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Sport: „Ich muss erste Liga spielen“

Herthas Abwehrspieler Arne Friedrich über Außendarstellung, Abstieg und ein Angebot von den Bayern

Herr Friedrich, Sie wirken sehr abgeklärt für Ihr Alter. Woher kommt das?

Ich sage halt immer offen meine Meinung, damit kommt vielleicht nicht jeder klar.

Wir meinten das ein wenig anders. Sie sprechen schon mit 24 Jahren wie ein Politiker: Jedes Wort wird sorgfältig abgewogen, Sie verwenden viele Schablonen, und bevor sie etwas Mutiges oder Anfechtbares sagen, sagen Sie lieber gar nichts.

Was erwarten Sie? Ich bin nicht dazu da, andere Leute zu unterhalten. Sie stellen Ihre Fragen, und ich beantworte sie ganz nüchtern. Ich möchte einfach nur unauffällig bleiben in der Öffentlichkeit. Es gibt Leute, die wollen da Reizpunkte setzen. Ich gehöre nicht dazu.

Lassen Sie uns die Frage anders formulieren: Halten Sie sich für einen leidenschaftlichen Menschen?

Hundertprozentig. Ohne Leidenschaft läuft beim Fußball nichts, aber man kann natürlich nicht in jedem Spiel, in jeder Situation dieselbe Leidenschaft zeigen. Aber glauben Sie mir: Ich bin in jedem Spiel mit Leidenschaft dabei.

Das sieht von Außen zuweilen anders aus. Man könnte boshaft formulieren: Sie spielen, wie Sie reden: nüchtern, abgeklärt, kontrolliert. Leidenschaftslos?

Das sehe ich ganz anders. Ich kann beim Fußball ganz schön aus der Haut fahren.

Wann war das zum letzten Mal der Fall?

Hm, da muss ich überlegen, das war im Training, vor drei Wochen, glaube ich, da hat einer nicht so im Kopf umgeschaltet, wie ich mir das vorstelle. Da kann ich schon mal laut werden.

Sind Sie zufrieden mit dem Bild, das Sie in der Öffentlichkeit abgeben?

Ich denke schon.

Und mit Ihrer Leistung? Sie haben von 24 Spielen 23 mitgemacht. Welchen Anteil haben Sie daran, dass es bei Hertha nicht so läuft?

Ich bin einer von elf Spielern auf dem Platz. Wenn die zehn anderen sich ausruhen, kann ich nichts bewirken, umgekehrt hilft es den anderen nicht, wenn ich nichts bringe. Wir sitzen alle in einem Boot. Auch die, die nicht gespielt haben, die haben halt nicht die Leistung gebracht und sitzen deshalb auch mit im Boot, ob es ihnen nun gefällt oder nicht.

Hat Hertha BSC zu wenig Führungsspieler?

Zurzeit haben wir mit Sicherheit zu wenig Spieler, die Verantwortung und Initiative übernehmen. Alle versuchen, ihre Aufgabe zu bewältigen, aber im Gesamtpaket reicht es nicht. Wir haben ein großes Abstimmungsproblem, zwischen Offensive und Defensive klafft viel zu oft ein riesiges Loch.

Wer ist also Schuld an Herthas Misere?

Jeder ist verantwortlich: Dazu gehören die Spieler, der Trainerstab und auch die Geschäftsführung. Natürlich trägt die Mannschaft mehr Verantwortung als die Geschäftsführung, also als Manager Dieter Hoeneß, der ja für die Neuverpflichtungen zuständig war.

Als dem früheren Trainer Huub Stevens das Ultimatum gestellt wurde, zwei Spiele gegen Hansa Rostock zu gewinnen oder gehen zu müssen, haben Sie gesagt: „Jetzt kann er zeigen, ob er ein guter Trainer ist.“ Das ist ein harter Satz.

Er konnte damals zeigen, ob er mit dieser außergewöhnlichen Situation zurecht kommt. Ich habe sehr viel von Huub Stevens gehalten, aber die Chemie zwischen Trainer und Mannschaft hat leider nicht gestimmt. Das war ein schleichender Prozess, es wurde immer schlechter, die 1:6-Niederlage im Pokal bei Werder Bremen war der Höhepunkt. Beide Seiten, die Mannschaft und der Trainer, haben versucht, das Beste daraus zu machen, aber es hat eben nicht funktioniert. Der Trainer ist dafür da, die Mannschaft einzustellen und auf den Platz zu schicken. Er ist für die Fitness der Spieler zuständig und dafür, dass sie die Köpfe frei haben. Unsere Probleme lagen nun mal in erster Linie im mentalen Bereich.

Hat sich das Team vor der Saison überschätzt?

Wir haben uns sehr hohe Ziele gesetzt. Wir wollten in die Champions League, und mal ehrlich: für einen Uefa-Cup-Platz hätte es auf jeden Fall reichen müssen. Das ist an sich eine gute Sache, wenn eine Mannschaft sich mutige Ziele setzt, aber bei uns ist das nun mal total in die Hose gegangen, da müssen wir mit dem Spott der Öffentlichkeit leben. Es hat in den letzten Jahren ja immer eine etablierte Mannschaft gegen den Abstieg gespielt. In dieser Saison sind wir das. Aber unserem tatsächlichen Leistungsvermögen ist das nicht angemessen.

Sind Sie selbstkritisch?

Selbstverständlich. Ich bin in der Hinrunde öfter kritisiert worden, und das war auch in Ordnung. Aber meine Probleme lagen in mangelhafter körperlicher Fitness. Ich habe in der Vorbereitung drei Wochen lang verletzungsbedingt gefehlt, zwischendurch konnte ich immer wieder mal nicht mittrainieren, das hat man mir schon angemerkt. In der Winterpause habe ich hart gearbeitet, seitdem läuft es wieder besser. Ich habe in der Rückrunde gute Spiele gemacht und bin auf dem besten Weg zurück zu meiner alten Form. Aber ich spiele nun mal in einer Mannschaft, die gegen den Abstieg kämpft. Da kann man als Einzelner nicht glänzen.

Wie lange wollen Sie sich das noch antun?

Sie meinen in der Bundesliga, bei Hertha? Das werden wir sehen. Mein Herz hängt an Berlin und an Hertha…

…obwohl Sie erst seit eineinhalb Jahren in Berlin sind? So schnell haben Sie Ihr Herz vergeben? Verzeihen Sie, auch das klingt nach einer auswendig gelernten Phrase.

Meine Freundin und ich fühlen uns in Berlin sehr wohl. Ich würde sehr gerne hier bleiben. Aber wenn der Verein absteigt, dann müsste man sich an einen Tisch setzen. Das wäre sicherlich für beide Seiten sehr schwer, die Zusammenarbeit fortzusetzen.

Für den Verein wäre es wohl etwas schwerer.

Ich bin Nationalspieler und möchte natürlich weiter gern in der Nationalmannschaft spielen. Das wäre in der Zweiten Liga nicht so ohne weiteres möglich. Als Nationalspieler müsste man schon in der Ersten Liga spielen. Mindestens.

Wir interpretieren das mal so, dass Sie bei einem Abstieg den Verein auf jeden Fall wechseln werden.

Das habe ich nicht gesagt, sondern nur, dass ich als Nationalspieler in der Ersten Liga spielen muss.

Gilt Ihr Vertrag nur für die Erste Liga?

Nein, der läuft bis 2005 und gilt auch für die Zweite Liga.

Bayern Münchens Manager Uli Hoeneß hat bereits öffentlich Interesse an Ihnen bekundet. Schmerzt es Sie, dass Sie nach Ihrer Roten Karte vom vergangenen Wochenende ausgerechnet für das nächste Spiel gegen die Bayern gesperrt sind?

Bayern ist ein Gegner wie jeder andere. Mich schmerzt nur, dass ich der Mannschaft in einem wichtigen Spiel im Abstiegskampf nicht helfen kann, und in dem nächsten gegen Leverkusen ja auch nicht.

Sie drücken sich um den interessanten Teil der Antwort.

Wissen Sie, es nervt mich langsam, dass ich immer wieder auf den FC Bayern angesprochen werde. Ich habe in Berlin einen Vertrag bis 2005, und was mögliche Gespräche mit einem anderen Klub angeht: Fragen Sie doch meinen Berater. Aber natürlich möchte ich irgendwann Champions League spielen, das ist schon wichtig für einen Nationalspieler, auf höchstem Niveau Erfahrungen zu sammeln…

…zum Beispiel beim FC Bayern, einem Verein mit hohem Potenzial und hohen Erwartungen. Lassen Sie uns hypothetisch über die Probleme der Zukunft sprechen. Was ist schlimmer für einen Fußballer: mit Hertha absteigen oder mit Bayern nicht Meister werden?

Ich beschäftige mich nur mit dem ersten Teil Ihrer Frage. Natürlich wäre ein Abstieg mit Hertha schlimm. So etwas würde bei jedem von uns Spielern eine Kerbe hinterlassen. Und man darf ja nicht vergessen, was für den Verein dran hängt, für die vielen Angestellten auf der Geschäftsstelle.

Daran denken Sie, wenn Sie auf Ihrer rechten Seite auf dem Fußballplatz rauf und runter rennen?

Nein, nein, beim Spiel natürlich nicht, aber wenn man eine stille Minute zu Hause hat, dann macht man sich schon seine Gedanken. Aber das ist hypothetisch, denn wir steigen ja nicht ab.

Was macht Sie so sicher? Welche Mannschaften sind schlechter als Hertha?

Ich werde Ihnen keine Namen nennen, damit bekommt man nur Ärger. Wir sind von den Einzelspielern her gut genug besetzt, um den Abstieg zu vermeiden. Köln liegt mit 16 Punkten schon so weit zurück, dass es nur noch sehr schwer zu schaffen sein wird, dem Abstieg zu entrinnen.

Nennen Sie uns zwei Gründe, warum Hertha nicht absteigt.

Ganz einfach: Wir starten am Samstag eine große Serie, auch wenn der Gegner Bayern München heißt und ich nicht dabei bin. Wir müssen einfach eine Serie starten…

… und der zweite Grund?

Den habe ich Ihnen schon genannt: Wir haben einfach die besseren Einzelspieler als unsere Konkurrenten. Nur als Mannschaft funktionieren wir nicht richtig. Noch nicht.

Das Gespräch führten Sven Goldmann

und Michael Rosentritt .

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