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Sport: In der Familie kracht es

Die Eisbären müssen in ihrer neuen Arena auf unbeliebte Termine ausweichen – und beschweren sich

Von Katrin Schulze

Berlin - Zurücklehnen, Zuschauen und Genießen. Klingt gut? Nicht für die Eisbären. Den meisten Profis des Berliner Eishockeyklubs ist es nämlich eher lästig, mit ansehen zu müssen, wie andere Mannschaften in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) dem Puck hinterherjagen, während sie selbst untätig im Sessel sitzen und Bandenchecks maximal per Playstation simulieren. Dass die Eisbären an diesem Wochenende ihre Hobbys ausleben und insgesamt elf Tage Auszeit von der Liga nehmen, war nicht geplant: Am Freitag sollten sie in der Arena am Ostbahnhof gegen Iserlohn spielen, für Sonntag war eine Begegnung gegen die Düsseldorfer EG angesetzt. Doch Witali Klitschko, der gestern gegen Samuel Peter in den Ring stieg, hatte etwas dagegen.

Natürlich war es nicht der Boxer selbst, der den Eisbären eine Zwangspause verpasste, sondern der Halleneigner. Die Anschutz Entertainment Group gab dem Boxkampf den Vorzug, weil „das eine einmalige Chance ist, die uns weltweit Ansehen beschert“, wie Anschutz-Sprecher Moritz Hillebrand sagt. Mit einem simplen Eishockeyspiel, von dem es in dieser Saison wohl sowieso über 30 in der neuen Arena gibt, ist globaler Ruhm natürlich nicht möglich. Trotzdem zeigen sich einige bei den Eisbären verwundert von der Entscheidung des Hallen- und Klubeigners. „Ich finde es schon sehr merkwürdig, dass fest terminierte Spiele einfach so verlegt werden“, sagt ein Berliner Profi. „Das macht den Eindruck, dass wir in der Halle hinten anstehen müssen.“ Es scheint, als fühlten sich die Eisbären benachteiligt von ihrem Eigner, dem gleichzeitig die neue Heimspielstätte der Berliner gehört.

Hat sich nicht mal einen Monat nach Eröffnung der schmucken Halle im Hause Anschutz also schon ein kleiner Familienstreit entwickelt? Ist die kleine Tochter Eisbären beleidigt, weil ihr der große Vater Anschutz die Grenzen aufzeigt? „Es geht nicht darum, wer unser Lieblingskind ist“, sagt Moritz Hillebrand. „Wir sind keine Basketball-, keine Eishockey- und schon gar keine Sporthalle, sondern eine Multifunktionsarena.“

Von denen gibt es einige in Deutschland und dennoch läuft in Berlin vieles anders als in vergleichbaren Hallen, denn der Eigner stellt das Berliner Publikum vor ungeahnte Herausforderungen: Neben der Einführung von Frühschoppen-Begegnungen sonntags um 12 Uhr, terminierte Anschutz ungewöhnlich viele Spiele unter der Woche – auch die wegen des Klitschko-Kampfes verlegten Partien finden nun je an einem Dienstag im Dezember und Februar statt. Dass die Düsseldorfer Anhänger den eigens für das heutige Spiel in Berlin bestellten Sonderzug nun bei dem neu angesetzten Termin in Anspruch nehmen werden, ist kaum vorstellbar. Zu ungünstig liege die Begegnung nun, glaubt auch Don Jackson. „Normalerweise kommen dienstags deutlich weniger Menschen zum Eishockey als freitags oder sonntags“, sagt der Eisbären-Trainer.

Obwohl das auch der Halleneigner der 02-World weiß, legte er gleich zehn Heimspiele der Eisbären auf einen Dienstagabend. Damit liegen die Berliner unangefochten an der Liga-Spitze: In keiner anderen Mehrzweckhalle Deutschlands werden die Zuschauer so oft an diesem unpopulären Tag zum Eishockey gebeten. Lediglich zwei Dienstags-Partien gibt es beispielsweise in der Mannheimer Arena, im Düsseldorfer Dome gar nur eine. Nur bei den Hamburg Freezers, die wie die Eisbären zur Anschutz-Gruppe gehören, kommen sie immerhin noch auf acht. Was das Publikum davon hält, zeigte es bereits am vergangenen Dienstag, als sich gegen den Vizemeister aus Köln gerade mal 5153 Zuschauer der riesigen Hamburger Arena verloren – so wenig wie seit Jahren nicht mehr bei den Freezers.

Von einem „Problemspieltag“ Dienstag will der Berliner Halleneigner trotzdem nichts wissen. Ganz im Gegenteil: Der Europachef der Anschutz-Gruppe, Detlef Kornett, rechnet mit einem „Paradigmenwechsel“ beim Zuschauerverhalten. Die neu gewonnenen Zuschauer in Berlin würden den Dienstag für sich entdecken, sogar von einem richtigen „Eishockey-Tag“ ist bei Anschutz die Rede. In anderen Arenen hat sich dieses Konzept bislang nicht durchgesetzt – der Zuschauerzuspruch fällt im Vergleich zu anderen Wochentagen dienstags deutlich ab. Ob sich das Berliner Publikum nun tatsächlich davon überzeugen lässt, ist derzeit noch unklar.

Die Meinung der Spieler zur verordneten Zwangspause an diesem Wochenende steht hingegen jetzt schon fest. „Viele meiner Kollegen und auch mich bringt so eine Pause durcheinander, weil der gewohnte Rhythmus der DEL verloren geht“, sagt der langjährige Berliner Stürmer Sven Felski. Durcheinander gerät indes auch die Tabelle der Deutschen Eishockey-Liga: Weil alle Teams mehr Spiele absolviert haben als die Eisbären, werden einige am Sonntag wohl an den auf Platz zwei rangierenden Berlinern vorbeiziehen. Klar, dass Zuschauen so keinen Spaß bringt.

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