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Sport: Im Namen des Fußball-Volkes

Heute entscheidet ein Gericht, ob Fans WM-Tickets weiterverkaufen dürfen

Berlin - In diesen Tagen bekommen glückliche Fußballfans ein Päckchen zugeschickt. Darin befinden sich eine Broschüre „Ihr Weg zur WM“, eine Rechnung für den „sehr geehrten Fußballfreund“, ein Heft „Destination Germany“ und ein seltenes Gut: Eintrittskarten für die Weltmeisterschaft.

Björn Kracht gehört nicht zu den glücklichen Fans. Dabei hat er eigentlich für mehrere hundert Euro Tickets erworben. Allerdings tat er das nicht beim WM-Organisationskomitee (OK), sondern im Internet-Auktionshaus „Ebay“. Der Ingenieur aus Essen kaufte dort einem anderen Fan Karten ab, um mit seiner Freundin das Viertelfinale am 1. Juli in Gelsenkirchen zu sehen. „Ich habe nichts Verbotenes getan, ich will einfach nur ins Stadion“, sagt Kracht. Doch so einfach ist das nicht bei dieser WM. Heute entscheidet das Amtsgericht Frankfurt am Main, ob Krachts Geschäft legal ist oder nicht – ein Musterverfahren für viele Fans, die beim offiziellen Verkauf leer ausgegangen sind.

Kracht hat den Deutschen Fußball-Bund verklagt und deshalb Unterstützung aus ganz Deutschland erfahren. „Mich haben viele Menschen angesprochen“, erzählt Kracht am Telefon. „Eine negative Reaktion war nicht dabei.“ Nur das Organisationskomitee sieht in Kracht keinen Menschen mit guten Absichten. Es ordnet den teuren Weiterverkauf von Tickets als Schwarzhandel ein und will der Übertragung der personengebundenen Karten vom Verkäufer auf den Käufer nicht zustimmen. „Allein aus Gründen der Fairness muss jeder Kartentransfer gut begründet werden“, sagt der für den Ticketverkauf zuständige OK-Vizepräsident Horst R. Schmidt. Bereicherung sei kein guter Grund, ergänzt ein Sprecher des Organisationskomitees.

Jeder der Konkurrenten ist optimistisch, dass heute in seinem Sinne entschieden wird. Richter Jens Rüger hatte in der mündlichen Verhandlung Argumente für beide Seiten gefunden. Einerseits bestehe ein Interesse daran, die Ticketpreise niedrig zu halten. Andererseits seien Beschränkungen des freien Handels nur in Ausnahmefällen zulässig.

Die WM-Organisatoren sehen sich im Vorteil, weil sie nach Fanprotesten ein offizielles Tauschportal im Internet eingerichtet haben. Dort kann jeder Tickets zurückgeben. Diese werden zum normalen Preis an Fans weiterverkauft, welche sich in Wartelisten eingetragen haben. Zudem sind Übertragungen an Familienmitglieder und im Krankheitsfall möglich. Dies muss das OK jedoch genehmigen. In der ersten Phase wurden 52 000 Karten überschrieben, 11 000 flossen zurück. Ab 1. Mai ist die Börse wieder geöffnet.

Björn Kracht, der heute zur Urteilsverkündung nach Frankfurt am Main kommen möchte, nützt das wenig. Den Grund für seinen Tickettransfer erkennen die deutschen Fußballfunktionäre nicht an. Denn Kracht hat seine Eintrittskarten von einem Fremden gekauft, der damit Gewinne einstreicht. Sollte das Amtsgericht ihm das Geschäft trotzdem erlauben, steht das gesamte ausgeklügelte Ticketsystem der WM in Frage – inklusive der personengebundenen Eintrittskarten. In diesem Fall könnten andere Fans dem Beispiel folgen und ebenfalls vor Gericht ziehen. Ob ihre Fälle noch rechtzeitig vor der WM entschieden werden, ist allerdings offen. Im Organisationskomitee macht sich deshalb die stille Hoffnung breit, dass der Ticketverkauf heute zum letzten Mal im Namen des Fußball-Volkes verhandelt wird.

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