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Sport: In der Ruhe lag seine Kraft

Mit dem Norweger Kjetil Andre Aamodt beendet der erfolgreichste alpine Skifahrer seine Karriere

Berlin - Es konnte nicht gut gehen, er musste stürzen, jeder wartete darauf. So eng, wie Kjetil Andre Aamodt an die Tore fuhr, so riskant, wie er die Optimallinie suchte, das war grenzwertig. Aber Aamodt zog sein Rennen durch, und als er im Ziel war, da hatte er eine sensationelle Bestzeit erreicht. Keiner mehr an diesem Tag war schneller, Kjetil Andre Amodt aus Norwegen hatte seinen dritten Olympiasieg im Super-G geholt. Olympische Winterspiele 2006 in Turin, die Strecke von Sestriere – das war der große Auftritt von Kjetil Andre Aamodt.

Niemand hatte mit ihm gerechnet. Aamodt hatte eine Prellung am Knie, deshalb hatte er bei den Olympischen Spielen auf die Kombination verzichtet. Und er war schon 35 Jahre alt. Doch dann konnte ihn nicht mal Hermann Maier, der österreichische Superstar, noch abfangen. „Vielleicht fahre ich ja verletzt schneller als wenn alles heil ist“, sagte Aamodt nach der Siegerehrung.

Sestriere 2006, das war auch der letzte große Auftritt des Norwegers. Am Wochenende ist er zurückgetreten. Er hat es auf großer Bühne verkündet, mit Tränen in den Augen. In Oslo wurden die norwegischen Sportler des Jahres gekürt. Dort verkündete Aamodt: „Ich bin mental und körperlich müde. Ich habe seit Olympia 2006 nachgedacht, jetzt ist Schluss.“ Er hat in dieser Saison kein einziges Rennen bestritten, er leidet noch an den Folgen einer monatealten Knöchelverletzung.

Mit Aamodt tritt der erfolgreichste alpine Skiläufer ab, nach 17 Jahren im Weltcup-Zirkus. Keiner holte so viele Medaillen bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften wie der Mann, der sich von seiner ersten Freundin getrennt hatte, weil er sich ganz auf den Sport konzentrieren wollte. 20 Mal Edelmetall hat er geholt, viermal wurde er Olympiasieger, dreimal im Super-G, einmal in der Kombination (2002). 1994 sicherte er sich den Gesamt-Weltcup. Aamodt gehört zu den ganz wenigen Läufern, die in allen fünf Disziplinen einen Weltcup-Sieg gewannen. Aber er mochte vor allem die Kombination und die schnellen Disziplinen. Bode Miller, sein schärfster Rivale aus den USA, sagte nach Aamodts Olympiasieg in Sestriere: „Wenn jemand so lange immer in der Weltspitze ist und sich gegen Leute durchsetzt, die in dieser obersten Leistungsklasse kommen und gehen, dann kann man sich nur verneigen.“

Bode Miller ist ein extrovertierter Partytyp, Aamodt das Gegenteil, typisch skandinavisch eben. Ein stiller Athlet mit trockenem Humor. Ein Sportler, der in sich ruht und ein beeindruckendes Selbstbewusstsein besitzt. Nachdem er 1992 seinen ersten Olympiasieg im Super-G gewonnen hatte und alle Fachleute von seiner Leistung verblüfft waren, da sagte er: „Ich habe von vornherein gewusst, dass ich hier gewinnen kann.“

Aamodts Karriere war immer wieder von Tiefs durchzogen. Es gab Monate, in denen gewann er kein einziges Rennen. Aber er kämpfte sich immer wieder hoch, das zeichnete ihn aus. Und er war zu den Höhepunkten, zu Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen, auf den Punkt genau stark. Wie 2006 in Sestriere. Als Aamodt auf einem Fernseher das Siegerbild sah, direkt neben mit Hermann Maier, da verkündete er: „Hermann und ich fahren noch 2014.“ Jetzt tritt der große, stille Star doch früher ab.

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