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Bleibt doch einfach mal so ruhig wie ich. André Hofschneider strahlt eine besondere Coolness aus.

© dpa

Interimstrainer des 1. FC Union: André Hofschneider und die Schönheit der Neunziger

André Hofschneider hat dem 1. FC Union wieder Freude am Fußball vermittelt – nach der Saison arbeitet er im Hintergrund weiter.

Seit Anfang der Woche ist bekannt, wer in der kommenden Saison den 1. FC Union Berlin trainieren wird. Jens Keller, ehemals beim VfB Stuttgart und Schalke 04 verantwortlich, übernimmt die schwierige Aufgabe, den Berliner Zweitligisten Richtung Bundesliga zu führen. Ob die Personalie unter den Spielern denn Gesprächsthema war, wurde André Hofschneider vor dem Heimspiel am Sonntag gegen Heidenheim (13.30 Uhr) gefragt. „Nein“, sagte Unions aktueller Trainer, um dann auf Nachfrage zu wiederholen: „Nein, war sie wirklich nicht.“

Natürlich war sie das, aber Hofschneider kämpft gerade einen Kampf und den ziemlich resolut. Auf keinen Fall will er zulassen, dass sich die öffentliche Wahrnehmung ausschließlich auf die neue Saison richtet und die Gegenwart ins Hintertreffen gerät. Die Gegenwart ist nämlich sein Werk, das lässt sich nach zwei Monaten Amtszeit gut und gerne behaupten.

Es mutet bizarr an, dass der 1. FC Union unter Hofschneider gerade dabei ist, sein Saisonziel doch noch zu erreichen. Ein Platz unter ersten sechs sollte es sein. Gewinnen die Berliner im Stadion an der Alten Försterei gegen Heidenheim, würden sie den Gegner, aktuell Sechster, überholen. Und das nach einer Spielzeit, die kurz vor Weihnachten schon zum Desaster zu werden drohte. Damals betrug Unions Abstand zum Relegationsplatz einen Punkt.

Die Situation entspannte sich zwar, löste sich aber erst vollständig, als das Schicksal den Klub traf. Trainer Sascha Lewandowski erkrankte, Burnout, und Hofschneider übernahm. Eine Entscheidung nicht ohne Risiko. Hofschneider hatte noch nie eine Mannschaft geführt, aber er machte es so, wie er es in der angespannten Situation für richtig hielt und wie es in keinem Lehrbuch für angehende Fußballlehrer steht. Er vereinfachte das Training und erhöhte nur die Dosis an Spaß. Die Spieler sollten wieder lachen. Dann würde der Rest von ganz allein kommen. „Wichtig war, dass alle ihr altes Selbstbewusstsein erlangen. Sie waren vorher keine schlechten Fußballer und sind es auch jetzt nicht“, sagt Hofschneider. Wann Unions Spieler ihr Selbstvertrauen verloren hatten, dazu äußert er sich natürlich nicht. Unter Lewandowski? Unter Norbert Düwel? Das ist auch gar nicht mehr wichtig. „Die Mannschaft hat sich peu à peu aus einer schwierigen Situation befreit und das verdient Respekt“, sagt Hofschneider. Union holte mit ihm 13 Punkte aus den vergangenen sieben Spielen, von Platz 13 ging es auf Platz sieben. Mit einem, der die Antithese zum modernen Fußballtrainer der Gegenwart verkörpert. Hofschneider trägt keine engen Hemden oder Maßanzüge, Hofschneider trägt am liebsten kurze Sporthosen. Er spricht nicht von vertikalem Spiel oder abkippenden Sechsern oder davon, dass der Gegner viel Qualität hat. Hofschneider sagt zum Stürmer Stürmer und zum Verteidiger Verteidiger. Er hat sich seine Sprache bewahrt aus der Zeit, als er selbst noch Spieler war: in den 90er Jahren.

Union bewegt sich in diesem Frühjahr wie so oft zwischen Zukunft und Gegenwart, nur dass in der Gegenwart auch eine gewisse Gefahr für die Zukunft liegt. Je erfolgreicher die Mannschaft unter Hofschneider spielt, desto schwieriger könnte der Start für Jens Keller werden. Bei Hertha BSC, dem Stadtrivalen, entwickelte sich vor vielen Jahren der Erfolg von Interimslösung Falko Götz zu einem Dilemma, weil er die Messlatte für den bereits verpflichteten Huub Stevens unterschwellig ziemlich hoch gelegt hatte.

Eine Weiterbeschäftigung Hofschneiders war für Union nie ein Thema, weil es keines sein konnte. Ihm fehlt die geforderte Fußballlehrer-Lizenz, die er ab Herbst in Köln angeht. Deswegen wird er auch nicht wieder als Co-Trainer arbeiten. Mit einem unbefristeten Vertrag beim 1. FC Union ausgestattet, soll Hofschneider zunächst neben seiner Ausbildung als Scout tätig sein. „Wie es dann im Detail weitergeht, können wir auch noch später besprechen“, sagt er. Dass er nach seiner Ausbildung als Trainer arbeiten möchte, ist klar. Dafür haben ihm die vergangenen zwei Monate als Chef zu viel Spaß gemacht.

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