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Sport: „IM Torsten“ fährt nach Turin

Richter entscheiden, dass der Eiskunstlauf-Trainer Ingo Steuer zu den Olympischen Winterspielen darf

Berlin - Wolfgang Krause versuchte es immer wieder. „Können wir denn nicht zu einer vernünftigen Lösung kommen?“, fragte er mehrfach in fast väterlichem Ton. Krause leitet die Fünfte Zivilkammer des Landgerichts Berlin, er suchte einen Kompromiss, weil er gestern gerne ein Urteil im Fall des Eiskunstlauf-Trainers Ingo Steuer aus Chemnitz vermieden hätte. Doch die Anwälte des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) lehnten jedes Zugeständnis ab. Ingo Steuer, der frühere Stasi-IM „Torsten“, dürfe auf keinen Fall als Mitglied des deutschen Olympiateams nach Turin fliegen.

Also entschied die Kammer: Ingo Steuer, Trainer des Paares Robin Szolkowy/Aljona Sawtschenko, darf offiziell in Turin seine Sportler betreuen. Das NOK scheiterte vor allem aus formaljuristischen Gründen. Denn für das Gericht war nicht nachvollziehbar, wie der Beschluss zustande gekommen ist, Steuer nicht zu nominieren. Entsprechende Unterlagen hatten die Richter nicht. Fast ein Dutzend Mal wies Krause, teilweise mit vorwurfsvollem Unterton, auf diesen Umstand hin. „Wir wissen nicht, wer eingeladen hat, wer abgestimmt hat oder wann die Sitzung stattgefunden hat. Man muss sich doch bei so etwas an die Regeln halten“, sagte Krause im Prozess. „Ein rechtsstaatliches Verfahren des NOK ist nicht zu erkennen“, hieß es denn auch in seiner Urteilsbegründung.

Noch ein anderer Punkt wurde dem NOK zum Verhängnis. Die Stasi-Kommission, die Steuer anhörte und seine Nicht-Nominierung empfahl, hatte nur wenige Stunden vor der NOK-Sitzung getagt. „Damit ist signifikant, dass das NOK kritiklos der Stasi-Kommission gefolgt ist“, sagte Krause. „Es ist nicht zu erkennen, dass das NOK eine Ermessensüberprüfung vorgenommen hat.“ Steuers Anwältinnen hatten im Prozess auch noch gerügt, dass nur zwei Mitglieder der Kommission überhaupt bei Steuers Anhörung anwesend gewesen seien. Die anderen hätten ihr Votum schriftlich abgegeben – und zwar vor der Anhörung. „Wozu braucht man dann überhaupt noch eine Anhörung?“, fragte Rechtsanwältin Cornelia Quasst empört.

Die NOK-Anwälte hatten dagegen vor allem mit Moral argumentiert. Steuer habe sich als ehemaliger Stasi-Mitarbeiter „moralisch weit von den Grundsätzen des olympischen Gedankens entfernt“. Aber um Moral ging es Richter Krause nicht. Wenn die beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) stets der Maßstab wäre, sagte er im Prozess, „dann wären Olympische Spiele eine wenig zahlreiche Veranstaltung. Da sind und waren viele dabei, die nicht unbedingt dem olympischen Gedanken folgen.“ Auch Steuers Informationen an die Stasi, zumindest die bis Ende 1988, bewertete Krause als eher belanglos. „In der Regel war es doch so, dass ein DDR-Bürger, der in den Westen reisen durfte, anschließend einen Reisebericht schreiben musste“, sagte Krause. In seiner Urteilsbegründung erklärte er sogar: „Es ist alles sehr lange her. Das ist alles Geschichte.“

Steuers Anwälte hatten zuvor angeboten, dass der Trainer in Turin keine Interviews gibt und sofort nach dem Paarlauf-Wettbewerb zurück fliegt. Doch nach Rücksprache mit dem NOK lehnten dessen Anwälte dieses Angebot ab.

Bernhard Schwank, der NOK-Generalsekretär, konnte am Montag „keine formalrechtlichen Gründe erkennen, die die Entscheidung des Gerichts rechtfertigen“. Das Präsidium habe frist- und formgerecht zu der Sitzung eingeladen, und es habe eine breite Diskussion gegeben. Das NOK will nun Rechtsmittel einlegen.

Die Möglichkeit, Steuer noch aus dem Olympiateam auszuschließen, besteht in einem Eilverfahren vor dem Kammergericht Berlin. Das müsste allerdings in dieser Woche stattfinden, denn am Freitag beginnen die Spiele. Und am Sonnabend haben Szolkowy/Sawtschenko bereits ihren ersten Einsatz. IOC-Mitglied Thomas Bach sagte in Turin: „Wenn das Gericht aus formaljuristischen Gründen geurteilt hat, könnte das gegebenenfalls korrigiert werden.“ Für Udo Dönsdorf dagegen, Sportdirektor der Deutschen Eislauf-Union, ist das Urteil „die beste Lösung für die Sportler“.

Am heutigen Dienstag will Steuer mit seinen Läufern nach Turin fliegen. Die letztinstanzliche Entscheidung darüber, ob das NOK eine Nominierung allein vornehmen oder verweigern darf, wird dann noch ungeklärt sein. Diese Frage müssen Gerichte nach den Winterspielen klären.

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