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Sport: Ins Nichts geflogen

Die deutschen Skispringer müssen sich an medaillenlose Zeiten gewöhnen

Am nächsten Morgen musste sich Peter Rohwein auch noch von einem aus den eigenen Reihen ärgern lassen. Bei der täglichen Schaltkonferenz zwischen dem Deutschen Haus in Sestriere und dem Hauptpressezentrum in Turin stellte der Moderator Markus Schick dem Skisprung-Bundestrainer die Frage, wie es um den Nachwuchs stehe. Rohwein musste lachen, es klang bitter. Er blickte auf den Bildschirm, auf dem der 100 Kilometer entfernte Moderator, und sagte: „Danke Markus, für diese tolle Frage.“

Es steht schlecht um den Nachwuchs im deutschen Skispringen, aber das ist nun wirklich ein nachgeordnetes Problem für Peter Rohwein. Der Bundestrainer muss erst einmal das schlechteste Ergebnis deutscher Skispringer bei den Olympischen Spielen seit 14 Jahren verkraften. Das Ziel, eine Medaille zu holen, ist verfehlt worden. Beim Mannschaftsspringen am Montagabend landete sein Team nur auf Rang vier. Und dann ist auch noch der fünfte Springer abhanden gekommen – Alexander Herr hatte sich durch öffentliche Angriffe gegen den Trainer aus der Mannschaft geredet. Trotzdem versucht Rohwein die Ereignisse freundlich zu deuten. „Wir kehren mit zwei vierten Plätzen von den Olympischen Winterspielen zurück“, sagte er, „bei uns soll Trauerstimmung herrschen, aber das entspricht nicht der Realität.“ Die Gesichter von Georg Späth, Michael Uhrmann, Martin Schmitt und Michael Neumayer sagten das Gegenteil.

Peter Rohwein will nun einen Neuanfang starten, kann aber noch nicht näher beschreiben, wie dieser aussehen soll. „Jetzt beginnt ein neuer olympischer Zyklus“, sagte er. Der alte endete anders als geplant. Seit drei Jahren hüpft der Weltmeister und Olympiasieger Martin Schmitt der Weltspitze nur noch hinterher. Im vergangenen Sommer verließ auch noch der an einem Erschöpfungssyndrom erkrankte Sven Hannawald endgültig das Team. Rohwein plädiert dafür, seine aktuelle Mannschaft nicht mit dem alten Maß zu messen. „Die anderen Nationen können auch Skispringen, sie sind nur von zwei Ausnahmeathleten in Schach gehalten worden.“ Die veränderte Situation sei nur in der Öffentlichkeit noch nicht verstanden worden. „Die Menschen denken, nur die deutschen Skispringer sind gut, alle anderen sind Pappnasen“, sagte er, „wir können in dieser Situation nur als Looser auftreten, wir müssen uns ja schon für einen vierten Platz entschuldigen.“

Eine anders geartete Entschuldung erwartet der Bundestrainer in den nächsten Tagen von Alexander Herr. Dieser hatte nach seiner Nicht-Nominierung für das Springen von der Großschanze Rohwein öffentlich angegriffen und wurde daraufhin aus der Mannschaft geworfen. „Ich bin keiner, der einem nicht die Hand reicht“, sagte der 43-jährige Bundestrainer. Erst nach einem Gespräch mit Herr wolle er entscheiden, ob er ihn für die nächsten Weltcupspringen nominieren werde. „Zwei erwachsene Menschen setzen sich zusammen und versuchen, eine Lösung zu finden.“ Wann dieses Gespräch stattfindet, konnte er nicht sagen.

Nach der Pressekonferenz sprang Michael Uhrmann auf und bummelte vor dem abschließenden Mittagessen durch Sestriere. „Wir wollen noch Souvenirs kaufen“, sagte er. Irgendetwas muss er ja von den Olympischen Spielen mitbringen. Wenn es schon keine Medaille ist.

10. BIS 26. FEBRUAR

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