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Pal Dardai, 34, hat als einziger Spieler von Hertha BSC den Aufstieg 1997 und alle 13 Jahre in der Bundesliga miterlebt. Der Ungar, mit 286 Einsätzen Rekordspieler des Klubs, besitzt einen Vertrag für die zweite Mannschaft, wird aber wohl weiter für Herthas Profis spielen. Foto: ddp

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Interview: Pal Dardai: „Die Zweite Liga ist knallhart“

Hertha-Routinier Pal Dardai spricht im Interview über Herthas Abstieg, dreizehn erstklassige Jahre mit den Berlinern und seine besonderen Erinnerungen an ein Spiel gegen Wattenscheid.

Herr Dardai, wann haben Sie zum letzten Mal ein Zweitligaspiel gesehen?

Ganz oft, immer montags. Eine Halbzeit schau ich mir im Fernsehen an, dann schlafe ich ein.

So langweilig?

Nein, montags gibt es nichts Besseres als Zweite Liga. Aber halb zehn ist meine normale Zeit. Da gehe ich immer ins Bett. Ich habe drei Kinder.

Sie sind der einzige Spieler, der mit Hertha schon in der Zweiten Liga gespielt hat. Wie hat sich die Liga seitdem verändert?

Das ganze Drumherum ist besser geworden. Die Plätze sind besser, die Stadien sowieso, und es kommen weit mehr Zuschauer. Ich kann mich noch an ein Spiel in Zwickau erinnern. Was ist das denn?, habe ich gedacht. Da waren ja sogar die Stadien in Ungarn besser.

Und sportlich?

Die Liga ist sehr ausgeglichen. Das sieht man schon daran, dass es in jeder Saison eine Überraschungsmannschaft gibt so wie diesmal Fortuna Düsseldorf. Düsseldorf ist aufgestiegen und hätte fast den Durchmarsch geschafft. Das Wichtigste ist, dass du eine gut funktionierende Mannschaft hast. Ich bin sicher, dass wir die haben werden.

Heute endet nach 13 Jahren Herthas Zeit in der Bundesliga. Haben Sie sich für das Spiel gegen die Bayern etwas vorgenommen?

Wir wollen das Spiel gut über die Bühne bringen und noch einmal das Maximale rausholen. Die jungen Spieler müssen sowieso gut spielen, weil sie sich präsentieren wollen. Und die anderen sollen dieses Spiel einfach genießen. Das ist ein Topspiel vor vollem Haus. Vielleicht zum letzten Mal bis zum Wiederaufstieg.

Haben Sie gedanklich schon verarbeitet, dass Hertha nicht mehr erstklassig ist?

Das kann niemand verstehen. In unserem Kader stehen lauter Nationalspieler, aus Polen, Griechenland, Tschechien, Serbien, Deutschland. Mit diesem Kader darfst du normalerweise nie absteigen. Aber wenn du vor dem letzten Spiel Letzter bist, hast du es nicht anders verdient. Das kannst du nicht schönreden.

Sie persönlich profitieren sogar ein bisschen von Herthas Abstieg: Statt in der zweiten Mannschaft werden Sie weiterhin für die Profis spielen.

Wer sagt das? Ich weiß nicht, ob Hertha mit mir plant. Wenn einer von oben sagt: Pal, wir brauchen dich nicht mehr, dann habe ich damit überhaupt kein Problem.

Das glauben Sie selbst nicht.

Natürlich möchte ich gern helfen. Ich habe eine große Wut in mir und eine innere Motivation, etwas gut zu machen.

Erwarten Sie das auch von Ihren Kollegen? Reden Sie auf die ein, damit sie bleiben?

Das ist nicht meine Aufgabe. Ich kann niemandem etwas raten. Das muss jeder für sich entscheiden. Niemand verlässt Berlin freiwillig. Das ist eine tolle Stadt. Aber wenn jemand ein Angebot aus Hamburg oder Bremen bekommt, wird er natürlich gehen. Du spielst weiter vor 60 000 Zuschauern in der Bundesliga, in der Zweiten Liga können es auch mal 6000 sein.

Aber in erster Linie geht es ums Geld.

Natürlich geht es auch darum, gerade bei jüngeren Spielern. Ich finde das auch nicht schlimm. Ich bin jetzt 34 und habe oft gesagt: Okay, dann spiele ich eben für weniger. Fast immer eigentlich, wenn ich bei Hertha verlängert habe. Aber vielleicht kommt irgendwann ein neuer Manager und sagt: Den Dardai brauchen wir nicht mehr. Dann habe ich verloren.

Sie gehen sehr entspannt mit dem Thema Zweite Liga um. Ist das bei Ihren Kollegen auch so?

Viele von uns wissen ja gar nicht, wie es ist, in der Zweiten Liga zu spielen. Ich habe es noch miterlebt. Das ist knallhart.

Betrachten Sie die Zweite Liga als Strafe?

Nein. Fußball ist für die Fans gemacht. Wir sind die Nachfolger der Gladiatoren. Wenn wir in der Zweiten Liga gut spielen und gewinnen, werden unsere Fans auch ihren Spaß haben. Dann ist es keine Strafe. Im Moment ist es natürlich schwer: Du steckst innerlich in einem Loch. Aber es gibt viele Dinge, die schlimmer sind als ein Abstieg. Mein Bruder ist gestorben, meine Mutter ist gestorben. Das ist mein Schicksal, nicht Herthas Abstieg. Den kannst du wenigstens noch reparieren.

Und das Schöne ist: Beim Aufstieg gibt es wenigstens etwas zu feiern.

Genau, das wäre wunderbar. Aber dafür gibt es keine Garantie. Nicht mal, wenn alle Spieler hierbleiben.

Der Verein strebt aber den direkten Wiederaufstieg an.

Das finde ich sehr mutig. Du brauchst Glück, du brauchst Erfahrung, und du brauchst eine gute Mannschaft. Bei uns ist es anders als bei Vereinen wie Bochum. Bei denen bleibt der Kader auch nach dem Abstieg weitgehend zusammen, die können sagen: Wir kommen gleich wieder. Aber bei uns? Die entscheidende Frage ist: Wie schnell steht die neue Mannschaft? Dafür hat die Vereinsführung jetzt vier, fünf Wochen Zeit, und dann bleiben sechs Wochen zur Vorbereitung.

So pessimistisch?

Das ist nicht pessimistisch, das ist realistisch – und professionell! Wir müssen aufpassen, dass wir den Druck auf die jungen Spieler nicht zu groß werden lassen. Es kann doch nicht heißen: Du musst aufsteigen, du musst, du musst! Wir sind keine Computer. Natürlich wäre es ein Traum, wenn wir es nach einem Jahr schaffen. Wir wollen alles versuchen, aber wenn es erst in zwei Jahren klappt, ist es auch gut. Wie viele Mannschaften hat es denn böse erwischt nach dem Abstieg? Die sind überhaupt nicht mehr wiedergekommen.

Zum Beispiel?

Ich habe die Namen noch im Ohr, die ich als Kind in Ungarn gehört habe, wenn im Radio die Totoergebnisse durchgegeben wurden: Saarbrücken, Wattenscheid, Uerdingen. Das waren große Mannschaften. Und wo sind sie jetzt?

Uerdingen spielt in der sechsten Liga.

Sehen Sie. Und wie lange war Hertha nach dem letzten Abstieg in der Versenkung verschwunden?

Sechs Jahre.

Und davor?

Sieben.

Also! Zwei Jahre wären doch gar nicht so schlecht.

Das Gespräch führten Stefan Hermanns und Michael Rosentritt.

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