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Jan Frodeno

© AFP

Im Zielsprint: Deutscher Triathlet Jan Frodeno gewinnt Gold

Jan Frodeno hat bei den Olympischen Spielen in Peking Gold im Triathlon-Wettbewerb gewonnen - im Endspurt, nach einem taktisch cleveren Rennen.

Jan Frodeno trinkt und redet. Beides ist jetzt wichtig. Trinken muss er, weil er viel geschwitzt hat, zum einen. Aber auch, weil die Dopingkontrolleure auf ihn warten. Das ist so, wenn man Olympiasieger wird. Dann muss man pinkeln, selbst wenn man nicht kann. Und reden muss Frodeno, weil niemand ihn kennt, er aber gerade der Weltelite im Triathlon davongerannt ist. Einfach so. Am Tag nach seinem 27. Geburtstag ist der Athlet aus Saarbrücken die große Überraschung am malerischen Ming Tombs Reservoir im Norden Pekings.

Niemand konnte mithalten, als der Mann im weißen Einteiler nach 1,5 Kilometern Schwimmen, 40 Kilometern Radfahren und zehn Kilometern Laufen seinen Endspurt anzog und nach 1:48:53,28 Stunden als Erster die Ziellinie überquerte. Er, der große Unbekannte. Nicht Landsmann Daniel Unger, der Weltmeister von 2007, der Sechster wurde (1:49:43,78). Nicht der Kanadier Simon Whitfield, der Olympiasieger von Sydney, der in 1:48:58,47 auf Rang zwei landete. Und auch nicht der Neuseeländer Bevan Docherty, der Olympiazweite von Athen, der in 1:49:05,59 Dritter wurde. "Ich habe versucht, nicht daran zu denken, dass die Jungs neben oder knapp hinter mir die schnellsten der Welt sind", erzählt Frodeno.

Triathlon - ein Psychospiel

Dabei war er in der zweiten Runde des Laufs ebenso wie Daniel Unger zurückgefallen. In rund einer Stunde und 45 Minuten, die so ein Triathlon dauert, habe man viel Zeit für Höhen und Tiefen, erklärt Frodeno. "Das ist ein psychologisches Spiel." Pokern im Kopf, während die Beine rennen. Frodeno setzte auf die richtige Karte. "Wenn man einmal bei Hitze überzieht, erholt sich der Körper einfach nicht mehr", sagt er. "Deshalb wusste ich, dass ich mich zurückhalten musste. Deshalb bin ich diese Attacke nicht mitgegangen." Bei 84 Prozent Luftfeuchtigkeit und weit über 30 Grad in der Sonne wählte er zunächst den Schongang.

Das zahlte sich aus, er fand wieder Anschluss an die Spitzengruppe, vier Athleten stürmten nun gemeinsam dem Ziel entgegen. Dicht an dicht, eine Weile noch traute sich niemand, Gas zu geben. "Sieg oder Sibirien, Sekt oder Selters, probier alles", habe er sich da gedacht, sagt Frodeno. Also ist er losgerannt. Immer weiter und weiter, auch als der letzte Konkurrent abgehängt war, bis auf die sichere Seite der Ziellinie. 1.100 Kilometer im Wasser, 12.500 auf dem Rad und 4.400 auf seinen Füßen hat "Frodo", wie ihn seine Kollegen nennen, allein in diesem Jahr bereits zurückgelegt. Da schaffte er diese letzten Meter auch noch.

"In Deutschland ist es ganz schlimm, da zählen nur Siege", sagt Frodeno. Der von Daniel Unger bei der WM vor einem Jahr zum Beispiel. Damit wurde der 30-Jährige zur Nummer eins im deutschen Triathlon, eine Nummer zwei interessierte niemanden. "Der Schatten von Daniel wurde immer größer, ich bin bald mit Grubenlampe rum gelaufen", scherzt Frodeno. Die braucht er jetzt nicht mehr, vielleicht kann er sie an Unger weitergeben. Unger, der nach zuletzt zwei Weltcupsiegen zum engeren Favoritenkreis für den Olympiasieg gehörte, war direkt nach dem Zieleinlauf noch tapfer. "Frodo, geile Sache", gratulierte er. Später lehnte Unger bekümmert in einer Ecke. Frodenos Trainer Roland Knoll nahm sich seiner an, da sein eigener Athlet in diesem Moment keinen Zuspruch brauchte. "Du hast dir nichts vorzuwerfen, du hast alles gegeben", sagte Knoll. Unger sah nicht so aus, als würde er das glauben.

Mit 19 Jahren zum Triathlon

Jan Frodeno beantwortet deutsche Fragen genauso flüssig wie englische. Als er zehn Jahre alt war, wanderte der gebürtige Kölner mit seinen Eltern nach Südafrika aus. Er ging dort zur Schule, begann mit Wellenreiten und Schwimmen. Radfahren und Laufen kamen hinzu. Als 19-Jähriger absolvierte er seinen ersten Triathlon. 2004 entschied er sich dann, nach Deutschland zurückzukehren und Profi zu werden. Er lebt drei Kilometer vom Olympiastützpunkt Saarbrücken entfernt in einer WG, gemeinsam mit Kollegin Anja Dittmer und dem neuseeländischen Spitzen-Triathleten Kris Gemmell.

Im Weltcup hat Frodeno schon ein paar Medaillen gesammelt, aber der große Erfolg fehlte ihm noch. Wie es jetzt weitergeht, weiß er nicht. "Ich habe bisher noch nicht weiter als bis vor einer Stunde gedacht, da hat meine Lebensplanung aufgehört", sagt Frodeno. Ein Olympiasieger braucht auch erstmal keinen Plan. Als nächstes kommt eine resolute Chinesin und holt Jan Frodeno ab. Zur Dopingkontrolle. Er folgt ihr, hält seine Medaille fest und sagt: "Ich gehe mal lieber mit, nicht dass sie mir das gute Stück wieder abnehmen."

Susanne Rohlfing[Peking]

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