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Sport: Im Spiegel des Tages: Gemeine Wärter

Fünf Minuten hätten gereicht, mickrige fünf Minuten. Aber nicht einmal die waren ihnen vergönnt, den armen Verbrechern.

Fünf Minuten hätten gereicht, mickrige fünf Minuten. Aber nicht einmal die waren ihnen vergönnt, den armen Verbrechern. Da spielen die Boca Juniors in Tokio im Finale des Weltpokals gegen Real Madrid, und die Knastbewohner in der argentinischen Provinz Cordoba bekommen Fernsehverbot. "Unser Etablissement ist ja kein Hotel!", sagte ein Justizsprecher kühl. Daraufhin zettelten 150 der 700 Gefangenen eine Meuterei an und nahmen zwei Wärter als Geisel. Der Aufstand wurde niedergeschlagen, unblutig.

Fünf Stunden vor Anpfiff rotteten sich die Fans zusammen - ein kapitaler Fehler. Die Vorbereitung begann viel zu früh. Ein Fluchtloch mit der Gabelzinke in die Zellenwand zu kratzen, bedarf eines langen Atems. Aber nicht die Fernsehrebellion! Die fiesen Wärter hatten zu viel Zeit zur Gegenwehr. Weit nach Mitternacht Ortszeit begannen die Bewohner wohl, an ihren Zellentüren zu rütteln. Für Diebe eine normale Arbeitszeit, natürlich. Der Gefängnisleiter aber hat da allenfalls Zeit zum Tango, die Aufpasser verrichten grantig ihren Dienst. Cleverer wäre es gewesen, bis kurz vor dem Anpfiff zu warten. Frühstückszeit in Argentinien. Während die Wärter sich an Ei und Schinken labten (im Gegensatz zu den Häftlingen, "wir sind ja kein Hotel"), hätten sie sich vielleicht erweichen lassen, wenigstens für die ersten fünf Minuten der Partie den Fernseher anzumachen. Da schoss Palermo beide Tore zum 2:1-Sieg. Dann hätte man die Austaste drücken können. Zucht und Ordnung wären eingekehrt. Attackiert worden wären die Wärter auch dann: Es hätte aber keine Geiselnahmen gegeben. Sondern Knutschangriffe, vor Freude.

Helen Ruwald

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