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Sport: Im Traumschloss

Vor dem Spiel gegen Bremen fürchten sich einige in Stuttgart vor einer Krise

Eigentlich war alles wie immer in Bad Cannstatt. Auf den Tischen ein Tablett mit verschiedenen Kuchen, Butterbrezeln, frischer Kaffee, Mineralwasser und Säfte. Nur Erwin Staudt der Präsident fehlte, als Matthias Sammer über den Mittwoch und das heutige Gipfeltreffen gegen Meister Werder Bremen laut nachdachte. Staudt erläuterte zu der Zeit in einem Hintergrundgespräch wieder einmal das neue Eventcenter, das den Klub in die „neue VfB-Welt“ (Staudt) begleitet und rechtzeitig zur WM 2006 fertig sein soll. Das ist wenig verwerflich und kam schon oft genug vor. Aber Staudts Geschäftigkeit passt just zur Diskussion, die in Stuttgart aufgeregt abläuft, seit der VfB Stuttgart in Freiburg seine erste Saisonniederlage kassierte. Hat man im Schwabenland den Blick für die Realität verloren?

Plötzlich rückt die Erkenntnis in den Fokus der Öffentlichkeit, der Klub stehe an einem kritischen Punkt. Englische Woche mit Uefa-Cup, namhafte Gegner wie Werder Bremen und Schalke 04 in der Bundesliga, die Bayern im DFB-Pokal – das Traumschloss eines Vereins, der Siege abonniert zu haben schien, könnte einstürzen, ohne, dass irgend einer darauf vorbereitet ist. Nach dem 5:1-Sieg im Uefa-Pokal beim belgischen Klub Beveren sei die Mannschaft bejubelt worden, als habe sie sich „für das Finale der Champions League qualifiziert“ spöttelte die „Stuttgarter-Zeitung“. Auf der Geschäftsstelle habe die Führungsriege nur darüber gejammert, von den Fernsehanstalten nicht berücksichtigt zu werden. Und es sei allenfalls munter über die Höhe des Sieges in Freiburg spekuliert worden.

Die Adrenalinschübe im Umfeld sind wohl nicht ganz an der Mannschaft vorbei gegangen, die ernüchtert feststellte, „das Spiel in Freiburg im Kopf“ verloren zu haben (Torwart Timo Hildebrand). „Larifari“ nannte der Nationaltorwart den Auftritt im Breisgau. Und Trainer Matthias Sammer zog nur noch ratlos die Schultern hoch, weil er sich wie ein einsamer, warnender Rufer in der Wüste vorkam. Er mache der Mannschaft keinen Vorwurf, „aber manchmal laufen in den Köpfen der Spieler Dinge ab, die man als Trainer nicht steuern kann“.

Als Sammer über Werder Bremen nachdachte und die Psyche seiner Spieler, die von Siegen verwöhnt waren, kam ihm dies in den Sinn: In jedem Spiel müsse der kleine entscheidende Vorteil aufs Neue erstritten werden. Sammers Feldzug gegen Selbstgefälligkeit bekam vielleicht gerade rechtzeitig vor dem Duell mit Bremen neue Nahrung. Ausrutscher oder der Anfang einer Talfahrt? In Stuttgart beschäftigen sich nun alle mit Fragen, die vor ein paar Tagen noch illusorisch und überflüssig wirkten.

„Wir sollten uns jetzt nicht schlechter machen, als wir sind. Für den Verein, das Umfeld und die Mannschaft geht es darum, eine gesunde Mitte zu finden. Stärke dokumentiert sich in einer gesunden Mitte“, sagte Sammer zur aufgeregten Diskussion. Er sei überzeugt, seine Mannschaft setze sich auf Dauer durch und spiele dauerhaft konstant.

„Wir wurden in Bereiche gehoben, die allenfalls ein Zwischenfazit waren“, sagte Sammer, der auf den gesperrten Martin Stranzl verzichten muss. Einen Weckruf wie Freiburg habe die Mannschaft nicht gebraucht. „Wir haben drei wichtige Punkte verloren“, sagte Sammer. Er erwarte die Bremer am Ende der Saison ganz oben. Wie stark die Mannschaft sei, hätten die beiden letzten Siege trotz der Verletzungssorgen gezeigt. Wie stark die Stuttgarter sind, können sie heute gegen Bremen zeigen.

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