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Sport: Im Spiegel des Tages: Schwärmerische Gigantomanie

Mitte der achtziger Jahre hatte Boris Becker eine Freundin in Hamburg, die Kontakte zu den Hausbesetzern an der Hafenstraße unterhielt und am Boulevard "rote Karen" genannt wurde. Vergleichbares Aufsehen hat der Tennisspieler Becker dort nicht erregt.

Mitte der achtziger Jahre hatte Boris Becker eine Freundin in Hamburg, die Kontakte zu den Hausbesetzern an der Hafenstraße unterhielt und am Boulevard "rote Karen" genannt wurde. Vergleichbares Aufsehen hat der Tennisspieler Becker dort nicht erregt. Das Spiel auf Sand hat er nie geliebt, die German Open in Hamburg nie gewonnen. Keiner verbindet das Turnier mit seinem Namen.

Trotz der fehlenden Identifikationsfigur hat der Deutsche Tennis Bund am Rothenbaum einen riesigen Betonwürfel hingeklotzt, der dem einst exklusiven Gelände die Anmut der Hannoveraner Expo-Landschaft beschert. Das hat den DTB viel Geld gekostet, und er würde gern noch mehr in eine Erweiterung investieren, wenn er denn welches hätte. Hamburg träumt von einem Topturnier über zwei Wochen für Herren und Damen, das die Spielergewerkschaft ATP in Europa installieren will. Wann, das weiß niemand, wohl aber, dass die bestehende Anlage radikal ausgebaut werden müsste. Auf ein bisschen mehr Beton kommt es am Rothenbaum auch nicht mehr an.

In Berlin läuft die Entwicklung anders. Zu den German Open der Damen kamen in der vergangenen Woche mehr als 100 000 Zuschauer, so viel wie noch nie. Das Turnier hat sich etabliert, auch ohne Steffi Graf, deren Zugkraft der veranstaltende LTTC Rot-Weiß so ziemlich alles zu verdanken hat: das internationale Renommee, die Akzeptanz beim Publikum, das neue Stadion. 20 Millionen Mark hat der Ausbau im Grunewald gekostet. Viel Geld, und öffentliches dazu, das ohne die Erfolge der Steffi Graf nicht so leicht bewilligt worden wäre. Es ist deshalb nicht so leicht nachzuvolziehen, warum nun auch Berlin mitfeilscht um das neue Superturnier und dabei gleich ein Nationales Tenniszentrum am Olympiastadion errichten will. So etwas ist schwer zu vermitteln in Zeiten, da das Interesse am Tennis auf der ganzen Welt zurück geht. Wie sollen sich die gewaltigen Anlaufinvestitionen amortisieren, was passiert mit dem Stadion im Grunewald? Der Standort Hamburg ist beinahe zugrunde gegangen an der schwärmerischen Gigantomanie einiger Weniger. Das sollte Warnung genug sein.

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