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Sport: Im Spiegel des Tages: Hans-Hubert bleibt Berti

Zehn Millionen Mark. Ein Menge Geld, um die zu verprassen, hätte man schon bei Günther Jauch im Besserwisser-Quiz vorstellig werden müssen.

Zehn Millionen Mark. Ein Menge Geld, um die zu verprassen, hätte man schon bei Günther Jauch im Besserwisser-Quiz vorstellig werden müssen. Wurden die Herren von Bayer Leverkusen nicht und können nun eben nicht ihre Trainerkompanie abfinden. So teuer wäre es nämlich geworden, wenn sich der Verein vorvertraglich von Berti Vogts und seinen Assistenten getrennt hätte. Plus des neuen Mannes, der in Leverkusen ein Spitzenmann sein muss vom Kaliber etwa des derzeit pausierenden Jupp Heynckes und also auch nicht zu knapp kostet. Kurzum: Hans-Hubert Vogts, auch im fünften Lebensjahrzehnt immer noch wie in Kindertagen Berti gerufen, macht weiter, zumindest bis Saisonende. Und trotzdem ist seine Rehabilitation als Fußballweiser gescheitert und seine Resozialisation ins deutsche Kicker-Geschäft auch. Vogts ist genauso weit wie 1998, als er nach desaströsem Auftreten bei der WM in Frankreich sein Amt als Bundestrainer niederlegte. Damals schon war er, wie Bayer-Manager Calmund dieser Tage befand, "die dumme Sau, die von links nach rechts durchs Dorf gejagt wird", und die vor allem den Reformstau des deutschen Fußballs nicht hat auflösen können. Ein Relikt aus der Ära seines Kumpels Helmut Kohl, das weg musste wie der Kanzler.

Vier Spiele also noch und bei Punktverlust wird von den Rängen wieder ein wütendes "Berti raus!" ertönen. Weil ja auch niemand "Berti rein" gerufen hatte, als der vor 163 Tagen sein Amt antrat. Vorvorgänger Christoph Daum galt als der schillernde Lebemann, als Kokser, der zwar auch immer gescheitert war beim Sturm auf die Meisterschaft, das aber stets mit Appeal und einem Hauch von Anrüchigkeit. Danach war der Volksheld Rudi Völler gekommen, der Neckermann, der es möglich macht. Den man hatte ziehen lassen müssen, weil die höhere Aufgabe als Bundestrainer auf ihn wartete, eine Aufgabe, die Vogts eben nicht hat bewältigen können. Dagegen hatte Vogts nie wirklich eine Chance.

Er hat dann ein paar Sachen gemacht, die andere Menschen auch machen, zum Beispiel die Trainer-Arbeit aufgeteilt. Ein solches Splitting war neu in Deutschland, aber weil Vogts es war, der es einführte, wurden nicht die modernen Zeiten gelobt, sondern das Kompetenzgerangel beklagt. Und vergessen wurde dabei, dass Manchester United mit gleichem Modell zum erfolgreichsten Team der Welt reifte. Oder er hat seine Spieler an Seilen über Hindernisbahnen gehetzt zwecks Stärkung der Psyche, Daum hat seine Kicker über Glasscherben gejagt. Daums Innovationsfreude wurde gelobt, seinem Charisma gehuldigt - Vogts wurde verlacht. Aber das ist womöglich die Tragik des Hans-Hubert Vogts, dass ein und dasselbe Ding ein völlig anderes wird, wenn er es anpackt. Und deswegen ist der gestrige Treueschwur kein Vertrauensbeweis, sondern nur die Verlängerung des Abschieds. Vogts ist keine "dumme Sau", eine arme Sau ist er allemal.

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