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Jos Luhukay, 50, betreut mit Hertha BSC bereits den dritten Bundesligisten als Cheftrainer. Zuvor stand der Niederländer schon an der Seitenlinie der Erstligisten Borussia Mönchengladbach und FC Augsburg.

© dpa

Interview mit Hertha-Trainer Jos Luhukay: "Ich bin dafür verantwortlich, die Fans glücklich zu machen"

Endlich beginnt wieder die Saison und Hertha ist dabei, in der ersten Liga. Trainer Jos Luhukay über seine persönliche Beziehung zur Fußball-Bundesliga, die Rückkehr von Hertha BSC und Händeschütteln mit Josep Guardiola.

Herr Luhukay, Sie und die Bundesliga haben eines gemeinsam: Sie feierten beide ihren 50. Geburtstag in diesem Jahr.

Das hört sich schön an. Das ist schon etwas Besonderes, aber wenn man dann einmal die 50 gefeiert hat, dann kehrt auch wieder der Alltag ein. Für die Bundesliga sind die 50 Jahre ein Markenzeichen, sie hat sich einen unglaublichen Stellenwert in Europa erarbeitet, gerade in der letzten Saison.

Die Leidenschaft und Faszination lassen auch nach 50 Jahren nicht nach?

Ja, das ist auch gut so. Ich persönlich habe so viel inneren Antrieb und auch Spaß an meinem Job, dass ich gerne noch einige Jahre arbeiten möchte und noch nicht ans Aufhören denke.

Am liebsten in der Bundesliga?

Ja, aber das ist kein Muss, ich habe immer mit Engagement gearbeitet, egal in welcher Liga. Dass es jetzt wieder die Bundesliga ist, ist schön. Am Ende will man auf höchstem Niveau dabei sein, das haben wir uns hart erarbeitet vergangene Saison.

Seit wann verfolgen Sie die Liga?

In Alter zwischen sieben und zwölf Jahren ist mein Vater häufig mit mir zum Bökelberg gefahren, einmal über die Grenze, das war ja keine Entfernung von Venlo. Die Mönchengladbacher Mannschaft Anfang der Siebziger habe ich heute noch vor Augen. Als ich Jahre später die Möglichkeit hatte, dort als Trainer zu arbeiten, war ich schon ein bisschen stolz.

Waren Sie nur auf dem Bökelberg?

Natürlich waren wir oft in Venlo, das Stadion lag ja vor der Haustür. Wir sind auch oft in Eindhoven gewesen, das war auch nicht weit weg, und als kleiner Junge habe ich alles im Fernsehen verfolgt.

Auch die Bundesliga?

Das war ja damals noch Schwarz-Weiß und wir hatten nur fünf Kanäle, drei holländische und Deutschland eins und zwei, wie wir ARD und ZDF damals nannten. Die Sportschau lief immer, jeden Samstag um sechs bei uns im Wohnzimmer.

Hatten Sie Lieblingsspieler, deren Autogramme Sie gesammelt haben?

Ich war nie ein Autogrammjäger. Aber ich bin mit meinem Sohn, als er noch klein war, in den Ferien auch mal zu Ajax Amsterdam oder PSV Eindhoven gefahren und habe mit gewartet beim Training, bis er ein Foto oder Autogramm bekam. In meiner Jugend war in Holland Johann Cruyff das Phänomen, jeder wollte seine Bewegungen und Tore nachspielen. Damals in der Gladbacher Mannschaft gefielen mir Günter Netzter – und Allan Simonsen: klein, quirrlig, dribbelstark, der war für mich als kleiner Junge eine Sensation.

Sie haben selbst noch zweimal in der Bundesliga gespielt. Was bedeutet Ihnen das?

Das war schon etwas Besonderes. Ich war lange Profi in Holland und kam dann auf meine letzten Tage in Uerdingen noch einmal in der Bundesliga zum Einsatz. Das zweite Spiel war ja auf dem Bökelberg, da habe ich die Atmosphäre genossen. Aber ich bin auch nüchtern und realistisch damit umgegangen, das waren Ausnahmemomente. Ich hatte meine Profikarriere ja eigentlich schon abgeschlossen und sollte in der ersten Mannschaft nur aushelfen, weil einige Spieler verletzt waren.

Können Sie als Trainer denn die Bundesliga und die Atmosphäre genießen?

Es ist schwer. Man ist so konzentriert auf das Spiel, schaut auf seine eigene Mannschaft, den Gegner, stellt sich auf Veränderungen oder Wechsel im Spiel ein. Da vergesse ich, das Drumherum aufzunehmen. Manchmal sagt mein Co-Trainer zu mir: Guck mal, Trainer. Dann sehe ich plötzlich die Choreografie, die den Fans in der Kurve eingefallen ist.

Wann können Sie ein Spiel genießen?

Ich war im Mai mit Michael (Manager Preetz; Anmerkung der Redaktion) beim Champions-League-Finale. Da fuhren wir ohne Druck und Stress hin. Ich war ja das erste Mal in London. Als ich dann vor dem fantastischen, neuen Stadion stand, hinein ging und die Choreographien der Dortmunder auf der einen und der Bayern-Fans auf der anderen Seite sah – das habe ich genossen. Auch die Art, wie beide Teams Fußball gespielt haben.

"Früher schaute man Fußball nebenher. Heute ist der Notizblock dabei"

Erwischten Sie sich nicht dabei, Gegner für die neue Saison zu scouten?

In dem Moment habe ich gar nicht darüber nachgedacht, dass wir mit Hertha auf beide treffen werden. Ich habe es mehr als Spiel gesehen, wie ist die Taktik, die Vorgehensweise bei beiden Trainern, aber nicht auf die neue Saison bezogen.

Worauf freuen Sie sich in dieser Saison?

Ich lasse es auf mich zukommen. Wichtig ist, dass wir im Olympiastadion zu Stärke finden. Ich freue mich, wenn wir eine schöne und positive Atmosphäre haben, die dazu führt, dass wir den Klassenerhalt auch über unsere Heimspiele bewerkstelligen. Ich hoffe, dass der Zusammenhalt, der beim letzten Abstieg ein Stück weit verloren gegangen war und im letzten Jahr wieder zurückerarbeitet wurde, dass diese Nähe zwischen Mannschaft und Fans weiter wächst.

Gute Stimmung dürfte es sicher geben im Olympiastadion, falls Hertha wie von Ihnen gefordert kein Heimspiel verliert.

Das ist natürlich wünschenswert, aber vielleicht ist es auch nicht ganz realistisch. Doch noch sind wir seit einem Jahr ungeschlagen zu Hause, diese Serie sollten wir solange es geht mitnehmen. Der Weg zum Klassenerhalt muss auch über Punkte in Heimspielen führen. Wir waren vergangenes Jahr auch die beste Auswärtsmannschaft, aber die Bundesliga hat eine andere Qualität, da werden wir auswärts natürlich nicht so erfolgreich sein wie in der Zweiten Liga.

Was unterscheidet denn Berlin von anderen Bundesligastandorten?

Ich habe in Gladbach und Köln zwar fantastische Stadien gehabt. Doch das Olympiasstadion ist leer schon imposant und kolossal, wenn es voll ist und wir mit dem Bus ankommen, dann habe ich immer noch ein bisschen Gänsehaut. Je voller das Stadion ist, desto schöner ist der Beruf als Trainer. Als Cheftrainer bin ich mit dafür verantwortlich, die Fans glücklich zu machen, das ist ein Antrieb und Reiz.

Ist es auch ein Reiz, sich künftig mit einem Trainer wie Josep Guardiola zu messen?

Natürlich ist es für die Bundesliga etwas Besonderes, wenn sich der Erfolgstrainer des FC Barcelona für Bayern München entscheidet. Aber ich persönlich bin dafür zu nüchtern, mir ist es eigentlich egal, wer auf der anderen Seite sitzt. In dem Moment, in dem das Spiel beginnt, bin ich auf die eigene Mannschaft fixiert. Vom Kollegen bekommt man im Prinzip ja nur auf der Pressekonferenz etwas mit. Das ist dann auch meistens nur die Hand geben und zwei, drei Worte wechseln, dann geht man wieder auseinander.

Aber steht dafür nicht die Bundesliga: Sich mit den Besten zu messen?

Ja, aber ich bin auch so motiviert genug. Warum muss ich mich beweisen? Ich bin seit20 Jahren in Deutschland, wenn mich jemand immer noch nicht kennt, dann kann ich damit leben. Ich weiß, dass ich ein Trainer bin, der eine Mannschaft formen und eine Philosophie und Strategie verleihen kann, unabhängig davon, ob das in der Bundesliga ist oder nicht.

Wie verfolgen Sie eigentlich den Rest der Liga? Langweilen Sie sich auch, wenn Bayern einsam vorneweg marschiert?

Wir müssen nicht auf Bayern München schauen, die werden nicht in unsere Nähe kommen. Natürlich verfolgt man alle Mannschaften, als Trainer musst du wissen, was in einer Liga läuft: wie ist die Qualität, welche Systeme werden gespielt?

Können Sie entspannt Sportschau gucken?

Ich schaue heute viel konzentrierter. Früher saß man auf der Couch, hatte Essen und Trinken vor sich und schaute daneben noch Fußball. Heute ist der Notizblock dabei. Aber mein Sohn sitzt jeden Sonntagmittag zu Hause und schaut sich zwei, drei Livespiele an, wenn er nicht selbst ins Stadion geht. Er hat vor zwei Jahren aufgehört, selbst zu spielen, aber ist absolut fußballbegeistert. Er verfolgt alles, was mit Hertha zu tun hat und kennt die holländische Liga besser als ich. Wenn ich einen Spieler mal nicht kenne, brauche ich ihn nur anzurufen.

Werden Sie auch beim 60. oder 70. Geburtstag der Bundesliga aktiv mitfeiern? Setzen Sie sich eine Altersgrenze als Trainer?

Nein, das habe ich nie gemacht. Ich habe mir auch nie vorgenommen, mit 30 oder 40 muss ich Bundesligatrainer sein. Ich bin immer in meiner Arbeit aufgegangen, tue viel dafür und habe meine Zeit immer genossen, auch wenn es viel Druck und Anspannung nebenher gab. Aber das gibt es im ganz normalen Arbeitsleben auch. Ich hoffe, dass ich noch eine lange, erfolgreiche Zeit habe bei Hertha.

Wie erfolgreich wird der Bundesligastart?

Aller Anfang ist schwer. Aber ich wollte am liebsten mit einem Heimspiel anfangen, unabhängig vom Gegner. Wenn man als Aufsteiger zu Hause starten darf, dann nehmen die Fans ein Stück Begeisterung mit in die Bundesliga. Darauf hoffe ich und natürlich auf drei Punkte.

Das Gespräch führte Dominik Bardow.

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