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Sport: Im Alltag bei den Großen

Wie Japan und Korea die WM 2002 genutzt haben

Berlin – Nur die Fans ließen sich nichts anmerken. Nach dem 1:3 im ersten WM-Spiel gegen Australien gratulierten die Japaner jedem Australier, dem sie auf dem Weg zum Bahnhof begegneten. Zu Hause allerdings war die Contenance längst verloren gegangen. Die führende Sportzeitung „Sankei Sports“ titelte: „Ein Land verzweifelt, als Australien von hinten kommt und es besiegt.“

Japan ist kein Fußball-Entwicklungsland mehr. Es reicht nicht mehr, einen berühmten Namen zu haben wie der Brasilianer Zico, der als Trainer im Mittelpunkt der Kritik steht. Die gemeinsam mit Südkorea ausgerichtete WM vor vier Jahren hat Erwartungen geweckt. Zudem haben die Japaner im Alltag schon zu den großen Fußball-Nationen aufgeschlossen. Die J-League, 1993 mit Blickrichtung auf die WM 2002 gegründet, ist die professionellste Liga außerhalb Europas. Die Klubs müssen sich einer strengen Wirtschaftlichkeitsprüfung unterziehen, bevor sie zum Spielbetrieb zugelassen werden. Die Stadien sind gut gefüllt, mit einem Schnitt von 25 000 Zuschauern pro Spiel.

Längst sind Weltklubs wie Real Madrid und Manchester United auf dem japanischen Markt aktiv und hegen eine neue Generation von Fans. In Deutschland ist diese Entwicklung weitgehend verschlafen worden. In der kommenden Woche treffen sich Abgesandte der Deutschen Fußball-Liga (DFL) in Frankfurt mit einer Delegation der J-League. Bayern München pflegt seit kurzem eine Partnerschaft mit dem japanischen Vorzeigeklub Urawa Red Diamonds. „Wir helfen den Japanern bei der Akquise von Sponsoren. Und sie helfen uns, die Marke FC Bayern in Japan zu positionieren“, sagt Martin Hägele, der beim Deutschen Meister die Abteilung „Internationale Beziehungen“ leitet.

Japan hat die Euphorie und den Schwung der Weltmeisterschaft vor vier Jahren mitgenommen. Beim Mitausrichter Südkorea herrscht bestenfalls Stagnation. „Die haben gedacht, es geht nach der WM einfach so weiter“, sagt Martin Hägele. Bei der WM waren die Südkoreaner sensationell ins Halbfinale eingezogen und dort den Deutschen denkbar knapp mit 0:1 unterlegen. Die Euphorie verflog jedoch so schnell, wie sie gekommen war. Die mit Milliardenaufwand gebauten Stadien stehen größtenteils leer, nur in Seoul gibt es einen einigermaßen gut funktionierenden Klub. Die nach japanischem Vorbild installierte K-League kommt bei der Bevölkerung nicht an. Die Spiele der Werkteams locken selten mehr als 5000 Zuschauer an. Es fehlen Stars von innen und außen.

Wer die Chance hat, versucht Karriere im Ausland zu machen. Das große Vorbild ist Mittelfeldspieler Ji-Sung Park, der es bis zu Manchester United geschafft hat. Wer als koreanischer Fußballprofi einmal im Ausland gespielt hat, kommt nicht so schnell zurück. Dazu fehlt es an Nachwuchs. Jugendarbeit ist ein Luxus, den sich die Klubs nicht gönnen, die koreanischen Kinder müssen das Fußballspielen in der Schule lernen.

Die Defizite sind erkannt. Seit dieser Woche reist eine Delegation der K-League durch Deutschland und sucht das Gespräch mit den Bundesligaklubs. Den Anfang machte am Freitag eine Runde beim FC Bayern München, Unterredungen in Berlin und Hamburg sollen folgen. „Die Koreaner sind sehr daran interessiert, Anschluss zu gewinnen. Karl-Heinz Rummenigge hat ihnen unsere Hilfe angeboten“, sagt Hägele vom FC Bayern.

Bei der WM entwickeln sich die ungleichen Nachbarn ganz anders als im Liga-Alltag. Die Koreaner blieben zwar gegen Togo weit unter ihren Möglichkeiten, schafften aber beim 2:1 den ersten Sieg bei einer WM außerhalb Japans. Da Frankreich gegen die Schweiz nur ein 0:0 erreichte, führt die vom Holländer Dick Advocaat betreute Mannschaft die Vorrundengruppe G sogar an. Sollte das zweite Spiel heute in Leipzig gegen die Franzosen nicht verloren gehen, wäre das ein großer Schritt in Richtung Achtelfinale. Dorthin ist es noch ein weiter Weg für die Japaner, die heute in Nürnberg auf Kroatien treffen. Trainer Zico weiß, dass „uns nur drei Punkte weiterhelfen“. Für den Fall eines Scheiterns wäre er seinen Job los. Der Brasilianer hatte die Erwartungen selbst geschürt mit der wenig bescheidenen Prognose: „Wir können auch Weltmeister werden.“

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