich habe da ein ganz anderes Bewusstsein für mein Heimatland entwickelt. Zum Beispiel hatte ich ein Hemd von meiner Abiturklasse, das hatte ich in Deutschland kein einziges Mal getragen. In den USA bin ich mindestens einmal in der Woche damit rumgelaufen.

Sie gelten als idealer Teamspieler. Ist das für einen Einzelsportler nicht ein zwiespältiges Lob?

Gute Frage. Mir ist schon öfter gesagt worden, dass ich zu kollegial bin. Aber das ist nun mal mein Naturell. In vielen Tennisspielern steckt auch irgendwie ein Fußballer, und in mir ist der ganz, ganz groß. Ich hätte, glaube ich, viel lieber Fußball gespielt. Das liegt mir irgendwie im Blut. Deswegen ist mir der Davis-Cup auch so wichtig. Für mich ist das immer noch jedes Mal ein Wahnsinn.

Woher kommt das?

Da spielen sicherlich auch Kindheitserinnerungen eine Rolle: Wenn du als Zehnjähriger das ganze Wochenende auf der Couch verbracht hast, um Michael Westphal dabei zuzusehen, wie er den dritten Satz 14:12 gewinnt – und dann noch zwei weitere Sätze spielen muss … Ich trage das halt in mir drin.

Würden Sie sagen, dass Sie der heimliche Kapitän des deutschen Teams sind?

Überhaupt nicht. Ich bin jemand, der die anderen motiviert, sie anfeuert und dazu pusht, noch mehr aus sich herauszuholen. Aber der wahre Kapitän ist Tommy Haas. Er ist genau der Führungsspieler, wie es bei Bayern Stefan Effenberg war. Er ist derjenige, der die entscheidenden Punkte spielen will. Bei niemandem sonst habe ich das derart ausgeprägt gesehen.

Wie äußert sich das?

Keiner ist heißer darauf, einen Breakball zu bekommen, als Tommy. Bei den anderen ist bis zum Breakball alles gut, aber dann haben sie ein bisschen Respekt oder sogar Angst. Tommy ist der, der genau diese Situation haben möchte, der sagt: Ich will den Ball. Lass mich den spielen.

Ist es dann nicht ein bisschen komisch, wenn Sie als relativ unerfahrener Spieler jemanden wie Haas noch motivieren wollen?

Das kann sein. Aber mein Gott. Erstens ist das ist nun mal meine Art. Und zweitens meine ich es doch nur gut. Das kann man mir ja nicht übel nehmen. Und ich habe mich natürlich auch nicht schon am Anfang voll aus dem Fenster gelehnt. Die anderen Spieler kannten mich ja kaum. Aber dann haben sie auch gesehen: Okay, auf den Waske ist hier und da schon Verlass, der bricht nicht zusammen unter dem Druck und kann den Schläger vor Nervosität kaum noch halten. Wenn’s drauf ankam, habe ich halt gewonnen.

Das Gespräch führte Stefan Hermanns.

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