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Sport: „Ich habe diese Verletzung besiegt“

Ein Jahr nach seinem schweren Unfall spricht Matej Mamic über die Veränderungen in seinem Leben

Wie werden Sie den heutigen Tag verbringen?

Ich bin katholisch, ich werde in die Kirche gehen und eine Kerze anzünden. Meine Frau, die mit unseren drei Kindern in Split lebt, hat mich schon angerufen und gesagt: Bitte geh heute nicht aus dem Haus ...

Sie hat offenbar Angst um Sie, weil Sie heute vor einem Jahr im Basketballspiel gegen Trier mit Lähmungserscheinungen vom Feld getragen werden mussten. An was erinnern Sie sich noch vom 26. November 2005?

Ich erinnere mich an alles. Normalerweise ist ein Spiel gegen Trier nicht wirklich ein großes Spiel. Ich weiß, dass wir ohne unseren Center Jovo Stanojevic gespielt haben. Wir hatten gerade neun Mal in Folge gewonnen, aber das Spiel war eng. Nenad Canak passt den Ball zu mir, und dann ist es passiert. Ich ziehe nach links, dann kommt der Trierer Nate Doornekamp und blockt meinen Wurf. Ich bin am Kopf getroffen worden und merke, wie ich falle. Unser Trainer Henrik Rödl, unser Mannschaftsarzt und unser Physiotherapeut sind dann zu mir gerannt.

Hatten Sie in diesem Moment Angst?

Natürlich, das ist normal. Ich wollte vom Arzt hören, was los ist. Aber ich habe noch nicht mit etwas wirklich Schlimmem gerechnet.

Wann haben Sie erstmals realisiert, dass es keine leichte Verletzung ist?

Als ich gesehen habe, wie der Arzt, der Physiotherapeut und Henrik Rödl ein bisschen geweint haben. Da wusste ich, es ist etwas Ernstes.

Haben Sie sofort bemerkt, dass Sie sich nicht mehr bewegen können?

Ich weiß nicht (er hält inne).

Sie erinnern sich nur ungern?

Nein, nein. Es ist nicht wirklich hart, darüber zu sprechen, aber ich will nicht jede Minute beschreiben. Das ist vorbei.

Wie geht es jetzt weiter für Sie?

Ich will wieder spielen.

Sie haben noch das gleiche Ziel wie kurz nach dem Unfall?

Nein, in der ersten Nacht habe ich viele Menschen gefragt, was passieren wird, und ich habe keine wirklich optimistischen Antworten bekommen. Mein Ziel war es zu diesem Zeitpunkt nur, normal zu leben. Aber nach 15 Tagen, als ich bei einer Pressekonferenz erstmals wieder öffentlich aufgetreten bin, konnte ich wieder mehr tun. Ich bin schon zwei, drei Schritte alleine gegangen.

Ihr behandelnder Arzt am Unfallkrankenhaus Berlin, Andreas Niedeggen, spricht von einer Comeback-Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent. Glauben Sie, dass Sie noch einmal Basketball spielen werden?

Ich weiß nicht. Manchmal habe ich das Gefühl, dass alles bestens wird, aber manchmal habe ich auch ein ganz anderes Gefühl. Das hängt davon ab, was ich trainiere. Im Moment denke ich, dass ich es vielleicht schaffen kann.

Welche Schwierigkeiten haben Sie noch?

Meine linke Körperhälfte ist immer noch nicht in der Lage, all das zu tun, was die rechte Seite kann. Es geht auch um Koordination. Ich kann dribbeln und werfen, aber nicht auf dem Niveau, auf dem es sein müsste. Einige Dinge haben sich in letzter Zeit noch verbessert, aber ich mache keine großen Fortschritte mehr.

Haben Sie sich ein Datum gesetzt, wann Sie den Comebackversuch abbrechen wollen?

Nicht genau, deshalb will ich dazu nichts sagen. Ich habe bei Alba einen Vertrag bis Saisonende, aber ich würde auch nur für Alba wieder spielen.

Wie geht es nach Ihrer aktiven Zeit als Basketballer weiter, wann immer das sein wird?

Ich werde dem Basketball treu bleiben, und ich glaube, ich werde bei Alba bleiben, aber es ist noch nicht klar, in welcher Funktion. Ich könnte Trainer sein oder Manager oder Sportdirektor, aber Alba hat diese Leute schon.

Wie hat Sie der Unfall verändert?

Es ist eine neue Situation in meinem Leben, die ich so niemals erwartet hatte und die mir nicht gefällt. Normalerweise würde ich jetzt im Bett liegen oder mich aufs Training vorbereiten. Stattdessen sitzen wir hier und reden über solche Dinge.

Der Lichtenfelser Ringer Martin Kittner hat sich Anfang Oktober bei einem Kampf die Halswirbel gebrochen und ist querschnittgelähmt. Berührt es Sie, wenn sie so etwas hören?

Ich habe Martin Kittner einen Brief geschrieben. Nach meinem Unfall habe ich auch Briefe bekommen, die mir sehr geholfen haben, zum Beispiel von Ronny Ziesmer (der Turner ist nach einem Trainingssturz querschnittgelähmt, Anm. der Red.).Vielleicht kann ich Martin Kittner noch ein bisschen mehr Mut machen, weil ich nicht im Rollstuhl sitze. Ich habe gehört, dass ich ihm Hoffnung gebe.

Beschäftigt Sie der Gedanke, dass Sie auch im Rollstuhl sitzen könnten?

Ja, natürlich. Ich hatte wirklich Glück, ich habe diese Verletzung besiegt.

Hat Ihre Frau versucht, Sie von dem Comebackversuch abzubringen?

Anfangs schon, aber jetzt sieht sie die positive Entwicklung. Meine Frau will mich wohl nicht mehr auf dem Feld sehen, aber sie sagt nichts. Aber sie würde mich sicher nach jedem Spiel anrufen und fragen, ob alles okay ist.

Lässt Ihre Frau die Kinder Basketball spielen?

Meine Töchter spielen Volleyball. Mein zweijähriger Sohn darf später alles machen. Bis auf American Football. Da hält man den Kopf oft nach unten. Das erinnert mich an meinen Unfall.

Mit welchen Gefühlen sitzen Sie bei Albas Spielen auf der Tribüne?

Einerseits kann ich froh sein, dass ich ein normales Leben führe. Andererseits: Wenn man etwas erreicht hat, will man mehr. Das ist bei mir genauso. Dann bin ich traurig, wenn ich ein Spiel sehe. Wenn es nicht läuft und ich weiß, woran es liegt, aber nicht eingreifen kann.

Haben Sie dabei auch Angst, dass sich ein Alba-Spieler verletzen könnte?

Ich habe Ljubljana in der Euroleague gesehen, da lag Saulius Kuzminskas auf dem Boden und hat sich fünf Minuten lang nicht bewegt. Er musste mit einer Halskrause vom Feld getragen werden. Ich hatte Angst und dachte, es könnte dieselbe Verletzung wie bei mir sein. Dann habe ich im Internet recherchiert, was mit ihm ist. Es war alles in Ordnung.

Können Sie überhaupt noch entspannt Sport sehen?

Wenn früher ein Fußballspieler hingefallen ist, habe ich gedacht: Ach, das ist sicher nicht so schlimm. Jetzt denke ich: Vielleicht steht er nicht mehr auf.

Das Gespräch führten Helen Ruwald und Benedikt Voigt.

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