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Jos Luhukay, 51, trainiert Hertha BSC seit Sommer 2012. Der Niederländer führte die Berliner zurück in die Bundesliga und belegte dort mit ihnen in der vergangenen Saison Platz 11.

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Interview mit Trainer von Hertha BSC: Jos Luhukay: "Unser Kader ist besser als im letzten Jahr"

Herthas Trainer Jos Luhukay spricht mit dem Tagesspiegel über eine neue Spielweise, Neuzugänge und ein Abendessen in einem teuren Berliner Restaurant. Das komplette Interview finden Sie hier.

Herr Luhukay, lassen Sie uns ein paar Wochen zurückgehen. Wie war noch gleich Ihr WM-Tipp?

(lacht) Ich kann mir schon denken, worauf Sie hinauswollen. Ich habe mich bereits vor dem Turnier auf Deutschland festgelegt, weil ich die Deutschen für die beste Mannschaft gehalten habe, und das waren sie dann ja auch. Allerdings habe ich mir mit diesem Tipp im Nachhinein keine Freunde gemacht, zumindest nicht in meinem Trainerteam.

Warum?
Es gab intern eine kleine Wette. Mein Assistenztrainer Rob Reekers hat auf Argentinien gesetzt, er war nah dran. Unser Torwart-Trainer Richard Golz hatte sich auf Kolumbien festgelegt, einen Außenseiter also. Und mein anderer Assistenztrainer Markus Gellhaus hat auf Brasilien gewettet.

Der Cheftrainer hatte also Recht.
Wir haben so oft darüber geflachst, das hat Spaß gemacht. Der Einsatz war ein Abendessen in einem guten Restaurant, das müssen jetzt die drei Kollegen zahlen. Ich habe ihnen schon gesagt, dass sie am besten die Kreditkarte einstecken, weil ich garantiert eines der teuersten Restaurants aussuchen werde, die es in Berlin gibt.

Können Sie mit annähernd ähnlicher Präzision eine Prognose abgeben, wo Hertha BSC in der neuen Saison landen wird?
Nein, das kann, will und werde ich aus verschiedenen Gründen nicht tun. Erstens wollen wir keine großen Töne spucken, das haben wir in den letzten Jahren auch nie gemacht, dadurch schürt man nur falsche Erwartungen. Zweitens ist die Bundesliga abgesehen von den besten fünf, sechs Teams so eng beieinander, dass es sehr schwer ist, Prognosen abzugeben. Denken Sie doch mal an die letzte Saison: Mir fallen drei Teams ein, die mit Europapokalambitionen gestartet sind: der HSV, Stuttgart und Hannover 96. Und was ist am Ende passiert? Alle drei Klubs haben mindestens zwei Trainer gebraucht, um die Klasse zu halten.

Noch einmal zurück zur WM, die ist ja immer auch ein Schaufenster für den Weltfußball: Haben Sie im Verlauf des Turniers Erkenntnisse gewonnen, die unmittelbar in die Vorbereitungsphase bei Hertha BSC einfließen?
Nicht unbedingt. Es war aber schon auffällig, dass viele Teams, insbesondere die vermeintlich kleinen Länder, aus einem starken Kollektiv agiert haben, dass sie unbekümmert und unberechenbar aufgetreten sind. Eine weitere Beobachtung war, dass die Wechselspieler den Spielen oft eine entscheidende Wende gegeben haben. Und dass viele Trainerkollegen oft richtige Entscheidungen getroffen haben. Diese Beobachtung hat dann im Endspiel seine Krönung erlebt, als André Schürrle und Mario Götze eingewechselt wurden, also der Vorlagengeber und der Siegtorschütze.

Nicht nur bei der WM ging es oft um die Systemfrage: Ballbesitz oder Konterfußball? Wo sehen Sie ihre Mannschaft diesbezüglich?
Es gibt schon gewisse Parallelen. Wie gesagt: Die Außenseiter waren gut organisiert und sortiert, das wollen wir auch sein: unangenehm für jeden Gegner. Natürlich wollen auch wir offensiv spielen, aber nicht um jeden Preis. Defensive Stabilität geht bei mir immer vor: Wir waren in der Zweiten Liga das Team mit den wenigsten Gegentoren, in der Bundesliga hat die Statistik auch gestimmt. Das spricht für die Mannschaft und für ihre taktischen Möglichkeiten.

Jos Luhukay über den erhöhten Konkurrenzkampf im Kader

Hertha BSC hat im Sommer sieben neue Spieler verpflichtet. Wird die Situation dadurch einfacher für Sie, weil sie über mehr Optionen verfügen, oder wird es schwieriger, weil Sie alle irgendwie bei Laune halten müssen?
Es wird auf jeden Fall eine Herausforderung sein, die Neuen im Team zu integrieren und zu positionieren, aber für mich persönlich ist das auch eine zusätzliche Motivation. Schwierig wird es insofern, als dass ich mit meinen Entscheidungen Einfluss darauf nehme, dem Spieler eine Freude zu machen oder für Frustration zu sorgen. Aber das ist normal, Fußball ist ein Teamsport, da muss man sich von Saison zu Saison qualitativ verbessern, wenn man nicht stehenbleiben will. Unsere erste Elf steht zwar noch nicht, aber ich muss mich darauf einstellen, von Spieltag zu Spieltag schwierige Entscheidungen treffen zu müssen, weil wir unseren Kader in der Breite verbessert haben.

In Ihrem Kader stehen hoffnungsvolle Spieler aus dem eigenen Nachwuchs, John Anthony Brooks etwa oder Hany Mukhtar. Was bedeutet der erhöhte Konkurrenzkampf für die Eigengewächse?

Junge Spieler haben es ja oft mit Konkurrenzsituationen zu tun, aber man muss diese Fälle einzeln beurteilen: John gehört seit zwei Jahren zu den Profis und stand oft in der Startformation, das hat Hany bisher eher selten geschafft. Es muss aber ihr Anspruch sein, sich Richtung erste Elf zu entwickeln, für Nico Schulz gilt das im Übrigen auch. Bislang machen alle drei einen guten, selbstbewussten Eindruck. John war bei der WM, Hany hat mit der U 19 den EM-Titel gewonnen. Das muss einfach ein Ansporn sein. Im Moment bewegen sich die beiden zwar noch nicht auf dem Niveau, das der Rest der Mannschaft hat, weil sie später dazugestoßen sind, deshalb müssen wir die Trainingssteuerung noch genau abstimmen. Ziel muss es aber sein, die Spieler sorgfältig aufzubauen, und das werden wir auch tun.

Stichwort Offensive: Hertha hat im Sommer mit Adrian Ramos seinen besten Angreifer abgegeben, Pierre-Michel Lasogga ist zum HSV gewechselt. Brauchen Sie noch einen Stürmer?
Wir sind, glaube ich, ordentlich aufgestellt im Angriff. Julian Schieber ist ein guter Stürmer, Sandro Wagner und Sami Allagui auch. Deshalb bin ich mit dem Kader so weit einverstanden, er ist meiner Ansicht nach besser als im letzten Jahr. Andererseits haben wir immer gesagt, dass wir noch einen Stürmer hinzufügen wollen, der fünf bis zehn Tore in der Bundesliga garantiert. In unserem jetzigen Kader ist das Sami regelmäßig gelungen, andere Spieler haben diese Trefferquote bislang nicht nachweisen können. Deshalb suchen wir noch einen, der diese Quote erfüllen kann.

Jos Luhukay über taktische Varianten und Neuzugang John Heitinga

Im Trainingslager haben Sie zum ersten Mal mit den taktischen Varianten der Vorjahre gebrochen und anstelle eines 4-3-3-Systems ein 3-4-3 spielen lassen. War die Mannschaft überrascht?
Kann schon sein, dass ich sie damit überrascht habe. Ich habe das Konzept am Montag zum ersten Mal vorgestellt und üben lassen, damit haben, glaube ich, nicht so viele gerechnet. In den letzten Jahren haben wir ein bewährtes System gespielt, jetzt will ich der Mannschaft mit dem 3-4-3 eine nächste Alternative an die Hand geben.

Welche Erwartungen verbinden Sie damit?
Wir wollen weder offensiver noch defensiver spielen, sondern in erster Linie unberechenbarer werden, deshalb üben wir das jetzt Stück für Stück ein. Prinzipiell glaube ich, dass dieses System in der Bundesliga gut umsetzbar ist. Entscheidend war für mich aber nicht das System an sich. Ich habe vielmehr darauf geachtet, welche Qualitäten der Kader hergibt. Was passt am besten? Wo fühlen sich die Spieler wohl? Wo können sie ihre maximale Leistungsfähigkeit abrufen? Noch einmal: das System ist nicht entscheidend, sondern dass es die Spieler umsetzen können.

Welche Rolle spielt Neuzugang John Heitinga für dieses Konzept, der neue Abwehrchef, der ganz offensichtlich auch für die Stimmung in der Mannschaft verantwortlich ist.

Eine ganz wichtige. Wie Sie sagen: John ist ein Supertyp, auch und gerade neben dem Platz. Er bringt Erfahrungen aus den großen Ligen in Spanien mit, und soll die Rolle des Organisators übernehmen, egal in welchem System. Ich gehe auf jeden Fall zuversichtlich und mit großem Vertrauen in meine Mannschaft in die neue Saison.

Das Gespräch führte Christoph Dach

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