zum Hauptinhalt
Freund des Balls. Draxler findet im Nationalteam die Spielfreude wieder.

© dpa/Jaspersen

Im Nationalteam läuft es besser als beim VfL Wolfsburg: Julian Draxler streichelt sein Ego

Julian Draxler leidet unter der Krise beim VfL Wolfsburg, in der Nationalmannschaft läuft es für den 23-Jährigen deutlich besser als im Verein.

Die Geste paarte Demut mit Größenwahn. Julian Draxler schaute betreten zu Boden und reckte gleichzeitig den erhobenen Zeigefinger in die Höhe. Erst als seine Kollegen ihn umringten, schlich sich ein over - Die Geste paarte Demut mit Größenwahn. Julian Draxler schaute betreten zu Boden und reckte gleichzeitig den erhobenen Zeigefinger in die Höhe. Erst als seine Kollegen ihn umringten, schlich sich ein freundliches Lächeln ins Gesicht des 23-Jährigen – als wäre ihm gerade eingefallen, dass man sich auch freuen darf, wenn man ein Tor erzielt hat.

Julian Draxler hat auf dieses Gefühl lange warten müssen. Das 1:0 für die deutsche Nationalmannschaft gegen Nordirland war sein erstes Tor in dieser Saison, das erste seit dem 26. Juni, als er im EM-Achtelfinale gegen die Slowakei den 3:0-Endstand erzielte. Sein emblematischer Jubel am Dienstag in Hannover sprach dafür, dass ihn der Moment besonders gepackt hatte. Aber Draxler dementierte das. Von außen mag es anders ausgesehen haben, aber innerlich fühlte sich alles an wie immer, behauptete er. Und dennoch: „Es war schön für mein Ego.“

Dieses Ego hat zuletzt arg gelitten. Mit dem VfL Wolfsburg hat Draxler in der vergangenen Saison die Qualifikation für den Europapokal verpasst, trotzdem hat der Klub im Sommer sein Veto gegen einen Wechsel eingelegt, weswegen Draxler weiter für den VfL spielen muss und nach fünf Spielen ohne Sieg schon wieder im Niemandsland der Tabelle herumkrepelt.

Die Wertschätzung für Draxler in Wolfsburg verhält sich inzwischen umgekehrt proportional zu der in der Nationalmannschaft. Im Verein wird er wegen seiner Wechselgelüste angefeindet, im Nationalteam verstetigt sich, was sich bereits bei der EM angedeutet hat. „Ich habe mich schon bei der Europameisterschaft herangearbeitet an die erste Elf“, sagt Draxler, der bei Bundestrainer Joachim Löw schleichend zum Stammspieler aufgestiegen ist. In sieben der jüngsten neun Pflichtspiele stand er in der Startelf, zuletzt vier Mal hintereinander. In den ersten vier Jahren seit seinem Debüt im Mai 2012 war er nur in drei Pflichtspielen in der Anfangsformation aufgetaucht, unter anderem gegen Kasachstan und die Färöer.

Für ihn ist die Situation schwierig, nachdem er im Sommer über die Medien seinen Abschied vom VfL forciert hat

Draxlers Talent ist schon vor Jahren aufgefallen, bereits mit 17 hat er beim FC Schalke 04 in der Bundesliga debütiert, doch unter all den Hochbegabten in der Nationalmannschaft war für ihn bis zum Sommer nur eine Nebenrolle vorgesehen. Das ändert sich gerade. „Julian hat das gut gemacht, nicht nur das Tor“, sagte Löw nach dem 2:0 gegen die Nordiren. „Er hat sich viel bewegt, immer wieder versucht, in die Räume reinzugehen.“ Der Bundestrainer schätzt die Zielstrebigkeit des Wolfsburgers, die auch vor seinem Tor zu sehen war. Als ihm der Ball vom Bein eines nordirischen Verteidigers vor die Füße fiel, zögerte Draxler nicht und vollendete mit einem platzierten Schuss neben den Pfosten.

„Es freut mich, dass wir es in der Nationalmannschaft schaffen, Spieler wieder aufzubauen, ihnen ein bisschen Sicherheit zu geben“, sagte Manager Oliver Bierhoff. „Bei Julian merkt man, dass ihm die Spiele gut getan haben.“ Die Frage ist, ob ihm nun auch der Transfer in den Verein gelingt. „Wenn es so einfach wäre, würde ich das Gefühl einfach mitnehmen, aber es sind zwei unterschiedliche Geschichten“, sagte Draxler. „ Man kann das nicht übereinander legen. Wir befinden uns in einer schwierigen Situation in Wolfsburg.“

Gerade für ihn ist die Situation schwierig, nachdem er im Sommer über die Medien seinen Abschied vom VfL forciert hat. Draxler weiß, dass er mit den Folgen leben muss. „Ich kann mich ja nicht im Sommer hinstellen und sagen, ich möchte den Verein verlassen, und dann sauer sein, wenn jetzt jemand darüber redet.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false