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Niko Gießelmann verpasst Genki Haraguchi zur Feier des Tages eine Haarspülung auf Hopfenbasis.

© Tom Weller/dp

„Ich kann nur alle Hüte ziehen“: Der 1. FC Union schafft das nächste Wunder

Trotz wichtiger Abgänge und der Doppelbelastung haben die Berliner ihre überragende Vorsaison nicht nur bestätigt, sondern entgegen jeder Logik sogar getoppt.

Urs Fischer nahm die Eloge von Christian Streich äußerlich ungerührt hin und in nun fast drei Spielzeiten in der Fußball-Bundesliga hat der Trainer des 1. FC Union eine gewisse Übung mit Komplimenten seiner Kollegen bekommen. Anders als Streich ist Fischer nicht der Typ für öffentliche Gefühlsausbrüche, doch die Worte des Freiburgers wird er sicherlich genossen haben. Umso mehr, weil sie vermutlich jeder Trainer der Bundesliga genauso unterschrieben hätte.

„Wenn mich vor der Saison jemand gefragt hätte, ob Union wieder in den Europapokal kommt, hätte ich gesagt: Ich traue ihnen viel zu, aber wie sollst du das machen?“, sagte Streich nach dem 1:4 seiner Mannschaft gegen Union, durch das die Berliner in der kommenden Saison erneut international vertreten sind. „Ich weiß nicht, wie sie es gemacht haben, aber sie haben es gemacht. Ich kann nur alle Hüte ziehen.“

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In der Öffentlichkeit stapelt Fischer gerne tief, große Kampfansagen sind nicht sein Ding. Doch davon sollte man sich nicht täuschen lassen. Der Schweizer ist ein absoluter Wettkämpfer, ehrgeizig und ambitioniert. Doch selbst Fischer dürfte eine solche Saison nicht erwartet, ja, nicht einmal erträumt haben.

Innerhalb eines Jahres hat Union mit Robert Andrich, Christopher Lenz, Christian Gentner, Nico Schlotterbeck, Max Kruse und Marvin Friedrich sechs wichtige Spieler verloren. Durch die Conference League war die Hinrunde gefühlt eine einzige, nicht endende Englische Woche. Doch die Berliner haben die überragende vergangene Saison nicht nur bestätigt, sie haben sie sogar getoppt. „Wahnsinn“, sagte Fischer. „Wir haben uns zum zweiten Mal für Europa qualifiziert, das ist wirklich etwas Außergewöhnliches.“

Man kennt sich, man schätzt sich. Urs Fischer (rechts) und Christian Streich.
Man kennt sich, man schätzt sich. Urs Fischer (rechts) und Christian Streich.

© Tom Weller/dpa

Auch Grischa Prömel, der in Freiburg früh das wichtige 1:0 erzielte, war begeistert. „Dass wir im zweiten Jahr in Folge international vertreten sind, ist unglaublich und zeigt, wie gut hier im Verein gearbeitet wird“, sagte der zentrale Mittelfeldspieler. Prömel knüpfte in seinem vorletzten Spiel für Union nahtlos an seine überragenden Leistungen der vergangenen Monate an. „Wie der Prömel verteidigt, das ist der Wahnsinn“, geriet selbst Streich ins Schwärmen.

In der kommenden Saison spielt Prömel für Hoffenheim – und zwar nur national. Die Europapokalqualifikation hat die TSG durch ihre jüngste Schwächephase und die starken Ergebnisse von Union verpasst. Doch der 27 Jahre alte Schwabe lässt schon seit Bekanntwerden seines ablösefreien Wechsels im Februar nicht den geringsten Zweifel daran aufkommen, dass er bis zum letzten Tag seiner Vertragslaufzeit nur an den 1. FC Union denkt. „Bei uns wird jeder Sieg gefeiert, diesen feiern wir bestimmt ein bisschen ausgelassener“, sagte Prömel. „Ich habe gehört, der Trainer gibt zwei Tage frei. Das kommt immer gut an bei der Mannschaft – und danach fokussieren wir uns auf Bochum.“

Denn bei allem Grund zur Freude hat Union am kommenden Samstag im eigenen Stadion noch eine große Chance. Nach der Teilnahme an der Conference League in der aktuellen Saison reicht ein Sieg am letzten Spieltag, um künftig eine Klasse höher antreten zu dürfen: in der Europa League. Das hätte auch den Vorteil, dass die Berliner nicht schon mit den Play-offs im August einsteigen müssten, sondern erst ein paar Wochen später zur Gruppenphase. Als Fischer am Samstag sogar nach der Champions League gefragt wurde, gab er eine typische Antwort: „Es liegt nicht an uns zu träumen, es liegt an uns zu liefern.“

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Auf dem Papier sieht die Aufgabe gegen Bochum einfach aus. Für den VfL geht es am Ende einer sehr guten Saison um nichts mehr und zu Hause ist Union eine Macht. Doch Fischer verweist ganz bewusst auf das letzte Heimspiel gegen Absteiger Fürth, in dem die Berliner mit viel Glück einen Punkt holten. „Vor einer Woche waren wir enttäuscht, weil es uns nicht gelungen ist, gegen Fürth zu gewinnen. Heute haben wir etwas fast Unmögliches geschafft“, sagte Unions Trainer. „Im Fußball kann es schnell gehen.“

Die abschließende Bewertung der Saison wird der Ausgang des letzten Spiels jedoch allenfalls marginal beeinflussen. Die Erwartungen haben die Berliner bereits jetzt erneut weit übertroffen – und zwar nicht nur jene von Christian Streich.

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