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Sport: Im Prinzip weltmeisterlich

Auf dem Nürburgring soll sich zeigen, ob Michael Schumacher 2006 erneut den WM-Titel holen kann

Fernando Alonso streicht sich gedankenverloren über das schlecht rasierte Kinn. „Tja, das ist die Frage, die im Moment wohl jeder hier in seinem Kopf hat“, murmelt der Spanier. Schon bald werden der Weltmeister und die meisten seiner Kollegen in der Formel 1 Klarheit in der Angelegenheit erhalten, die sie derzeit beschäftigt. Der Große Preis von Europa auf dem Nürburgring am Sonntag (14 Uhr, live bei RTL und Premiere) soll zweifelsfrei belegen, ob der siebenmalige Weltmeister Michael Schumacher dieses Jahr in seinem Ferrari die Möglichkeit hat, sich den Titel zurückzuholen.

Die Neugier der Szene stützt sich auf den Umstand, dass Schumacher und Ferrari zwar das vergangene Rennen in Imola als Erste beendeten, dabei aber kaum einen Rückschluss auf die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Autos zuließen. Zu speziell waren die eckige Strecke und der holprige Rennverlauf. Mercedes-Sportchef Norbert Haug hat immerhin registriert, dass Ferrari „in Imola klar langsamer war als Renault. Sie haben es aber durch clevere Taktik wettgemacht.“

Auf dem Nürburgring freilich wird das nicht genügen. Der Kurs in der Eifel gilt als weit besser geeignet dafür, das Potenzial eines Autos aufzudecken. Zudem bietet er einige Überholmöglichkeiten und Schumacher daher kaum die Möglichkeit, schnellere Rivalen das halbe Rennen hinter sich zu halten wie Alonso in Imola. Dennoch glaubt Haug: „Ferrari wird stark sein.“ Fernando Alonso ist sich da nicht so sicher. „Um ehrlich zu sein, halte ich McLaren hier für den stärkeren Gegner“, sagt der Renault-Pilot. „Schon letztes Jahr war Ferrari nur in Imola gut und ansonsten langsam. Ich hoffe, dieses Jahr ist es ähnlich.“ Diesen Ansatz hat Michael Schumacher bei der Suche nach der Lösung des großen Mysteriums verworfen. Der 37-Jährige glaubt gar, die Antwort zu kennen, und hat sein Gefährt aufgrund dieses Wissensvorsprungs für titeltauglich befunden – unter Vorbehalt. Bei seinem Heim- Grand Prix wähnt er sich „in der Position, um den Sieg mitfahren zu können“. Dass er im Freien Training am Freitag fast zeitgleich mit Alonso war, scheint diese Annahme zu stützen.

Schumacher stellte hernach sichtlich zufrieden fest, dass „wir vorne mit dabei sind. Es sieht im Moment danach aus, als ob es wieder auf einen Zweikampf mit Alonso hinausläuft.“ Offensichtlich ist Ferrari vor dem Rennen einen weiteren Schritt dabei vorangekommen, den Wagen zu durchschauen, den das Team gebaut hat. Oder für den Anfang wenigstens Teile davon: Man verstehe jetzt zumindest die Reifen besser, erklärt Schumacher. „Wir haben ein gutes Auto, aber auch ein schwieriges.“ Der 248 F1 sei „etwas kritischer zu handhaben. Das ist unser einziges Manko“, sagt Schumacher. Im Gegensatz zum ebenfalls recht bockigen Vorgängermodell hat der neue Ferrari immerhin bereits gezeigt, dass er wirklich schnell sein kann, wenn Abstimmung, Tankstrategie, Wetter und vor allem Reifen ineinander greifen und die richtigen Voraussetzungen schaffen.

Die Unberechenbarkeit des Ferrari ist im Kampf um den Titel allerdings ein großes Manko. Es hat bislang jedes von Schumachers Rennwochenenden in dieser Saison zu einer neuen Verlosung gemacht, während allen voran Renault auf verschiedensten Streckentypen unter unterschiedlichsten Bedingungen siegfähig war. Michael Schumachers Version der großen Frage lautet daher: „Werden wir es immer schaffen, das Maximum aus unserem Auto herauszuholen?“ Nach dem Training am Freitag zu urteilen, könnte Ferrari zumindest bei der Verlosung am Nürburgring unter den Gewinnern sein. Fernando Alonso kratzt sich noch einmal am Kinn, dann lächelt er.

Christian Hönicke[Nürburgring]

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