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Sport: In Schwung gekommen

Die deutschen Langläufer gewinnen im Staffel-Wettbewerb die Silbermedaille

Tobias Angerer stand in einer Ecke des Pressezelts, als er den Italiener Cristian Zorzi auf dem Podium sitzen sah. „Was hat denn der für eine Haarfarbe?“, fragte der deutsche Langläufer und kicherte. „Das sieht ja aus wie Rote Bete.“ Eigentlich hätte er die seltsame Haarfarbe trotz des dichten Schneetreibens bereits auf der Langlaufstrecke bewundern können. „Da habe ich immer nur ein rotes Büschel von hinten gesehen“, sagte Angerer. Immerhin haben alle anderen Schlussläufer Angerers Frisur gestern auch nur von hinten gesehen.

Tobias Angerer ist am Sonntag hinter dem Italiener mit der seltsamen Frisur in der 4x10-Kilometer-Staffel zu Silber gelaufen. Im Endspurt bezwang er den schwedischen Schlussläufer Mathias Fredriksson mit 0,3 Sekunden Vorsprung. „Wenn man die ganze Vorgeschichte sieht, kann man sehr, sehr zufrieden sein“, sagte Bundestrainer Jochen Behle. Das Team hatte auf Axel Teichmann verzichten müssen, der sich vor den Olympischen Spielen einen Abszess am Oberschenkel entfernen lassen musste. „Die Staffel ist immer der Höhepunkt bei Olympischen Spielen“, sagte Behle, „da sieht man, dass es im Team passt.“

Allerdings hatten seine Läufer sogar mit der Goldmedaille geliebäugelt, doch die starken Italiener begeisterten ihre Landsleute im Langlaufstadion mit einer souveränen Leistung. „Bis zum letzten Anstieg habe ich noch an eine Chance auf Gold geglaubt“, sagte Tobias Angerer, „hier gibt es immer die Chance, dass einer Blau geht“ – also übersäuert und einbricht. Doch Cristian Zorzi behielt sein hohes Tempo bei und überquerte 15,7 Sekunden vor Angerer die Ziellinie. Er hatte sogar noch die Zeit, sich auf der Zielgeraden eine italienische Fahne an die Startnummer zu stecken.

Die beiden deutschen Startläufer Andreas Schlütter und Jens Filbrich hatten sich stets in der Spitzengruppe aufhalten können. Erst René Sommerfeldt musste auf der letzten Runde den Kontakt zum führenden Italiener Pietro Piller Cottrer und dem Schweden Anders Södergren etwas abreißen lassen. 14 Sekunden hinter dem Schweden übergab er an den deutschen Schlussläufer Angerer. Dieser konnte nur noch den Schweden einholen. „Wir waren uns schnell einig, dass wir zusammenarbeiten müssen, dann hat jeder eine Medaille“, sagte Angerer. Der Bundestrainer wunderte sich allerdings über das knappe Sprintfinale. „Normalerweise sieht Angerer gegen den Frederiksson besser aus“, sagte Jochen Behle.

Das deutsche Team hatte sich auch nicht von der Aufregung um die Razzia beim österreichischen Langlaufteam ablenken lassen (siehe nebenstehenden Text). „Da sind wir Profis genug“, sagte Tobias Angerer. Allerdings empörte sich Jochen Behle über den Zeitpunkt der Razzia. „Das ist eine absolute Frechheit, was die da machen“, sagte er. „Das sollte ein bisschen im Rahmen ablaufen, damit man sich noch als Mensch fühlen darf.“ Die Medaillenbilanz seiner Läufer hingegen bereitet ihm allmählich Freude. „Meine Bronzemedaille am Freitag war wichtig“, sagte Angerer. „Die hat den Druck genommen.“ Die Bilanz stellt nun auch den Bundestrainer fast zufrieden. „Das Silber der Damenstaffel haben wir nicht erwartet“, sagte er. „Eine Medaille möchten wir noch holen.“ Vier Wettbewerbe stehen noch aus, wobei Angerer überraschend am Mittwoch auch den Sprintwettbewerb laufen will. „Die Zielgerade liegt mir irgendwie“, sagte er.

Zunächst aber freute er sich, erstmals zur Siegerehrung am Abend nach Turin fahren zu dürfen. „Das war heute unser Ziel“, sagte der 28 Jahre alte Weltcup-Führende. Bei der Medaillenübergabe auf der Piazza Castello durfte er dann Zorzis Frisur endlich einmal aus der Nähe begutachten.

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