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Sport: Im Dauerurlaub

Pierre Littbarski genießt sein Leben als Trainer in Australien und will seinen Vertrag verlängern

Diese Beine kann man überall erkennen, auch im fernen Australien. Pierre Littbarski steht auf dem Trainingsplatz, die Trillerpfeife hängt um seinen Hals, die berühmten Säbelbeine schauen unter der kurzen Hose in Quietschorange hervor. Seit Februar ist er Trainer beim Sydney FC, dem Glamour-Klub der neuen australischen A-League. Nach vielen Jahren in Japan und kurzen Abstechern als Trainer zum MSV Duisburg und Bayer Leverkusen (als Assistent von Berti Vogts) ist der Fußball-Weltmeister von 1990 in Australien gelandet – und fühlt sich dort sehr wohl. „Hier kommt man sich immer vor wie im Urlaub“, erzählt der 44-Jährige. Und meint damit eher die generelle Stimmung in Sydney als seine Arbeit.

Immerhin sind die Bedingungen besser als in Japan, wo er zuletzt einen Zweitligaklub trainierte und es manchmal schon schwierig war, überhaupt einen Trainingsplatz zu finden. „Hier wird schon sehr professionell gearbeitet“, erzählt Littbarski nach dem Training, bei dem er selbst kaum noch mitmischt.

Littbarski, seine japanische Frau und die beiden Söhne haben sich in Castle Hill niedergelassen, einem Stadtteil im Nordwesten Sydneys. Die gesamte Familie fühlt sich in der neuen Heimat rundherum wohl. „Die Leute sind relaxt, hier gibt es nicht so eine Ellenbogengesellschaft.“ Bevor die Familie aus Japan nachkam, ist Littbarski viel in ganz Australien herumgereist, um die Vorbereitungsspiele der Konkurrenz zu beobachten, war im fast 4000 Kilometer entfernten Perth am Indischen Ozean und im tropischen Norden des fünften Kontinents.

Sportlich gesehen ist er Realist. Sein Team ist zwar Tabellenführer und hat Dwight Yorke unter Vertrag, der vor einigen Jahren noch für Manchester United spielte und mit Trinidad und Tobago gerade die Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Deutschland geschafft hat wie Australien. Doch „mehr als Zweite Liga wäre mit dem Team in Deutschland nicht drin“, sagt Littbarski. Bei der Klub- Weltmeisterschaft in Yokohama im Dezember scheiterte der Sydney FC gleich im ersten Spiel an Deportivo Saprissa aus Costa Rica.

Als Sportenthusiast hat sich Littbarski auch bei den landestypischen Sportarten umgeschaut, ist sogar zum Fan der Sydney Swans geworden, die in diesem Jahr Meister im Aussie Football geworden sind. „Der Sport ist faszinierend, die gehen immer bis an die Schmerzgrenze, da können wir uns eine Scheibe abschneiden“, sagt er. In seiner Mannschaft spiegelt sich die multikulturelle Bevölkerung wider, dort gibt es unter anderem Australier kroatischer, türkischer und italienischer Herkunft. Fußball ist derzeit noch ein schlafender Riese in Australien, die neue A-League, die immerhin einen Zuschauerschnitt von mehr als 11 000 aufweisen kann (Sydney FC hat bereits 15 000), soll einen entscheidenden Fortschritt bringen. Littbarski macht es Spaß, etwas Neues mit aufzubauen. So ähnlich hat er das auch schon in Japan erfahren. Anfang der Neunzigerjahre war er – noch als Spieler – einer der prominenten Aufbauhelfer der dortigen J-League.

Wenn beide Seiten sich einig werden, wird Littbarski seinen Vertrag in Kürze um ein Jahr verlängern. Vorerst aber wird er Sydney genießen, so wie beim Einkaufen mit seiner Frau auf dem berühmten Fischmarkt, und Deutschland ist derzeit ganz weit weg. Aber Weihnachten und Neujahr in der Sommerhitze Australiens ist ihm immer noch etwas suspekt, und so war er froh, zur Klubweltmeisterschaft nach Japan zu entkommen, wo es zu dieser Jahreszeit weitaus kühler ist. Und wo man nicht gleich nach dem Weihnachtsessen an den Strand geht.

Alexander Hofmann[Sydney]

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