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© dpa

Interview: "Von Tschagajew geht keine Gefahr aus"

BDB-Präsident Eckmann über Hepatitis im Boxen, Klitschkos WM-Kampf und die Sorgen des Verbands.

Herr Eckmann, wird der Kampf um die Schwergewichts-Weltmeisterschaft zwischen Wladimir Klitschko und Ruslan Tschagajew am Sonnabend stattfinden?



Ich gehe davon aus. Weshalb fragen Sie?

Vor drei Wochen hatte ein medizinischer Befund über Tschagajew dessen WM- Kampf gegen Nikolai Walujew verhindert. Von den finnischen Ärzten erhielt der Usbeke Startverbot, weil er angeblich Träger von Hepatitis-B-Viren ist.

Wir müssen mit der Terminologie vorsichtig sein. Herr Tschagajew leidet nicht an einer infektiösen Hepatitis-Erkrankung. Er ist Träger eines Hepatitis-Antigens. Sehr wahrscheinlich ist Tschagajew früher einmal mit einem Hepatitis-Virus in Berührung gekommen und hat vielleicht eine Hepatitis durchgemacht.

Der Bund Deutscher Berufsboxer, dem Sie vorstehen und unter dessen Aufsicht der Kampf am Samstag stattfindet, hegt keinerlei Bedenken?

Nein. Die entscheidende Frage lautet: Ist Herr Tschagajew ansteckend für andere? Das können wir mit Nein beantworten.

Was macht Sie im Vergleich zu den Finnen so sicher?

Wir als BDB haben seit Jahren sehr viele Erfahrungen gesammelt. Bei uns stellen sich viele Boxer vor, die aus Regionen wie der Herr Tschagajew kommen. In diesen Regionen ist es kein Einzelfall, dass jemand mit Hepatitis in Berührung kommt.

Sie meinen Boxer aus ehemaligen Sowjetrepubliken wie Usbekistan, Armenien, Kasachstan oder Tadschikistan?

Ja, aber nicht nur die. Ich will sagen, dass wir dadurch über einen gewissen Erfahrungsschatz verfügen. Die Ärzte, die der BDB einsetzt – beziehungsweise die Ärzte der deutschen Boxställe – kennen die Problematik gut. Im Fall des Herrn Tschagajew sehen wir uns auf einer Linie: Seine Blutwerte bewegen sich unterhalb des internationalen Standardwertes, ab dem eine Hepatitis-Erkrankung als infektiös gilt. Unabhängig davon, dass sich sein Gegner, Herr Klitschko, gegen Hepatitis geimpft hat, geht von Tschagajew keine Ansteckungsgefahr aus.

Sprachen Sie deshalb nach der Entscheidung von Helsinki von einem Affront gegen Ihren Verband?

Der BDB ist im internationalen Boxgeschäft sehr aktiv und geschätzt. Ich bin jetzt 13 Jahre im Amt. In dieser Zeit haben wir eine Menge von großen Titelkämpfen mit Boxern aus aller Herren Länder durchgeführt. In Einzelfällen haben wir uns Fachleute hinzugeholt. Der finnische Boxverband, der naturgemäß ein kleiner ist, verfügt auf diesem Gebiet nicht über unsere Erfahrungen. Deshalb hatten wir ihn vorausschauend informiert. Wir haben denen weit im Voraus unsere Hilfe angeboten, was angesichts der Bedeutung des Kampfes für uns selbstverständlich war. Am meisten hat mich verwundert, dass die Finnen erst 24 Stunden vor dem Kampf zu ihrem Urteil gekommen sind.

Hätte der Kampf in Deutschland stattgefunden?

Ja, genau so, wie der Kampf in der Schalker Arena stattfindet.

Die Klitschkos boxen erst seit kurzem wieder unter Aufsicht des BDB. Inwiefern ist das überlebenswichtig für den Verband?

Überlebenswichtig? Ich weiß nicht. Wir haben genug zu tun. Aber von der Außendarstellung und dem Renommee ist es erfreulich. Dieser WM-Kampf ist der logischste, den es derzeit im Schwergewicht gibt. Wladimir Klitschko hält zwei Titel, und Tschagajew ist ungeschlagen. Und das alles vor 60 000 Zuschauern in einer tollen Fußball-Arena.

Zwei der vier großen deutschen Veranstalter, nämlich Wilfried Sauerland und Ahmet Öner, haben längst den BDB verlassen und veranstalten ihre Kämpfe unter der Aufsicht anderer nationaler Verbände. Wie bewerten Sie das?

Ich mag das nicht werten. Beide haben uns verlassen, weil ihnen wohl etwas nicht zugesagt hat. Was genau, müssen Sie die Herren fragen. Vielleicht lag es an der Konkurrenzsituation, die es ja unstrittig gibt zwischen Herrn Kohl von Universum und Herrn Sauerland von Sauerland Event sowie zwischen Herrn Kohl und Herrn Öner von Arena. Wir als BDB haben weder die Regeln noch Preise geändert. Wir arbeiten korrekt. Dass jetzt die Klitschkos wieder unter unserer Aufsicht veranstalten, kann man als Indiz dafür deuten, dass wir so viel nicht falsch gemacht haben. Prinzipiell steht unsere Tür immer offen. Aber wir buhlen nicht.

Warum nicht?

Wir müssen uns nicht andienen. Die Herren Sauerland und Öner haben uns aus eigener Entscheidung verlassen und sie sollten dann auch aus eigener Überzeugung zu uns kommen.

Aber dem BDB geht viel Geld verloren.

So viel ist das gar nicht. Wir haben eine große Diskrepanz zu anderen Berufssportarten. Wir arbeiten hier ehrenamtlich. Der BDB unterhält ein kleines Büro mit zwei hauptamtlichen Mitarbeiterinnen. Wir sind nicht gewinnorientiert. Anders als etwa der Deutsche Fußball-Bund und der Deutsche Handballbund handeln wir weder Fernsehverträge aus noch vermarkten wir Rechte. Selbstverständlich brauchen wir ein Budget, um unsere Kosten zu decken. Aber wir sind bisher nicht verarmt noch sind wir reich geworden.

Was nimmt der BDB durch einen Weltmeisterschaftskampf ein?


Das ist ja klar geregelt: Die Lizenzgebühr für einen WM-Kampf beträgt 5000 Euro. Das sind im Wesentlichen die Kosten für die Ring- und Punktrichter sowie die Ringärzte, die wir stellen und die eine sehr wichtige und gute Arbeit leisten.

Gemessen an den Millionen-Gagen der Boxer ist das wenig.

Sie sagen es. Aber ich will nicht jammern. In Frankreich beispielsweise liegt die Kostenpauschale für eine solche Veranstaltung bei 22 000 Euro. Neidisch sind wir aber dennoch nicht. Wir haben einen wachen Geist und sind nicht verbrämt durch persönliche Eitelkeit oder Interessen Einzelner. Diese Unabhängigkeit und Offenheit möchte ich uns erhalten.

Die Fragen stellte Michael Rosentritt.

Bodo Eckmann, 56, ist Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer (BDB). Der Hamburger Chirurg steht dem Verband seit 1997 vor.

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