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Sport: In Gedanken schon in Jena

Bernd Stange hat den Irak trainiert, doch vor dem Zustand seines Klubs auf Zypern kapituliert selbst er

In Zypern wird links gefahren. Auf der Autobahn halten sich die ansonsten Rechtsverkehr gewohnten Ausländer auf der linken Spur in der Regel an das Tempolimit von 100. Die Einheimischen rasen dagegen mit ihren Wagen rechts vorbei. In diesem Sinne ist Bernd Stange Zypriot. Er hat sich an die Verkehrsregeln gewöhnt und an viele andere Besonderheiten. Dennoch denkt der 58 Jahre alte Trainer des Erstligisten Apollon Limassol nach fast zwei Jahren auf der Mittelmeerinsel an Abschied.

„Am Anfang war das herrliche Land und das schöne Klima nach den Strapazen während meiner Tätigkeit als Nationaltrainer des Irak genau das Richtige, um wieder Kraft zu schöpfen“, sagt Stange. Sein Blick schweift in diesem Moment von seinem wunderschönen Grundstück in Pyrgos bei Limassol in das unter seinem zweistöckigen Haus liegende Tal. Auf der anderen Seite seines Anwesens baut sich ein Berg auf, direkt dahinter befindet sich schon das Meer. Dort springt der Trainer regelmäßig in die Fluten.

Doch der Ort, wo die Götter angeblich Urlaub machen und Bernd Stange mit seiner Frau derzeit lebt, hat für den früheren DDR-Nationaltrainer an Reiz verloren. Im Sommer waren Stange und sein Kotrainer Harald Irmscher nach dem sensationellen Gewinn von Meisterschaft und Supercup noch Helden. Jetzt müssen die beiden Jenaer um ihren Job fürchten. Apollon steht nur auf Rang acht im Feld der 14 Mannschaften, Spitzenreiter Apoel Nikosia ist bereits 13 Zähler enteilt.

„Im Komitee herrscht viel Unruhe“, sagt Stange und meint damit das Präsidium des Vereins. Natürlich ist auch Stange, der am Dienstag von Bundestrainer Joachim Löw, DFB-Sportdirektor Matthias Sammer, Torwarttrainer Andreas Köpke und DFB-Sprecher Harald Stenger persönlich zu einem Erfahrungsaustausch nach Nikosia eingeladen wurde, mit der Situation seiner Mannschaft unzufrieden. „Das hat aber nicht nur sportliche Gründe. Angesichts unserer eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten können wir dauerhaft nicht mit den Spitzenteams mithalten“, meint Stange. „Ich fühle mich jetzt am Limit. Es kann nicht besser werden. In Limassol werden nicht mal primitive Anforderungen des Leistungsfußballs erfüllt.“ Er meint damit zum Beispiel, dass sich die Spieler des aus acht Zyprioten sowie 18 Ausländern bestehenden Teams in private Behandlung begeben müssen, wenn sie sich verletzen. Eine Physiotherapie oder einen Massageraum gibt es nicht. „Gedanklich habe ich mich zum Ende der Saison schon verabschiedet“, sagt Stange.

Zypern ist nach der Ukraine, Australien, Oman und Irak die fünfte Auslandsstation des gebürtigen Sachsen, nachdem er in Deutschland zwischen 1989 und 1994 Carl Zeiss Jena, Hertha BSC und den VfB Leipzig trainiert hatte. Irgendwie hat er sich bei seiner Arbeitsplatzwahl immer mehr oder weniger in einen Krisenherd begeben. Die Stelle im Irak nahm er sogar an, obwohl der Einmarsch der USA und ihrer Verbündeten bereits unausweichlich war. Im geteilten Zypern erinnert die politische Lage ein bisschen an die der DDR. „Die Grenze interessiert mich recht wenig. Schließlich arbeite ich in einem Land der Europäischen Union“, entgegnet Stange. Den türkischen Teil habe er schon mehrere Male besucht: „Man geht praktisch von Europa nach Asien. Aus einer belebten Fußgängerzone in eine asiatische Welt. Es ist wie Tag und Nacht.“

Der Vertrag von Stange läuft offiziell noch bis 2008. Spätestens dann will er seine Tätigkeit an einem anderen Ort fortsetzen. „Es gibt einige Angebote aus dem Ausland. In Deutschland hält man mich aber wohl für zu alt“, sagt Stange. „In der Bundesliga geht der Trend eindeutig zu jüngeren Trainern.“ Sein Lebensmittelpunkt bleibe aber Jena, sagt Stange. „Wenn ich Rentner bin, werde ich aber vier, fünf Monate im Jahr mit meiner Frau im südlichen Ausland leben. In den letzten Jahren habe ich mich einfach zu sehr an Sonne und mildes Klima gewöhnt.“

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