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© dpa

Interview: "Ich fange bei null an"

Der frühere Skispringer Sven Hannawald über sein Burn-out-Syndrom und den Neustart als Rennfahrer.

Herr Hannawald, wie geht es Ihnen?

Heute geht es mir gut. Und das können Sie mir auch glauben. Früher habe ich das nur gesagt, damit ich meine Ruhe habe.

Sie mussten 2004 Ihre Karriere beenden, weil Sie am Burn-out-Syndrom litten. Hatten Sie wie der Fußballtorwart Robert Enke, der Selbstmord verübt hat, ebenfalls Angst, Ihre Krankheit öffentlich zu machen?

Ob ich geoutet werde oder nicht, war mir erst einmal egal.

Warum?

Ich wusste einfach nicht, was mit mir los ist. Ich habe zig Ärzte besucht, die gesagt haben, mit mir ist alles okay. Das war für mich die schlechteste Aussage, weil ich gewusst habe, irgendetwas stimmt nicht. Dann gab es den Punkt, an dem ich gesagt habe, es ist besser, in eine Klinik zu gehen. Ich war froh, dass mir dort jemand sagen konnte, was mit mir los ist. Das Problem daran ist eher, dass diese Krankheit auch das Karriereende bedeutet. Der Fußballer Sebastian Deisler hat es noch einmal probiert, aber es hat nicht geklappt. Du bist einfach an einem Punkt, an dem du nicht mehr belastungsfähig bist.

Sie haben anschließend lange nach einer neuen Aufgabe gesucht, nun wollen Sie in der nächsten Saison in der GT-Masters-Serie Auto fahren. Ist der Motorsport nun diese Aufgabe für die nächsten Jahre?

Ja, und es ist auch emotional eine Erleichterung für mich, dass ich etwas gefunden habe. Deshalb machen wir das auch hier in Oberstdorf öffentlich. Und nicht, weil ich am ADS-Syndrom leide und auf mich aufmerksam machen will.

Wie kam es zu der neuen Aufgabe?

Ich bin beim Seat-Cup ab und zu Gästerennen gefahren. Dabei habe ich auch meinen neuen Manager Axel Watter kennengelernt. Er hat mich gefragt, ob ich Lust habe, bei ihm GT Masters zu fahren. Ich habe geantwortet, dass ich erst mal mit dem Seat zu kämpfen habe. Später habe ich mir gedacht: Probieren wir’s mal. Am Anfang ist das alles viel zu viel, aber man muss sich Zeit dafür nehmen.

Sind Sie jetzt ein Motorsport-Star?

Nur weil ich einmal die Vierschanzentournee gewonnen habe, heißt das nicht, dass ich im Motorsport die Nummer eins bin. Im Gegenteil, ich fange bei null an. Als Sportler kann ich aber Informationen besser verwerten und habe in meiner Karriere gelernt, mich auf das Wichtige zu konzentrieren. Beim Motorsport sind das mehrere Dinge, deswegen dauert es ein bisschen länger. Beim Skispringen musste ich nur einmal runterfahren, Absprung, Flug, das war’s. Im Motorsport sind es Kurven, Bremspunkte, Einlenkpunkte, was weiß ich. Das zu verarbeiten, ist für mich extrem.

Musste es unbedingt etwas Gefährliches sein?

Wir Skispringer haben auch Adrenalin drin. Und wenn diese Aufgabe wegfällt, sucht man nach ähnlichen Sachen. Im Motorsport kann man langsam anfangen, mit dem Risiko zu spielen. Wenn zum ersten Mal das Heck ausbricht oder die Räder blockieren, wird es schon brenzlig. Wenn man das bewältigt, kriegt man auch diesen Adrenalinkick.

Was ist Ihr Ziel in dieser Saison?

Lernen, lernen, lernen. Ich bin am Anfang extrem hinterhergefahren, und wenn ich jetzt mit ein paar Autos mitfahren kann oder aus eigener Kraft überholen – das sind die Dinge, die ich mir für die Saison als Ziel setze. Alles andere, Platzierungen, sind viel zu weit weg. Ich muss das Auto kennenlernen, das ist die Grundlage von allem.

Fühlen Sie sich im Skisprung-Anzug oder im Rennanzug wohler?

Im Sommer würde ich eher den Sprunganzug bevorzugen. Im Rennanzug schwitzt man, im Auto wird es extrem warm, da steht die Luft drin. Das ist auch etwas, an dem ich arbeiten muss.

Im Wintersport mussten Sie eher frieren …

… und das ist jetzt das andere Extrem. Ich hoffe, dass ich irgendwann bei null rauskomme.

Welches Auto werden Sie fahren?

Porsche oder ein anderes Fabrikat, das wissen wir noch nicht. Da gibt es noch Gespräche. Wir wissen aber, dass wir am 18. April in Oschersleben beim ADAC GT Masters am Start stehen werden.

Wie ist der Kontakt zu den Skispringern?

Schwierig, wir haben verschiedene Lebenswege. Die sind in ihrem Trainingsrhythmus drin, und ich habe auch Termine. Aber wenn ich sie abends sehe, ist es wieder wie früher. Man denkt, dass die Zeit stehen geblieben ist.

Werden Sie die Vierschanzentournee intensiv verfolgen?

Jetzt kann ich’s. Vor ein paar Jahren war es nicht so leicht, weil ich noch Wehmut hatte, wenn ich hier war. Vielleicht hat es damit zu tun, dass ich selber für mich eine neue Aufgabe gefunden habe. Jetzt kann ich locker drüberstehen, dass ich damals aufhören musste, obwohl ich es nicht wollte.

Aufgezeichnet von Benedikt Voigt

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