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Emil Forsberg, 26, steht bei RB Leipzig unter Vertrag.

© Reuters

Vor Schwedens Spiel gegen die Nationalelf: Emil Forsberg: „Weltmeister sein wäre schön“

Emil Forsberg von RB Leipzig spricht über das Spiel gegen den Weltmeister, das Fehlen von Zlatan Ibrahimovic und Schwedens neues Selbstbewusstsein.

Herr Forsberg, wissen Sie noch, was Sie am 16. Oktober 2012 gemacht haben?

Nein, keine Ahnung.

Da gab es in Berlin ein WM-Qualifikationsspiel, Deutschland gegen Schweden.

Ah, das 4:4. Natürlich kann ich mich daran erinnern. 4:4 nach 0:4, das geht normalerweise nicht. Niemand hat das geglaubt, niemand hat uns das zugetraut. Aber im Fußball kann alles passieren, und wir haben es bewiesen. Das war ein Wahnsinnsmoment.

Wenn das Spiel fünf Minuten länger gedauert hätte …

… hätten wir vielleicht noch gewonnen. Das ist das Schöne am Fußball: Es ist eigentlich egal, welche Qualität deine Mannschaft hat – wenn es perfekt läuft, kannst du den Weltmeister schlagen.

Auch im Rückspiel, beim 5:3 für Deutschland, sind acht Tore gefallen. Können wir uns am Samstag in Sotschi auf ein Offensivspektakel gefasst machen?

Ganz sicher nicht. Wir wollen auf keinen Fall vier Gegentore kassieren. Ich hätte allerdings nichts dagegen, wenn wir vier schießen. Aber das wird schwer.

Worauf müssen sich die Deutschen einstellen?

Wir sind eine typische 4-4-2-Mannschaft, die richtig hart miteinander arbeitet. Wir sind sehr kompakt und kommen viel über die Mentalität, über Leidenschaft. Das ist schön.

Gibt es im Spielstil Ähnlichkeiten zwischen Schweden und Ihrem Klub RB Leipzig?

Nein, das ist was ganz anderes. In Leipzig gibt es mit unserem Spielstil ein bisschen mehr Freiheiten für den einzelnen, in Schweden geht es dagegen sehr streng zu. Wir haben nicht die individuelle Qualität wie RB, wir müssen alles zusammen machen. Sonst geht es nicht. Das ist unser Konzept. Und dass es funktioniert, haben wir gegen Frankreich in der Qualifikation und in den Play-offs gegen Italien gezeigt.

Was schätzen beziehungsweise fürchten Sie am meisten an den Deutschen?

Wenn du dir die Nationalmannschaft anschaust, siehst du eigentlich nur Weltklassespieler mit einer hohen individuellen Qualität. Da kann jeder ein Spiel alleine entscheiden. Wir wissen ganz viel über Deutschland. Aber das ist eigentlich egal, weil immer wieder was Neues kommt. Ein Spieler der Deutschen kann auch mal einen schlechten Tag haben und trotzdem zwei Tore machen. Das gilt auch für die Mannschaft insgesamt. Selbst mit einer schwachen Leistung gewinnt sie 4:0 oder 3:2. Wir müssen einen perfekten Tag haben, um sie zu schlagen. Aber der ganze Druck liegt jetzt bei Deutschland. Sie müssen jetzt Tore schießen, nicht wir.

In der Qualifikation hatte Schweden keine ganz so leichte Gruppe …

… joa …

… mit dem WM-Favoriten Frankreich …

… und Holland ist auch nicht so schlecht. Viele Leute in Schweden, auch die Journalisten, haben schon vor der Quali gerechnet: Okay, neuer Trainer, einige neue Spieler – da kann die Mannschaft viel lernen und zur nächsten Europameisterschaft dann richtig angreifen. Aber wir Spieler haben von Anfang an gesagt: „Wir können das schaffen. Kein Problem.“

Sie haben 2:1 gegen Frankreich gewonnen. Das können nicht viele Mannschaften von sich behaupten.

Natürlich haben wir ein bisschen Glück gehabt. Aber Glück verdient man sich auch, sagt man in Schweden. Wir haben 90 Minuten lang sehr hart gearbeitet. Wir wären auch mit einem 1:1 zufrieden gewesen, aber dann bekamen wir ein Geschenk – und machten sogar noch das Siegtor. Das war zumindest nicht unverdient. Und auch gegen Italien sind wir verdient weitergekommen.

Würden Sie sagen: Schweden hat sich die Qualifikation redlich verdient?

Auf jeden Fall. Wir sind zu Recht bei der WM. Wir haben mit Frankreich eine der besten Mannschaften der Welt geschlagen. Und wir haben in den Play-offs Geschichte geschrieben: Zum ersten Mal seit 60 Jahren verpasst Italien eine WM-Endrunde. Darauf müssen wir stolz sein. Wir müssen mit dem Gefühl rausgehen, dass es verdient ist, hier zu sein. Wir wollen etwas Großartiges erreichen. Ein bisschen was haben wir schon geschafft, aber wir sind noch nicht zufrieden.

Träumen Sie auch von solchen Erfolgen?

Ja, schon. Du musst immer träumen, du musst immer Ziele haben, sonst wird es schwer, dich zu motivieren. Weltmeister zu sein wäre nicht schlecht. (lacht) Ich habe immer geträumt: von der EM, von der WM. EM habe ich gespielt, jetzt kommt die WM.

Haben sich die Erwartungen in Schweden verändert?

Wir haben selbst dafür gesorgt, dass die Erwartungen gewachsen sind. Die Leute wollen von uns jetzt auch bei der WM gute Ergebnisse sehen. Wenn wir nur ein Spiel gewinnen und Dritter in unserer Gruppe werden, würde es wahrscheinlich Kritik geben – weil wir gezeigt haben, dass wir mehr können. Wenn wir weiterkommen, wäre das keine Sensation. Die Leute würden sagen: Okay.

Könnten die Auftritte gegen Frankreich und Italien ein Modell dafür sein, wie man gegen Deutschland spielt?

Das kann sein. (lacht)

Was lässt Sie hoffen, dass es für Schweden am Samstag zu einer Sensation reicht?

Du musst einfach den Fußball lieben. Egal ob dein Land 83 Millionen Einwohner hat oder 7000. Wenn du daran glaubst, dass du es schaffen kannst, geht es auch. Wir wissen, dass wir nicht die besten Spieler der Welt in unseren Reihen haben. Aber wir wissen, was wir machen müssen, um zu Torchancen zu kommen und um unser Tor zu verteidigen. Natürlich können wir uns gegen Deutschland erst einmal nichts ausrechnen. Aber wir haben die Chance, sie zu schlagen. Wir können es. Da bin ich mir sicher.

Warum ist Schweden ohne Zlatan Ibrahimovic besser?

Das behaupten Sie!

Es ist eine Frage.

Zlatan ist immer ein Thema. Viele wollten ihn zurückhaben. Das wäre nicht schlecht für uns gewesen. Aber er hat Nein gesagt. Dann ist es so.

Waren Sie froh, als die Diskussion endlich beendet war?

Ich bin immer so: Chill. Kommt er zurück – super. Kommt er nicht zurück – auch okay. Dann müssen wir es eben ohne ihn hinbekommen.

Vielleicht profitiert die Mannschaft sogar davon, dass er nicht mehr da ist – weil sich die anderen Spieler nicht mehr hinter ihm verstecken können und selbst mehr Verantwortung übernehmen müssen.

Das kommt automatisch. Zlatan ist unser bester Spieler aller Zeiten, ohne Frage. Deshalb war er für die Öffentlichkeit auch ein Thema. Aber wir Spieler mussten mit der Situation zurechtkommen, wie sie war. Viele wollen beweisen: Wir können es auch ohne ihn. Das haben wir gezeigt. Ich glaube, mit Zlatan ist jede Mannschaft besser. Aber er ist nicht dabei – und wir sind trotzdem für die WM qualifiziert.

Sie haben in der Bundesliga in der vergangenen Saison für RB Leipzig nur zwei Tore erzielt und zwei vorbereitet. Haben Sie das Gefühl, bei der WM etwas geraderücken zu müssen?

Das kann sein. Aber die Statistik bedeutet mir nichts. Ich war drei Monate verletzt, habe die letzten Saisonspiele wegen meiner Rotsperre verpasst. Ich weiß genau, dass ich nächste Saison auch wieder auf 19 Assists kommen kann wie im Jahr zuvor. Ich fühle mich gut jetzt.

Ihr Großvater war auch Fußballer. Reist er gelegentlich nach Leipzig, um Sie spielen zu sehen?

Nein, das ist zu anstrengend. Er ist inzwischen 90 und sieht nicht mehr so gut. Aber er verfolgt alle Spiele von mir, im Fernsehen oder am Radio. Mein Großvater, mein Vater und ich, wir haben alle drei mit 17 unser Profidebüt gefeiert, alle im selben Verein, bei GIF Sundsvall. Das ist sehr komisch – aber auch sehr cool.

Hätten Sie da überhaupt eine andere Möglichkeit gehabt, als Fußballer zu werden?

Sicher. Ich habe auch Eishockey gespielt, Tennis, Floorball. Ich habe alles probiert. Am Ende habe ich mich für Fußball entschieden. Aber erst mit 17. Eigentlich ist es im Floorball sogar viel besser für mich gelaufen. Da war ich ganz nah an der U-17-Nationalmannschaft. Im Fußball hatte ich viele Zweifel. Ich dachte, es wird schwer, bei den Profis eine Chance zu kriegen. Aber mein Vater und meine heutige Frau haben mir gesagt: „Probier es erst mal beim Fußball! Wenn es nicht klappt, kannst du es immer noch zum Floorball zurückkehren. Umgekehrt dürfte es schwieriger sein.“

Wenn Sie sich einen Spieler aus der deutschen Mannschaft klauen könnten: Wer wäre das?

Uff, das ist ein großes Angebot. Es wäre nicht schlecht jemanden zu haben, der viele Tore schießt. So wie Timo Werner. Aber ich mag auch Özil. Er spielt sehr ähnlich Fußball wie ich. Trotzdem: Timo ist mein Mannschaftskamerad, also würde ich Timo nehmen.

Haben Sie ein bisschen Angst vor ihm?

Nein, überhaupt nicht. Ich freue mich riesig auf das Spiel. Ich glaube, ich werde zwei Tore machen. (lacht)

Das ist mal eine Ansage.

Ihr müsst es nur glauben!

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