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Sport: IOC-Präsident: Die Absteigerin: Anita DeFrantz hat sich selbst um ihre Chancen gebracht

Auf den ersten Blick ist Anita DeFrantz die perfekte Kandidatin. Die Afroamerikanerin ist Anwältin und gewann Bronze im Rudern bei den Spielen von Montreal 1976.

Auf den ersten Blick ist Anita DeFrantz die perfekte Kandidatin. Die Afroamerikanerin ist Anwältin und gewann Bronze im Rudern bei den Spielen von Montreal 1976. Organisatorische Erfahrung sammelte sie im Vorbereitungsteam für Olympia 1984 in Los Angeles. Diese Spiele waren hochprofitabel, und gutes Geld floss in die Förderung des Sports in Südkalifornien.

Doch ihr Sprung an die Spitze der olympischen Bewegung kam zufällig. Als sie 1986 ausgewählt wurde, war sie in der Juniorrolle neben dem ambitionierten Bob Helmick, der damals als Kandidat für die Samaranch-Nachfolge gehandelt wurde, aber dieses Ziel 1991 aufgab. DeFrantz wurde ausgewählt, so Helmick später, weil sie niemandem vom Establishment wehtat.

Nach Helmicks Abgang stieg DeFrantz ins Exekutivkomitee des IOC auf. Doch sie war immer mehr eine Mitläuferin als eine Führungskraft. Sie startete eine Kampagne für eine höhere Beteiligung von Frauen in Sportverbänden - mit geringem Erfolg. Im IOC selbst haben Frauen einen Anteil von rund zehn Prozent.

Ihre Träume vom IOC-Chefsessel platzten in den ersten Monaten des Jahres 1999. Obwohl ihr niemand eine Mitwisserschaft beim Skandal von Salt Lake City nachweisen konnte, wirkte es wenig glaubwürdig, dass sie gar nichts von den Mauscheleien in der amerikanischen Stadt mitbekommen haben will. Einer der beiden Funktionäre, deren Prozess am 16. Juli beginnt, behauptet, DeFrantz habe sehr wohl gewusst, dass verschiedene ihrer IOC-Kollegen sich von ihren Reisen nach Utah persönliche Vorteile versprachen. Im April musste DeFrantz vor einem Untersuchungsausschuss des US-Senats aussagen. Es war eine peinliche Vorstellung. Schon einfachste Fragen, etwa wie viel Geld das IOC für seine Athleten ausgibt, konnte die Juristin nicht beantworten. Fragen nach der mangelnden Transparenz im IOC versuchte sie auszuweichen. Sie sei verwirrt, sagte sie. Ihr bis dahin gutes Image war dahin.

Auch die Wahl des Ortes, an dem sie ihre Kandidatur für den IOC-Vorsitz bekanntgab, war unglücklich. DeFrantz wollte sich auf einer IOC-Sitzung im Senegal erklären und entschied sich als Afroamerikanerin für eine Insel vor der Hauptstadt Dakar. Von dort wurden einst afrikanische Sklaven nach Amerika verschifft. Ihre naive Rede, derzufolge Olympia nun die Nachfahren der Sklaven mit denen der Sklavenhalter friedlich zusammenbringt, wurde in Afrika allerdings nicht gern gehört. Und ohne afrikanische Stimmen dürfte die Kandidatur der Anita DeFrantz aussichtslos sein.

Nach diesen beiden Schlappen versuchte DeFrantz ihre Kampagne zu retten, indem sie von ihrer "Berufung" sprach, die olympische Bewegung zu führen. Auch das funktionierte nicht. Und die Athletin DeFrantz schaffte es, nachrückende IOC-Mitglieder, darunter viele ehemalige Olympiastarter, gegen sich aufzubringen. Wie eine Oberlehrerin ließ sie ihnen einen schriftlichen Fragebogen zukommen, in dem die neuen Funktionäre ihre Kenntnisse über die Geschichte und Gepflogenheiten der Olympischen Bewegung unter Beweis stellen sollten. Die Athleten fühlten sich beleidigt. Anita DeFrantz musste sich entschuldigen.

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