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Sport: Im Schatten des Verdachts Dopingvorwürfe machen die US-Trials zur Farce

Marion Jones saß in einem Golf-Wagen. Ihren Bodyguard an der Seite, stoppte sie widerwillig bei der Horde der wartenden Journalisten.

Marion Jones saß in einem Golf-Wagen. Ihren Bodyguard an der Seite, stoppte sie widerwillig bei der Horde der wartenden Journalisten. „Wenn ich etwas sage“, raunte sie, „dann seid ihr doch nur negativ.“ Und dann fügte sie hinzu: „Und wenn ich nichts sage, so wie gestern, dann schreibt ihr auch etwas Negatives. Da sage ich doch lieber nichts und verbringe die Zeit mit meinem Sohn. Einen schönen Tag noch.“ Ihr Beschützer trat aufs Gas, und verschwunden war Jones.

Zurück ließ die Sprinterin die verdutzten Fragesteller. Fragen gibt es an die US-Amerikanerin viele. Nach ihrem fünften Platz im 100-Meter-Finale bei der Olympia-Qualifikation der US-Leichtathleten in Sacramento wird Jones ihren Sprint-Titel in Athen nicht verteidigen können. Es bleiben ihr noch zwei Chancen auf einen Einzelstartplatz über die 200 Meter und im Weitsprung, aber die 100 Meter, das war eigentlich ihre Paradedisziplin. Nach 11,14 Sekunden kam Jones ins Ziel, das ist weit entfernt von den 10,88 Sekunden, die sie in den Trials für Sydney 2000 gelaufen war, und noch weiter weg von ihrer persönlichen Bestleistung aus dem Jahr 1998 (10,65).

Allein gelassen mit ihren Fragen, boten sich den Beobachtern nun drei Erklärungsmodelle an. Nach dem Baby-Jahr, so die einfachste, kam Jones schlicht nicht schnell genug wieder in die Gänge. Zweitens: Die Doping-Diskussion der vergangenen Wochen, während der die Sprinterin sich der Nationalen Anti-Doping-Agentur Usada hatte erklären müssen, hinterließ größere Spuren als vermutet. Sie zu sperren, dazu reichen die Beweise der Usada nicht, sich wirklich rein zu waschen von dem Schatten des Verdachts war ihr auch unmöglich. Und drittens, die fieseste Erklärung: Die chemischen Beschleuniger fehlen oder wirken nicht mehr.

Aber das ist nur ein Verdacht. Unter dem allerdings stehen alle Athleten, die sich bei diesen merkwürdigen Ausscheidungskämpfen um Olympia-Plätze bewerben. Mittlerweile wurde wahr, was Anti-Doping-Kämpfer jahrelang vorhersagten. Kein Sieg mehr, ohne dass nicht ein Sternchen angefügt werden müsste: „vorbehaltlich weiterer Doping-Untersuchungen“. Jones’ Lebenspartner und Vater ihres Sohnes, Sprinter Tim Montgomery, kämpft gerade vor dem Internationalen Sportgerichtshof in Lausanne um seine Rehabilitierung.

Montgomery startet in Sacramento ebenso wie drei weitere Athleten, die der Bannstrahl der Usada traf. Insgesamt glauben die Dopingfahnder, gegen sechs Athleten genügend in den Händen zu haben. Das letzte Wort haben jetzt die Juristen. Ob durch den Aufruhr im Vorfeld die Olympiaqualifikation der Leichtathleten sauberer geworden ist? Wer weiß das schon. Charles Yesalis, der Doping-Experte der Penn State Universität spricht davon, dass „die Leute beginnen zu realisieren, dass nicht nur ein paar schlechte Äpfel in der Tonne sind, sondern höchstens ein paar gute“. Don Catlin, der Leiter des Anti-Doping-Labors in Los Angeles, das das Designer-Steroid THG nach einem Tipp als Erstes nachwies, glaubt, die Athleten bedienen sich weiterer nicht nachweisbarer Mittel. „Ich höre jeden Tag von anderen Designer-Steroiden“, sagte er. „Ich habe die Befürchtung, die THG-Story hat die Chemiker aufgeweckt und angespornt.“

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