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Sport: Im Gleitflug

Zu Beginn der neuen Skisprung-Saison setzt sich das deutsche Team bescheidene Ziele

Unweit des Polarkreises bevorzugt Peter Rohwein eine kühle Kommunikation. Der neue Trainer der deutschen Skispringer sitzt auf einem Podium in Kuusamo in Finnland und sagt Sätze wie: „Ich bin kein Hexer, der das Springen neu erfindet.“ Draußen sind die Temperaturen weit unter null gefallen.

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Wolfgang Steiert ist Rohwein vorsichtig. Die Zielsetzung für die heutige Saisoneröffnung (17.20 Uhr MESZ; live bei ARD und Eurosport), deren genauer Ablauf wegen heftigen Windes und Schneefalls erst kurzfristig festgelegt werden soll, formuliert Rohwein eher allgemein. „Es gibt keinen Anlass, sich zu verstecken“, sagt der Trainer. Aufbauschen solle man den ersten von 31 Weltcups nicht, ebenso wenig wie die Frage nach der Hierarchie im Team. „Die tut sich von selber auf.“

Der 42 Jahre alte Trainer kann sich großspurige Ankündigungen nicht leisten. Erstens, weil Vorgänger Steiert gerade deshalb den Rückhalt im Verband verloren hatte und im Oktober entlassen worden war. Zweitens, weil die deutschen Skispringer ihre Formkrise noch überwinden müssen. Der viermalige Weltmeister Martin Schmitt ist sportlich schon lange kein Star mehr. Auch in der Mannschaft ist seine Führungsrolle keineswegs gefestigt. Angesprochen auf ihn, antwortet Rohwein knapp: „Martin ist einer von acht.“

Das Potenzial der Mannschaft, die ohne den unter dem Burn-Out-Syndrom leidenden Sven Hannawald auskommen muss, ist derzeit vielen Beobachtern ein Rätsel. Was Alexander Herr, neben Schmitt der zweite Schwarzwälder im Team, nach dem Heimtraining mit seinem Vater im Wettkampf leisten kann, ist offen. Anlass zur Hoffung geben eher Georg Späth, der in der vergangenen Saison immerhin einen zweiten Einzelplatz belegen konnte, und Michael Uhrmann, einziger Sieger im letzten Winter.

All das weiß Rohwein. Deshalb wäre er schon froh, wenn seine Springer bei der WM in diesem Jahr „gut aussehen“ und jeder Einzelne sich etwas steigern könnte. „In den vergangenen Jahren wurde immer nach Sven Hannawalds Resultaten abgerechnet, damit müssen wir aufhören“, sagt Rohwein. Der Trainer will das Team nicht mit hohen Maßstäben unter Druck setzen, sondern langsam ein nachhaltiges Selbstbewusstsein aufbauen. Die Zweiklassengesellschaft innerhalb der Mannschaft – die es schon unter Trainer Reinhard Heß gab – soll einem Teamgeist weichen. Rohwein umschreibt seine sanfte Linie so: „Wenn ich zu den Springern sage, du springst okay, und sie werden dann nur Vierte oder Fünfte, kann ich es auch nicht ändern.“

Auf die neue öffentliche Anspruchslosigkeit stellt sich auch der Fernsehsender RTL ein. Dessen winterliche Promotion- Kampagne hat nichts mehr mit den Starklischees vergangener Höhenflug-Jahre zu tun. „Bereit für die neue Zeit!“, heißt der neue Slogan. Unterlegt wird er mit einer Collage verschiedener Skispringer – aus Deutschland und Österreich.

Lutz Rauschnik[Kuusamo]

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